Mit Gernot Fraydl feiert am 10. Dezember 2019 einer der besten Österreichischen Fußballtorhüter seinen 80. Geburtstag. Er, Fraydl, gehörte auch jenem „Zweiten Fußball-Wunderteam“ an, das in der Zeit von 29. Mai 1960 bis 9. Oktober 1961 mit 9 Erfolgen bei nur einer Niederlage eine beachtliche ÖFB-Siegesserie in der sogenannten “Karl Decker-Teamchef-Ära” zu verzeichnen hatte. Grund genug also, einen beinahe Vergessenen hier bei uns zu würdigen.
Aus dem Mittelfeld ins Tor
Bereits sehr jung begann Gernot Fraydl bei seinem Stammverein, dem Deutschlandsberger SC, mit dem Fußballsport. Zuerst war er in sämtlichen Nachwuchsmannschaften auf dem Feld aktiv, ehe er als 14-jähriger ins Tor beordert wurde, da sich der ursprünglich vorgesehene Standardkeeper verletzt hatte.
Weil ihm diese Position dann sehr gut gefiel, blieb ihr Fraydl, dessen Vorbild Walter Zeman war, seine ganze Karriere lang hindurch treu ergeben. Was dann geschah, war eine der schillerndsten Fußballer-Karrieren, die ein Österreicher jemals erleben konnte, denn es ging Schlag auf Schlag.
GAK, FK Austria Wien, FC Wacker Innsbruck, Schwarz-Weiß Bregenz
Mit 17 Jahren feierte Gernot Fraydl am 8. September 1957 sein Oberhaus-Debüt beim Grazer AK. Die Steirer mussten beim Wiener AC in der Rustenschacherallee antreten und nach 90 Minuten trennte man sich 3 : 3. Den „Rotjacken“ blieb Fraydl bis 1961 erhalten, ehe ihn der FK Austria Wien um 200.000 Schilling (€ 14.535,00) in den Prater holte. Dort war es für ihn auch leichter, rascher bei der Nationalmannschaft zu sein. Mit dem FAK holte Fraydl zweimal in Serie – 1961/62 und 1962/63 – das Double mit gewonnener Meisterschaft und Cupsieg. Auch die Stadthalle im Jahre 1963 verließ Fraydl mit den Wiener Violetten als Sieger. Er hatte einen guten Stand bei den Anhängern und überhaupt im Verein, dennoch ist eine nette Geschichte überliefert. Austria-Trainer Karl Schlechta suchte jeden Abend seine Schäfchen auf und wollte wissen, ob diese auch artig zu Hause sind. Fraydl warf immer ein Stückerl Koks beim Fenster hinunter und Schlechta wusste somit, dass er daheim war. Eines Abends kam kein Koks geflogen. Was ihm 2.000 Schilling (€ 145,00) Geldstrafe einbrachte. Was war geschehen? Fraydl saß im Café Savoy beim Kartenspielen … mit Austria-Chef Joschi Walter.
Der Sprung über den großen Teich
1965 ging es für Gernot Fraydl weiter in den Westen. Zuerst nach Innsbruck, im Jahr darauf zu Bregenz. Als 1966 ein Top-Auslands-Engagement vom VfL Borussia Mönchengladbach im Hause Fraydl eintrudelte, schien – vorerst – alles für die Deutsche Fußball-Bundesliga angerichtet zu sein. Lediglich der ÖFB hatte etwas gegen den Transfer und verweigerte Fraydl die Freigabe, denn dieser war zu diesem Zeitpunkt noch keine 30 Jahre alt. Auch eine etwaige Verpflichtung von Arsenal London scheiterte an dieser ÖFB-Klausel. Fraydl war darob derart erstaunt und verärgert, sodass er nach heftigen Kontroversen und aus einer Trotzreaktion heraus Österreich den Rücken kehrte und in die damals als wild verschriene US-Soccer-League ging. Zuerst zu den Philadelphia Spartans und ein Jahr später zu den St. Louis Stars. Gernot Fraydl war beeindruckt vom organisatorischen Können der Amerikaner. Normal war das damals ohnehin nicht, gerade einen ausländischen Torhüter zu verpflichten, aber Gernot Fraydls tolle Taten im Tor der Nationalmannschaft, als auch auf Klubebene beeindruckten die US-Boys.
Penalty-Killer Fraydl
16 Elfmeter en suite konnte Gernot Fraydl in Amerika parieren, darunter sogar einmal deren zwei in einem Spiel. Sein Gegner dabei war der Engländer Dennis Viollet, der von Manchester United (als einer der Überlebenden der Flugzeugkatastrophe vom 6. Februar 1958) und Stoke City zu den Baltimore Bays gewechselt war. Fraydl brachte den Briten an jenem Tage schier zur Verzweiflung.
Zwei Jahre in Berlin mit dem Zuschauerrekord für die Ewigkeit
Gernot Fraydl kehrte im Sommer 1968 von seinem Ausflug in die US-„Operettenliga“ nach Europa, in diesem Falle nach Berlin, zurück, wo er sich fortan mit Volkmar Groß zwischen den Pfosten abwechselte. Obwohl der Österreichische Keeper konstant gute Leistungen bot, konnte sich Trainer Helmut „Fiffi“ Kronsbein nie so recht für eine klare Nummer Eins entscheiden. Nachdem Fraydl am 7. April 1970 trotz eines 1 : 0-Pausenstandes gegen Hannover 96 ausgewechselt worden war – zahlreiche Besucher des Berliner Olympiastadions kritisierten während des Hannover-Spieles immer wieder lautstark Fraydl und kreideten ihm nach wie vor die 0 : 4-Heimpleite gegen den FC Bayern München vom 31. März 1970 an, beugte sich Trainer Kronsbein in der Halbzeitpause dem Volkszorn und brachte Volkmar Groß, der in der 86. Minute auch den 1 : 1-Ausgleich hinnehmen musste – verließ er Hertha BSC Berlin. Gernot Fraydl war völlig frustriert und erklärte nach 31 Bundesligaspielen für die Hertha seinen Abschied aus Berlin. Selbst Hunderte von Leserbriefen mit dem einhelligen Tenor „Fraydl soll bleiben“ konnten ihn nicht mehr umstimmen, er zog weiter zum TSV 1860 München. Nicht aber, ohne vorher Spuren und Taten hinterlassen zu haben – in Berlin. Nämlich jene, die sich an einem Freitag-Abend, 26. September 1969 zugetragen hatten.
Die Hertha lud am 6. Spieltag den 1. FC Köln zum Heimspiel. Es war dies der dritte Heimauftritt der Hertha in jenem Herbst. Zuvor gegen den MSV Duisburg pilgerten 75.000 Zuschauer und gegen Alemannia Aachen immerhin noch 32.000 Besucher ins weite Rund des Olympiastadions zu Berlin. Warum an jenem Tag und gerade gegen den 1. FC Köln offiziell 88.075 zahlende Besucher im Stadion waren, konnte sich keiner genau erklären, auch nicht die Dunkelziffer, die sogar bei knapp 100.000 Stadion-Besuchern lag. Fraydl ließ dies alles kalt, er bot an jenem Abend eine hervorragende und fehlerlose Partie und die Hertha schlug die Rheinländer mit 1 : 0. Diese Zuschauer-Kulisse ist bis heute jenes Bundesligaspiel in Deutschland mit den meisten Besuchern. Als Goldtorschütze der Hertha trat übrigens Wolfgang „Uwe“ Gayer in Erscheinung, der gebürtige Mannheimer, der jahrelang in Österreich lebte, dabei vier Jahre beim Wiener Sport-Club, und deren sechs Saisonen beim Linzer ASK unter Vertrag stand, und den ÖFB-Teamchef Edi Frühwirth für die Österreichische Fußball-Nationalmannschaft einbürgern wollte. Bloß Helmut Schön und der DFB hatten etwas dagegen, man berief Gayer in den erweiterten WM Kader für Mexiko 1970 ein.
Petar Radenković´s Erben
Der TSV 1860 München, der Deutsche Fußballmeister von 1965/66 war im Sommer 1970 aus dem Oberhaus abgestiegen. Dies veranlasste „Bin I Radi, bin I König“-Torhüter Faktotum Petar Radenković nach 215 Bundesligaspielen für die weiß-blauen Münchner seine Karriere zu beenden. Torhüter Gernot Fraydl kam somit für die Münchner Löwen nicht ungelegen, dennoch brach der Bundesliga-Absteiger sportlich derartig ein, sodass die Hinrunde in der Regionalliga Süd mit 17 : 19 Punkten (2-Punkte-Regel für den Sieg) eher unterdurchschnittlich verlief. Zu all der sportlichen Misere brannte am letzten Jänner-Wochenende 1971 auch noch die Sitzplatz-Tribüne ab. Unbekannte Brandstifter gingen hier im Stadion an der Grünwalder Straße zu Werke. Was im Frühjahr zur Folge hatte, dass die ohnehin viel zu wenigen Sitzplätze unüberdacht blieben und die Besucher unter Gottes freiem Himmel Platz nehmen mussten. Sportlich lief es dennoch mit 24 : 12 Punkten besser, dennoch reichte Platz 4 nicht zur Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur Deutschen Bundesliga. Gernot Fraydl hatte genug erlebt und gesehen in Deutschland, er kehrte nach Österreich zurück und heuerte beim First Vienna FC an.
Hören Sie bitte hier eine Radio-Reportage von Ing. Edi Finger vom 11. Juni 1961 anlässlich des ersten österreichischen Länderspiel-Sieges nach 29 Jahren auf ungarischem Boden – mit anschließendem Gernot Fraydl Interview:
27 Länderspiele für Österreich
ÖFB-Teamchef Karl Decker berief den damals 21-jährigen GAK-Torhüter Gernot Fraydl zu seinem ersten Länderspiel ein. Und dieses hatte es gleich in sich. Österreich traf im Wiener Praterstadion am 27. Mai 1961 auf England und gewann mit 3 : 1. Knapp 91.000 Zuschauer sahen nicht nur von Fraydl ein Bomben-Match, die gesamte ÖFB-Auswahl war in jener Zeit in Höchstform. Mit Fraydl im Tor folgten Siege in Ungarn (nach 29 Jahren wieder einmal), in der Sowjetunion (mit einem gehaltenen Fraydl-Elfmeter) und abermals gegen Ungarn, diesmal in Wien. Fraydl hütete auch das Österreichische Teamtor am 20. Oktober 1965, als Österreich in London gegen England sensationell mit 3 : 2 erfolgreich blieb. Am 10. September 1970 bestritt der Steirer in Graz gegen Jugoslawien das letzte seiner 27 Länderspiele. Trockenes Spiel und Fangsicherheit – speziell bei Flanken – im Strafraum, so wie das Spiel Eins gegen Eins, und natürlich die Elfmeter, dies waren seine absoluten Stärken.
Karriere-Ende 1972 mit knapp 33 Jahren
Nach 20 Spielen im Oberhaus für die Döblinger Vienna beendete Gernot Fraydl im Sommer 1972 nach insgesamt 214 Bundesligaspielen – alleine in Österreich – seine aktive Fußballer-Laufbahn. Später meinte Fraydl dazu, dass er es sich durchaus hätte vorstellen können, noch weiter aktiv Profifußball zu spielen. So kehrte er zu seinem Stammverein, dem Deutschlandsberger SC zurück.
Aus dem Torhüter wird ein Trainer
Aus Wien zurück in Deutschlandsberg steht Gernot Fraydl nach wie vor seinen Mann im Tor. Einige Jahre sogar, ehe er von 1978 bis 1981 dem Deutschlandsberger SC auch als Trainer in der steirischen Landesliga vorsteht. Er war ein gänzlich Unbekannter am Trainer-Sektor, als ihn der SK Sturm Graz im Sommer 1982 als Nachfolger von Otto Baric präsentierte.
Dennoch entgegnete Fraydl damals seinen zahlreichen Kritikern, dass er als Trainer-Neuling im Oberhaus sehr wohl auch Qualitäten mitbringe, umso mehr, da er sich seine fachliche Ausbildung von Leopold Stastny geholt habe. Und Fraydl schlug bei den Grazern voll ein.
Er qualifizierte sich in seinem ersten Jahr als Oberhaus-Trainer 1982/83 mit den Schwarz-Weißen als Viertplatzierter sogleich für den UEFA-Cup und sorgte im Herbst darauf auf internationalem Parkett für Furore. Mit Sportul Bukarest, Hellas Verona und Lokomotive Leipzig standen damals durchaus klingende Namen auf der Abschussliste der Grazer.
Erst im Viertelfinale gegen Nottingham Forest im März 1984 entschied ein Elfmeter darüber, dass das europäische Märchen für Sturm vorbei war. Wäre er, Fraydl, am 21. März 1984 in Liebenau im Tor der Grazer gestanden, wer weiß, ob Colin Walsh den entscheidenden Penalty wirklich auch verwertet hätte. Im Sommer 1985 kehrte Gernot Fraydl als Trainer zu seinem ehemaligen Verein, dem GAK zurück. Nach nur 13 Monaten war im August 1986 allerdings auch bei den Rot-Jacken Schluss und Fraydl betreute im Frühling 1989 nur mehr den Wolfsberger AC.
Zweites berufliches Standbein
Gernot Fraydl übernahm unmittelbar nach seiner Profi-Laufbahn im Jahre 1973 von seinem Vater das Heilmoorbad Schwanberg. Er wandelte das sich in der Weststeiermark befindliche Kapuzinerkloster in ein Kurhotel um. Und da – zwar nicht fußballerisch, dafür aber unternehmerisch – der Apfel nicht weit vom Stamme fällt, leitet nun bereits seit einiger Zeit sein Sohn Gernot jun. diese Einrichtung.
Gernot Fraydl – ein zufrieden und bescheiden gebliebener 80iger
„Ich hatte in den frühen 1960er Jahren ein kleines, schäbiges Auto, einen Renault. Wir Teamspieler waren in Wien kaserniert. Hans Buzek und Karl Koller wollten mit mir heimfahren. Den einen sollte ich bis Baden, den anderen bis Blumau chauffieren. Um 4 Uhr früh sahen beide Team-Kollegen meinen Wagen. Der Koller hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Mit Sack und Pack hatten wir uns dann alle in das Auto gequetscht und sind losgezogen. So war das damals eben, Kameradschaft und Zusammengehörigkeit!“ – so der lächelnde Jubilar Gernot Fraydl sen., der als „Steirergoalie“ nie ein „Eiergoalie“ war, in seinen lebhaften Erinnerungen.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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