Vor 45 Jahren in Linz: Bewaffneter Banküberfall mit Geiselnahme. Ein Berufsverbrecher bei seinem letzten Coup. Foto: privat/oepb

Es war ein herrlicher bunter Frühlingstag, dieser Freitag, der 28. April 1978. Die zahlreichen Bäume und Sträucher im Linzer Volksgarten standen in voller Blütenpracht, ältere Herrschaften bevölkerten die unzähligen Parkbänke, oder spielten bereits früh morgens hinter der Milchtrinkhalle an der Blumau mit den überdimensionalen Figuren vor einigen Kiebitzen Schach. Junge Mütter schoben ihre Kinderwägen durch die wärmende Frühlings-Sonne – es schien alles Eitel und Wonne zu sein. Und dennoch war für einige Linzerinnen und Linzer dieser Freitag vor nunmehr 45 Jahren düster und finster …

Donau 21 und Mitte 1 – Einsatz: ALARM Sparkasse Stelzhamerstraße beim Volksgarten!“ schnarrt eine unaufgeregte Stimme aus dem Lautsprecher. Jener seinen Dienst versehende Polizei-Beamte, der Kommandant der Gendarmerie-Mordgruppe Oberösterreich mit dem Sitz in der Mozartstaße, dem dieser Alarm-Ruf galt, blieb vorerst ruhig. Man dachte an einen Fehlalarm. Kein Grund zur Aufregung, die passieren schon mal. Doch Minuten später krächzt es erneut aus dem Äther: „Donau 21, Mitte 1 – für Donau kommen!“ Die Antwort ist leider nicht das erlösende Wort „Fehlalarm“ sondern: „Vorsicht! Täter noch in der Bankfiliale!“

Man schreibt den 28. April 1978, einen Freitag. Jener sich nun am frühen Vormittag abzeichnende Banküberfall mit anschließender Geiselnahme sollte die Linzer Polizei und 24 Geiseln 14 Stunden lang in Atem halten.

„Ich wollte zur Bank gehen und Geld beheben. Einen Bankomaten gab es damals noch nicht und für das Wochenende brauchte ich noch ein bisserl Bargeld, um für die Familie einkaufen zu gehen. Doch ich hatte verschlafen. Dummerweise, oder vielmehr Glück im Unglück! Fakt war, dass das gesamte Areal rund um die Allgemeine Sparkasse bereits großräumig von der Polizei abgesperrt war, es gab absolut kein Durchkommen. Auch wurde den Passanten keine Auskunft erteilt, was denn los sei. Nur so viel – es sei etwas passiert! Als ehemalige Angestellte bei der Creditanstalt-Bankverein vermutete ich einen Überfall, den mir jedoch keiner der Polizisten bestätigen wollte. Bis … ja bis es zur Gewissheit wurde – die Sparkasse ist von einem Bankräuber besetzt, und eine Geiselnahme gibt es obendrein. Na Bravo, dachte ich, also doch Glück im Unglück!“, so die 61-jährige Zeugin Bärbel Aglas-Dohnalek, damals wohnhaft in der Karl-Wiser-Straße 4, die nur einigen Ecken und wenige Schritte von der Stelzhamerstraße entfernt liegt, in einem oepb-Gespräch 10 Jahre danach.

25 Minuten nach Alarmauslösung war das Gelände abgesperrt und das Gebäude umstellt. Von nun an tagte der Krisenstab der Linzer Polizei. Foto: privat/oepb

Um 08.20 Uhr betrat ein mit Revolver und Gewehr bewaffneter maskierter Gangster die Sparkassen-Filiale. Knapp 14 Stunden lang hielt der Kriminelle, der sich selbst als aktives Mitglied der „Roten Armee Fraktion“ zu erkennen gab, die Linzer Exekutive und 24 Geiseln in Atem.

Stunden in Angst, Momente der Ungewissheit und zahllose Emotionen folgten. Telefonate mit dem Innenminister Erwin Lanc werden gefordert. Doch das dauert bis die Leitung steht. „Der Minister ist nicht zugegen!“, oder „Der Minister ist in einem Nebenzimmer und kann nicht zum Telefon kommen!“ Die Hinhaltetaktik funktionierte, bloß die Geiseln waren verständlicherweise unruhig. Die Zeit verging kaum und es geschah auch nichts – weder in der Bank, noch draußen … oder? Nun, die Polizei war sehr zahlreich vor Ort und positionierte im Haus vis-a-vis der Bank in der Ederstraße einige Scharfschützen. Die wiederum hatten jedoch keine freie Sicht auf die Situation, da die Vorhänge der Bankfiliale zugezogen waren.

Der Clou an der Sache war, dass sich der Räuber bereits Monate zuvor ein Bankschließfach in dieser Filiale angelacht hatte. Im Zuge dieser Eröffnung wurde ihm alles ausführlich erklärt. Der spätere Täter wusste also bereits lange vor der Tat um die örtlichen Gepflogenheiten oben im Schalterbereich, als auch im Keller beim Tresor und bei den Schließfächern Bescheid.

Diese Sparkassen-Filiale war als umgedrehtes L angelegt. Es gab einen Eingang im Bereich der Stelzhamerstraße, der stärker frequentiert war und einen Eingang im Bereich der weniger bevölkerten Ederstraße, die im 90 Grad Winkel daneben lag. Die Polizei hatte demnach zwei Ein- und Ausgänge zu sichern, sowie die großen, jedoch von Vorhängen zugezogenen Auslagenfenster.

Im Haus gegenüber in der Ederstraße gingen Scharfschützen der Polizei in Position. Foto: privat/oepb

Um 08.45 Uhr, 25 Minuten nach der Alarmauslösung, ist das gesamte Gebäude umstellt. Der Täter schien jedoch mit allen Wasser gewaschen zu sein. Nichts brachte ihn aus der Ruhe. Selbst als drei Polizei-Beamte, die an der verschlossenen Eingangstür rüttelten, ehe diese von einer Geisel von innen aufgesperrt wurde, plötzlich im Schalterraum der Bank standen, meinte er nur kurz, wenn sie nicht augenblicklich verschwinden würden, erschieße er die erste Geisel. Die Beamten konnten sich ein Bild von der Lage vor Ort machen. Die Geiseln saßen verteilt auf mehreren Sesseln im hinteren Bereich der Filiale.

Der vermeintliche Täter war maskiert. Von den Worten der Polizei, er möge doch aufgeben, da er ohnehin keine Fluchtchance besitzen würde, ließ er sich nicht im geringsten verunsichern. Auch nicht von dem Umstand, dass die Tür nach außen nun nicht mehr verschlossen wurde.

Ein 20-jähriger Bank-Kassier wurde nun zum verlängerten Arm des Täters. Er sprach für ihn, er führte die Verhandlungen. Zwischen Täter und Opfer baute sich eine Beziehung auf, eine makabere zwar, aber eben eine gewisse Zweisamkeit. Wieder standen Polizisten in der Bank, um Verhandlungen aufzunehmen. Diese wurden nun vom 20-jährigen Kassier angefahren, das Objekt sofort zu verlassen, da es sonst tatsächlich Opfer geben würde. Die Polizeibeamten zogen sich zurück. Sichtlich begeistert von seinem jungen Bank-Freund und dessen rescher Art zeigte sich der Täter gnädig und ließ zwei Geiseln – quasi als Belohnung – frei.

Oberstleutnant Leo Maier, später besser als Krimiautor Leo Frank bekannt, hier rechts im Bild, war die ganze Zeit vor Ort. Foto: privat/oepb

Dann ging es ans Zusammentragen sämtlicher Barbestände in der Bank. Alle halfen mit. In Summe kam man auf zirka 4,1 Millionen Schilling – heute 298.000 Euro. Doch wie sollte die Flucht gelingen? „Wir von der RAF haben ein System entwickelt, wie wir da hinauskommen – Sie werden sehen!“, ließ der Täter seinen „Bank-Kassier-Freund“ wissen. Dann die ersten Forderungen: Schwarze Tücher mit jeweils drei Metern Durchmesser, hundert Meter Perlon- oder Nylonschnur von drei Millimeter Stärke, sowie ein Rucksack. Alles müsse innerhalb von 90 Minuten besorgt werden.

Trotz zeitlicher Verzögerung wurde das gewünschte Material geliefert. Ebenso Erfrischungen für die Geiseln. Der Täter selbst nippte immer nur an einem Wasserglas, zu groß schien seine Befürchtung, dass man ihn mit einem Mittel schläfrig machen und somit außer Gefecht setzen wolle.

Zwei Bank-Angestellte mussten nun am Filial-Boden aus den gelieferten Tüchern unter den Anleitungen des Räubers 23 Zentimeter große Löcher schneiden. Die nun entstanden Umhänge sollten wie Pelerinen aussehen, um über die Schulter geworfen werden zu können. Was sich darunter verbergen sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Ebenso ahnte bei der Linzer Exekutive zu diesem Zeitpunkt keiner, wer denn der Täter sei. Sämtliche angestrebte Verhandlungen wurden im Kein erstickt, man ließ die Exekutive völlig im Dunkeln. Dann endlich war der Minister am Apparat. Der Räuber verlangte über sein Sprachrohr, den jungen Bank-Kassier, dass der Bundesminister mit ihm via Radio sprechen sollte. Weiters gab er zu verstehen, dass er Sprengstoff in der Bank habe, diesen zu zünden er bei Nichtbefolgen seiner Anweisungen nicht abgeneigt sei.

Bange Momente und Stunden vergingen. Je länger der Nachmittag dauerte – inzwischen war es Abend geworden – desto „rücksichtsvoller“ wurde der Geiselnehmer. Bis 21 Uhr gab er sämtliche Geiseln frei, bis auf sein Sprachrohr, den 20-jährigen Kassier und seinen 31-jährigen Kollegen aus der Bank. Mit diesen beiden Geiseln wollte der Täter seine Flucht antreten. Der geforderte Fluchtwagen, ein FIAT 124, stand schräg gegenüber des „Salzburger Stiegl-Stüberls“ in der Volksgartenstraße. Ein gewagter Schachzug. Aus der Bank kommend quer über die Stelzhamerstraße, teilweise durch den Park hin zum Fluchtwagen, das sind schon gut zweihundert Meter Luftinie in Summe. Kein Mensch wusste, warum der Täter auf diese Art und Weise fliehen wollte.

Mit einem gezielten Schuss wurde der als Walter Walser bekannt gewordene Täter handlungsunfähig gemacht. Foto: oepb/privat

Dann, um 21.45 Uhr, ging es los. Der Eingangsbereich der Bank war von aufgestellten Scheinwerfern taghell erleuchtet. Die Tür öffnete sich und die beiden Bank-Angestellten traten zögernd heraus. „Nicht schießen!“, riefen sie immer wieder. „Nicht schießen. Wir sind verkabelt und tragen einen Zünder um den Hals.“ Der Täter, wie sich später herausstellte, brachte sämtliche Sprenstoff-Utensilien in seinem Rucksack mit in die Bank. Unter den schwarzen Umhängen trugen die beiden verbliebenen Geiseln sogenannte RAF-Schlingen, also eineinhalb Meter lange Explosions- und Feuerleitzündschnüre. Die beiden Schnurhälften trafen sich in der Kehlkopfgegend, wo sie mit einer aufgeklemmten Sprengkapsel versehen waren. Bloß, die Sache war nicht scharf gemacht. Das wussten jedoch die beiden Geiseln nicht.

Als sie da so zu dritt auf der leergefegten Stelzhamerstraße standen und sich langsam aber stetig vorwärts bewegten, wusste niemand der in Lauer-Position stehenden Polizisten, dass der Bankräuber und Täter seinen eigenen Abgang plante. Die drei näherten sich dem bereit gestellten Fluchtwagen, ehe ein gezielter Schuss die Stille der Nacht zerriss. Panik, Geschrei, Stimmengewirr. Der Bankräuber lag regungslos am Boden.

Ein Scharfschütze der Linzer Polizei hatte mit einem einzigen Schuss den Täter handlungsunfähig gemacht. Er traf ihn rechts in den Hals ins Schulterblatt und verletzte dabei auch einen Halswirbel. Das Drama fand sein Ende. Sämtliche Geiseln unversehrt in Freiheit und der Bankräuber bewegungsunfähig am Boden liegend. Der Spuk war gegen 22 Uhr vorbei.

Die beiden Bank-Kassiere, der 20-jährige Heinz T. (links), sowie der 34-jährige Peter B. nach dem Ende ihres knapp 14stündigen Martyriums. Beide tragen noch die sogenannten RAF-Schlingen um den Hals. Foto: privat/oepb

Walter Walser, so der Name des Täters, war kein Unbekannter für die Polizei. Ihm wurden zahlreiche Einbrüche der Vergangenheit, sowie im Zuge der Verhöre ein bis dahin ungeklärter Polizisten-Mord aus dem Jahre 1976 nachgewiesen. Walser, der als Einzelgänger bekannt war, führte ein unauffälliges Leben, wusste jedoch in seinen letzten Lebensmonaten eine junge Frau an seiner Seite, die er finanziell verwöhnte. Um sich diesen Stil leisten zu können, ging er einbrechen.

Nun, da er am Ende war, plante er seinen letzten Coup. Er wusste, dass er querschnittgelähmt bleiben würde. Als sich dann auch noch seine junge Geliebte von ihm abwandte, nahm er sich im September 1978 im Gefängnis das Leben. Sein Leichnam wurde dem Anatomischen Institut Innsbruck zur Verfügung gestellt.

Einige Bankangestellte kehrten wieder in ihren Beruf zurück, wurden allerdings aus dem Schalterbereich abgezogen. Ein knapp 14stündiges Martyrium fand zwar sein unblutiges Ende, dennoch ging dieser Fall in die Linzer Kriminalgeschichte ein.

Der damalige Oberstleutnant Leo Maier, der besser bekannt als Leo Frank Kriminalgeschichten schrieb, verarbeitete seine Eindrücke und Erlebnisse bei diesem Fall 1980 in dem Roman: „Die 13 Stunden der Christin Maginot“ – erschienen im Herbig-Verlag.

Quelle: Redaktion www.oepb.at

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