Im Drei-Länder-Grenzgebirge Bayern, Böhmen und Österreich werden selbst heute noch spannende Geschichte über eifrige Zollbeamte und listige Schmuggler erzählt. Schmuggler der harmlosen Art waren viele Waldler, die an der Grenze wohnten. Selbst Frauen schreckten davor nicht zurück. Diesen Schmugglern ging es darum, sich ein kleines Körberlgeld dazu zu verdienen, denn die Grenzbewohner waren oftmals arme Leute.
Eine gefürchtete Plage für die Finanzwache waren jedoch die gefährlichen Berufsschwärzer, die in Banden auftraten. Auf den verborgensten Wegen und Steigen brachten sie, bevorzugt bei schlechtem Wetter, vor allem Tiere, Salz, Sacharin und Tabak über die Grenze. Diese Schmuggler waren oft bewaffnet – mit Pistolen und Messern. Da scheint es nur allzu verständlich, dass so mancher Zollbeamte derartige Stoss-Trupps gerne auch einmal übersah, um nicht sein eigenes Leben in Gefahr zu bringen.
Der Schmuggel nahm Ende des 19. Jahrhunderts in manchen Gegenden derartige Dimensionen an, dass der Staat sich ein wirksames Mittel einfallen lassen musste, dieses Laster zu unterbinden. So stationierte man in jedem Grenzort einen Grenzposten. Dieser Posten bestand aus einem Respizienten, aus zwei bis drei Oberaufsehern und mehreren Aufsehern. Die „Finanzer“ wohnten meist in vom Staat gemieteten Kasernen oder anderen Häusern. Der Respizient hatte für seine oft große Familie zwei Zimmer zur Verfügung. Die Aufseher mussten sich die Zimmer teilen.

Der Respizient schrieb den Dienst vor. Die Hälfte der Truppe versah am Tag, die andere Hälfte in der Nacht Dienst. Die Mannschaften wurden von den so genannten Finanzwache-Kommissaren und den Grenzinspektoren streng überwacht. Sie wohnten in der Stadt, tauchten aber gerne plötzlich und unverhofft am Ort des Dienstpostens auf, um diese zu kontrollieren. Wurde ein Schmuggler gefasst, verfrachtete man diesen zum Verhör ins Zollamt, wo ein sauberes Protokoll über den Tathergang verfasst wurde. Dieses Dokument wurde dann der Behörde vorgelegt, die dann oftmals drakonische Strafen vergab.
Saftige Strafen
Wie hoch diese Strafen beispielsweise für Viehschmuggler ausfielen, beweist ein nachstehend angeführter Brief Maria Geigers (geborene Frank) an ihre Schwester Franzl in Chicago:
Sindorf, 25. Februar 1937
Meine liebe gute Schwester!
Was wirst Du denn von mir überhaupt denken, weil ich mit dem Schreiben so lange warten konnte. Ich schäme mich ja vor mir selber soviel, dass ich mir bald überhaupt nicht mehr schreiben traue. Gell liebe Schwester, verzeihen tust schon, weil ich gar so schreibfaul bin. Es ist halt allerweil so viel Arbeit und soviel zum Denken, dass man sich einigermaßen ein wenig durchrackert. Im Sommer weißt Du selbst wie es zugeht in einem Bauernhaus.
Der Winter war jetzt 2 Jahre nacheinander voll Not und Sorgen.
Mein Mann Josef war voriges Jahr 13 Wochen in Untersuchungshaft wegen Anstiftung zum Pferdeschmuggel. Dann hatte er zweimal eine Verhandlung deswegen. Trotzdem er sich durch Zeugen ausweisen konnte, dass er unschuldig ist, hat er eine Geldstrafe von 2.230 Reichmark erhalten.
Die Geldstrafe konnte er auch mit Gefängnis büßen. So musste er nochmals 7 Wochen einsitzen. Am 28. Februar kommt er wieder raus.
Du glaubst nicht liebe Schwester was das ist. Man meint oft es geht nimmer. Wie er fort ist hat er geweint wie ein kleines Kind. Wenn ich ihn dann besuchen darf weint er wieder, dass er einem Stein erbarmen möchte. Es ist halt hart wenn einer hineinhocken muß und weiß nicht warum. Letzte Woche sind in Straubing wieder 24 verhandelt worden wegen Schmuggel. Die haben Strafen bekommen, dass einem Angst werden muß. Der Wieser Girgl von Lam hat 3 Jahre 8 Monate und 60.000 Mark Geldstrafe bekommen. Der Bleigießer Willi von Lam, 1 Jahr 6 Monate und 18.000 Mark. Der Kowerl in Riedl (Auhofgang) 9 Monate und 12.000 Mark. Der Wirtsfranznsepp 2 Jahre 4 Monate und 25.000 Mark Geldstrafe. Der Köppl von Rappendorf 4 Monate und 6.000 Mark Geldstrafe. Der Oberhaus Hans 10 Wochen und 6.000 Mark.
Beim Oberhaus in Passau hat der junge Paul ohnedies noch bis November 38 zu sitzen. Das sind Schicksalsschläge bei den Leuten, liebe Schwester. Da darf man mit dem eigenen Los immer noch zufrieden sein.
Wie geht es denn Dir immer liebe Schwester? Wie ich höre bist Du von der Tante Maria auch wieder weg. Es ist oft besser, wenn die alten Duschen nicht so nah bei uns sind.
Nun schließe ich für heute mein Schreiben und grüße Dich recht herzlich als Deine
Dich nie vergessende Schwester Marie.
Nach Heinrich Frank, von dem dieser Brief aus seiner Sammlung stammt, war Maries Mann Josef nicht so unbeteiligt, wie sie dies in dem Brief an ihre Schwester in Chicago erscheinen lassen will. Franks Vater habe oft erzählt, dass die Grenzer zur Familie nach Hause gekommen seien und diese noch schnell das Bett aus der Kammer entfernt hätten, um dort Vieh zu verstecken. Auch Verwandte sollen rege am Schmugglergeschäft beteiligt gewesen sein.
Dramatischer Schmugglerprozess von 1936
Es war der größte Schmugglerprozess im ganzen Reich, der im Februar 1936 vor der großen Strafkammer in Straubing abgewickelt wurde. 25 Angeklagte aus dem Lamer Winkel saßen vor dem Gericht. Der Prozess gegen die Schmuggler dauerte eine ganze Woche lang. Der Gerichtssaal war überfüllt und viele warteten in den umliegenden Gasthäusern auf ihre Berichterstatter, die einen Platz im Gerichtssaal ergattert hatten. Die angeklagten Schmuggler und Hehler hatten laut Anklage im Jahr 1935 von Böhmen in den Lamer Winkel 151 Pferde, Ochsen und Kühe geschmuggelt und den Staat dadurch um 18.479 Mark geschädigt. Der Hauptangeklagte aus Lam war einschlägig vorbestraft. Die übrigen des Bandenschmuggels oder der Beihilfe angeklagten Personen, darunter auch eine Frau, stammten aus den Orten Buchet, Blachendorf, Höbing, Schmelz, Lam, Drittenzell, Arrach, Riedl, Rappendorf, Sindorf, Oberried, Schönberg, Bodenmais, Hötzelsried, Hotzelsdorf, Kieslau und von den böhmischen Dörfern Muckendorf und St. Katharina. Der Staatsanwalt kündigte hohe Strafen an, da sich die Täter auch durch die vorhergehenden hohen Geldstrafen in früheren Schmuggelprozessen nicht hatten abschrecken lassen. Bei dieser Gerichtsverhandlung waren die 25 Angeklagten weitgehend geständig, wussten sie doch, dass es um Haus und Hof , also um ihre Existenz gehen konnte.
Dramatisch: Der Angeklagte aus Bodenmais hatte sich nach seiner Verhaftung erkundigt, ob man einen Toten noch verurteilen und ihm den Besitz nehmen könne. Nachdem er eine für seine Familie positive Antwort erhalten hatte, erhängte er sich in der Gefängniszelle in Kötzting.
Wie vom Donner gerührt
standen die Angeklagten, als sie nach einer Woche Verhandlung das drakonische Urteil hörten. Das Schlimmste war eingetroffen, was sie sich vorstellen konnten. Viele hatten ihr Haus oder den Hof verloren. Der Hauptangeklagte erhielt neben 3 Jahren und 3 Monaten Gefängnis noch zusätzlich 73. 715 Mark an Geldstrafe oder ersatzweise weitere 1.415 Tage Gefängnis, da sein Besitz zur Bezahlung der Strafe ohnehin nicht ausgereicht hätte. Ein anderer erhielt 9 Monate Gefängnis und 11.800 Mark Geldstrafe. Ein dritter 4 Monate und 25.400 Mark Strafe und so weiter. In Summe wurden Freiheitsstrafen von 11 Jahren und einem Monat und Geldstrafen in Gesamthöhe von 202.695 Mark ausgesprochen. Diese Urteil hatte zur Folge, dass die Zollfahnder jahrelang kaum mehr einen Anhaltspunkt fanden, obwohl der Viehschmuggel unvermindert weiter ging, aber auf anderen Wegen und über neue Mittelsmänner.
Zur gleichen Zeit standen in Passau neun Angeklagte wegen Bandenschmuggels vom Unteren Wald (Freyung-Grafenau) nach Österreich vor Gericht. Auch hier gab es für die Bandenköpfe drastische Geld- und Freiheitsstrafen.
Was die Verhandlungen jedoch nie ans Tageslicht befördert hatten, waren die geheimen Schmuggelwege, auf welchen die Tiere über die Grenze verfrachtet wurden …
Das Buch schildert überaus eindrucksvoll und reich bebildert jene Jahre, in denen der Schmuggel an der Grenzregion quasi regen Handel betrieb. Alte schwarz-weiß Fotografien, handschriftliche Aufzeichnungen, Briefe, Landkarten und Skizzen führen durch diesen bereits zweiten „Schmuggler“-Band. Um den Schmuggel jedoch nicht salonfähig werden zu lassen, schob der Staat seinen eisernen Riegel davor. Das muntere Treiben an der Grenze konnte er jedoch nie ganz verhindern.
Auf Schmugglerpfaden
zwischen Bayern, Böhmen und Österreich
von Marita Haller und Jan Jirák
Herausgegeben von Über d´ Grenze e.V., Zwiesel, Niederbayern, Deutschland
160 Hochglanz-Seiten, Format 17 cm breit mal 23,5cm hoch
ISBN: 978-3-00-046010-4
www.kulturverein.czechpoint.eu/schmuggler