18. Dezember 2008
Der Wiener Karlsplatz ist seit Jahrhunderten eine der wichtigsten Drehscheiben der Stadt, ein Platz der Widersprüche, ein Stadtraum mit hoher Intensität. Aber auch ein unterschätzter Ort, der viele Geheimnisse in sich birgt. Immer schon war das Areal vor den Stadtmauern ein Hoffnungsgebiet für neue urbane Nutzungen. Hier befinden sich einige der wichtigsten Kulturinstitutionen, darunter der Musikverein, das Künstlerhaus oder die Secession. Nirgendwo sonst kreuzen sich so viele Wege, nirgendwo sonst in Wien steigen täglich so viele Menschen um. Der Karlsplatz ist aber auch ein Tor zur „Unterwelt„ der Stadt.

Die Bezeichnung „Karlsplatz„ ist relativ jung. Sie ergab sich vor 110 Jahren 1898 mit der Einwölbung des Wienflusses und der Idee, die Fläche städtebaulich in den Griff zu bekommen. Zuvor war das Gebiet eine Naturlandschaft, die Schritt um Schritt zur Kulturlandschaft transformiert wurde. Hier „klapperten die Mühlen am rauschenden Bach„ und wurden Tote begraben. Hier standen die Kanonen der Türken, hier wurde aber auch mit der Karlskirche die Macht der Habsburger demonstriert. Und – hier befand sich die schönste Brücke Wiens.
Seit 100 Jahren ist der Karlsplatz ein Experimentierfeld der Moderne. Hier konzentrieren sich seit der Gründerzeit städtebauliche Leitbilder und Visionen, aber auch Konflikte. Vieles blieb provisorisch, immer war der Karlsplatz unfertig und somit eine Restfläche für Utopien. So blieb er stets ein offener Ort mit zahlreichem Potential für die Zukunft.

Einige Zitate:
Architekt Otto Wagner: „Der Karlsplatz ist kein Platz, sondern eine Gegend.“
Hans Weigel 1967: „Der Karlsplatz ist das eigentliche Herz von Wien.“
Tageszeitung „Kurier“ 1977 anläßlich des U-Bahn-Baus: „Chaosplatz“
Der Karlsplatz im Uhrzeigersinn:
Nationalsymbol Karlskirche
Einem Gelübde Kaiser Karls VI. zufolge anlässlich der Pestepidemie von 1713 verdankt der Karlsplatz seine „landmark„. Die Karlskirche Fischer von Erlachs ist eine der wichtigsten Barockkirchen nördlich der Alpen, Monument für Machtanspruch der Habsburger.

Türkische Geschütze
Von hier aus brachten die Belagerer anno 1529 ihre Geschütze gegen das Kärntner Tor in Stellung. Auf dem Karlsplatz war außerdem die osmanische Eliteeinheit der Janitscharen stationiert.
Sezierte Leiche
Im Heiligengeistspital wurde Medizingeschichte geschrieben. Anfang des 15. Jahrhunderts sezierte man hier in Wien erstmals eine Leiche.
1.500 Menschen
Das Freihaus war um 1800 mit 25.000 Quadratmetern das größte Mietshaus außerhalb der Stadt – mit 31 Stiegen, Geschäften, Schulen, einer Bibliothek und einer Hauskapelle.

Secession als „Krauthappel“
Als Bühne für die Secessionisten rund um Gustav Klimt erbaut, sollte die Secession nach 10 Jahren in den Besitz der Gemeinde übergehen. Es kam anders, wie beim Verkehrsbüro, das nur als temporäres Gebäude geplant war.
Wilde Tiere
Bären, Wölfe, Auerochsen und Reptilien tummelten sich im Auwald vor der Besiedelung des Karlsplatzes. Heute kann man Steinmarder, Fledermäuse und Turmfalken vorfinden.
Brücke über die Wien
Über den Wienfluss führte lange die „Steinerne Brücke„ aus dem 15. Jahrhundert. Am Eröffnungstag der neuen „Elisabethbrücke“ am 23. April 1854 zog hier Kaiserin Elisabeth in die Stadt.
Kloake
Fast die Hälfte der Fäkalien und Abwässer der Stadt wurde über die Wien entsorgt – hinzu kam die Hochwassergefahr. Im Jahre 1897/98 wurde der Fluss zwischen Getreidemarkt und Stadtpark überwölbt.
Künstlerhaus
Im Bereich des Künstlerhauses stieß man auf die Überreste monumentaler römischer Grabbauten, die entlang der wichtigen Limesstraße standen.
Erstes Museum nach 1945
1959 wurde hier das Wien Museum eröffnet, somit war dies der erste Museums-Neubau der Zweiten Republik. Auf diesem Areal hatte bereits Otto Wagner ein prunkvolles Stadtmuseum geplant.