75 Jahre FAK_1986_ZimmermannDem „Mr. Austria“ Josef „Joschi“ Walter zum Gedenken

Es ist legitim, einen Geburtstag zu feiern – jedoch kann man auch einen Sterbetag „feiern“? Wohl kaum. Und dennoch dienen gerade diese Tage in unserer schnell-lebigen Zeit dazu, sich an Mitmenschen von einst zu erinnern, im Gedenken Dankbarkeit walten zu lassen und dafür Sorge zu tragen, dass ein gelebtes Leben nicht gänzlich in Vergessenheit gerät und somit quasi „ungelebt“ wird.

Bildtext: Josef „Joschi“ Walter anlässlich „75 Jahre FK Austria Wien“ am Sonntag, 22. Juni 1986 beim Heurigen Zimmermann, Armbrustergasse 5, 1190 Wien.

Es war ein sonniger Frühlingstag, jener Montag, 16. März 1992, als um die Mittagszeit über die Agenturen die Pressemeldung verlautbart wurde, dass Josef „Joschi“ Walter urplötzlich und völlig unerwartet in seinem Büro in Wien-Brigittenau zusammengebrochen war. Dies war damals nicht nur ein großer Schock für die gesamte „Austria-Familie“ gewesen, es zeigten sich sämtliche Mitstreiter, Freunde, Gönner, aber auch Gegner schier fassungslos …

V.l.: Abg. z. NR Franz Horr herzt Josef Walter, dahinter stehend der langjährige Sekretär der Austria, Norbert Lopper. Foto: Archiv Lopper
V.l.: Abg. z. NR Franz Horr herzt Josef Walter, dahinter stehend der
langjährige Sekretär der Austria, Norbert Lopper. Foto: Archiv Lopper

Ein Leben für den Fußball

Josef Walter kam am 27. Oktober 1925 in Wien zur Welt und wuchs in Ottakring auf. Damals, in den schwierigen 1930er Jahren, die geprägt von Wirtschaftskrise und Armut waren, gab es zwar nur wenig Luxus für die Wiener, es wurde allerdings beinahe an jeder Straßenecke gekickt. Der kleine Joschi heuerte somit als Elfjähriger beim Wiener Sportclub an und wechselte 1948 zum First Vienna FC auf die Hohe Warte. Mit dem Österreichischen Olympiateam gewann er 1952 in Helsinki die Bronze-Medaille. Zwei Jahre später beendete er seine Laufbahn, um sich ganz dem Beruf – und seiner späteren Berufung – widmen zu können. 1958 wurde er Geschäftsführer bei der Wiener Austria und 1964 wählte man ihn, den Busenfreund von Bela Guttmann, zum Bundeskapitän. Die jeweiligen Landespräsidenten sprachen sich jedoch oftmals gegen seine Reformpläne aus, auch, nachdem er gerügt wurde, dass ein Geschäftsmann in sein Geschäft gehöre – und so kehrte er zur Austria, die sein Liebkind werden sollte, zurück.

V.l.: Erich Obermayer, Stadtrat Franz Mrkvicka, Josef Walter, Direktor der Wiener Stadthalle Zant, sowie Herbert Prohaska im Jahre 1986 mit dem Ausbau-Plan der neuen Stehplatztribüne auf der Westseite (im Hintergrund) des Horr-Platzes. Foto: www.austria-archiv.at
V.l.: Erich Obermayer, Stadtrat Franz Mrkvicka, Josef Walter, Direktor der Wiener Stadthalle Zant, sowie Herbert Prohaska im Jahre 1986 mit dem Ausbau-Plan der neuen Steh- platztribüne auf der Westseite (im Hintergrund) des Horr-Platzes. Foto: www.austria-archiv.at

Josef Walter war Peugeot-Händler für die Bundeshauptstadt Wien. Den 14jährigen Mechanikerlehrling hatte während des 2. Weltkrieges der legendäre Peugeot-Importeur Carl Jeschek adoptiert. Somit führte sein beruflicher Weg steil nach oben, quasi vom Ersatzteillager hinauf bis in die Chefetage.

Neben der Arbeit und dem „täglich Brot“ agierte „Joschi“ Walter mit Unterbrechungen ab 1958 bis zu seinem Ableben für den FK Austria Wien. Es war dem Grunde nach völlig einerlei, welche Funktion er bekleidet hatte – vom Geschäftsführer, über den Manager bis hin zum Präsidenten – „Joschi“ Walter war Fußball für Austria Wien, für die Bundesliga und für die Nationalmannschaft. Er forderte Reformen ein und setzte diese auch durch. Er war damals genau genommen der allererste Fußball-Manager Österreichs. In seine aktive Zeit fiel mitunter auch die Geburtsstunde des Sport-Sponsorings. Was heute gang und gäbe ist, nämlich ein Firmenprodukt auf den Dressen der Spieler zu zeigen, war hierzulande bis 1966 völlige Utopie.

Die Austria verliert am Samstag, 3. April 1982 beim LASK in Linz mit 0 : 2. Joschi Walter (links) auf der Tribüne mit Neo-Trainer Wenzel Halama ist darob not amused.
Die Austria verliert am Samstag, 3. April 1982 beim LASK in Linz mit 0 : 2. Joschi Walter (links) auf der Tribüne mit Neo-Trainer Wenzel Halama ist darob not amused.

Aber der Austria-Funktionär handelte gemeinsam mit Prof. Manfred Mautner Markhof den „Schwechater-deal“ aus. Von nun an zierte die legendäre Schwechater Bier-Tulpe die Brust der Veilchen-Spieler. Diese Zusammenarbeit ging bis 1971 gut, danach pochte Präsident Manfred Mautner Markhof auf eine Fusion mit dem SK Admira Wien. Der Großindustrielle sah darin den letzten gewinnbringenden und vernünftigen Ausweg für den Fußballsport. Einerseits die solide Admira, die 1971 mit dem Bundesstadion Südstadt die modernste Sportarena Österreichs besaß, aber aufgrund finanzieller Nöte nur mit kleinen Schritten vorwärts kam. Andererseits die schlampig, geniale Austria, die mit zahlreichen Erfolgen beseelt war, jedoch über kein Geld und kein eigenes Stadion verfügte. Quasi „5 vor 12“ wurde diese sicher geglaubte Fusion abgeblasen – mit 10 : 36 Stimmen dagegen sprachen sich die Austrianer bei ihrer Generalversammlung gegen diese Verschmelzung aus. Manfred Mautner Markhof legte sein Präsidentenamt bei Violett darauf hin zurück, die Admira ging von nun an mit SC Wacker Wien eigene Wege, der FC Admira/Wacker ward 1971/72 geboren. Und Josef Walter fand zwei Jahre später mit dem sportlich darniederliegenden Wiener AC aus der Rustenschacherallee im Prater einen geeigneten Fusions-Partner. Anno 1973/74 wurde der FK Austria/W.A.C. Elementar aus der Taufe gehoben. Der Austria wurde somit nicht nur das herrliche Areal im größten Grüngürtel der Stadt als Trainingsgelände zuteil, mit der Anglo Elementar-Versicherung wähnte man sich finanziell in ruhigeren Gewässern. Und im Jahre 1977 wurde mit Dr. Lothar Kloimstein der Sponsor-Abschluss mit der Austria Tabak/Tabakregie besiegelt, der FK Austria Memphis war geboren. Diese 27 Jahre andauernde Kooperation sollte für die Veilchen eine der überaus erfolgreichsten ihrer Klubgeschichte sein.

Josef "Joschi" Walter-Ecke im FAK-Museum. Foto: oepb
Josef „Joschi“ Walter-Ecke im FAK-Museum. Foto: oepb

Aber damit nicht genug. „Joschi“ Walter wollte in diesen Jahren erreichen, dass Einnahmeteilung vorherrscht, wenn die Großklubs in die Provinz zu den Gastspielen reisen. Er vertrat die Ansicht, dass Volksfeststimmung in Graz, Linz, Salzburg oder Innsbruck vorherrscht, wenn die Austria antritt. Die Linzer Funktionäre Komm.-Rat Rudolf Trauner (LASK), sowie Johann Rinner (Obmann SK VÖEST) waren Vorreiter bei der Niederschlagung dieser Idee. Einnahmeteilung herrschte lediglich bei den Stadtderbys in Wien und Linz. Es gelang ihm jedoch, die Reform der Liga durchzubringen. Im Jahre 1974 avancierten die Staatsligen A und B zur Geschichte, die 1. und 2. Division wurde ins Leben gerufen, die bis 1982 Bestand hatte. In diesen Jahren konnte sich die Österreichische Nationalmannschaft beispielsweise für zwei Weltmeisterschaften (1978 in Argentinien und 1982 in Spanien) qualifizieren.

Joschi“ Walter wollte auch, dass seine Veilchen endlich sesshaft werden. Die Austria tingelte jahrelang durch die jeweiligen Stadien von Wien und war nie irgendwo beheimatet. In Nationalrat Franz Horr, seines Zeichens Präsident des Wiener Fußballverbandes, fand er ein offenes Gehör. Die WFV/Wiener-Fußball-Verband-Anlage in Favoriten war als ehemaliger „Tschechisches Herz“-Platz völlig verwaist. Franz Horr trat auf den Plan, stoppte den Verfall, ließ das Areal für den WFV adaptieren und die Austria zog als Hauptmieter ein. Am 26. August 1973 sahen 11.000 Besucher einen 4 : 1-Erfolg der Veilchen gegen die Vienna. Franz Horr verstarb im Jahr darauf, die Anlage wurde in „Franz Horr-Platz“ umgetauft. Und dennoch sollten weitere acht Jahre ins violette Land ziehen, ehe die Wiener Austria erneut und damit endgültig in ihr trautes Heim zurückkehren konnte. Am 12. Mai 1982 waren knapp 6.000 Besucher Zeuge eines 3 : 1-Pokal-Endspiel-Sieges der Veilchen gegen Wacker Innsbruck. Josef Walter war erleichtert. Neben dem fast schon obligatorischen Cup-Sieg war seine Austria nun endgültig zu Hause angekommen.

Die Kinder von Joschi Walter mit Herbert Prohaska (rechts) anlässlich der Eröffnung des Austria Museums am 11. Mai 2009. Foto: fk-austria.at
Die Kinder von Joschi Walter mit Herbert Prohaska (rechts) anlässlich der Eröffnung des Austria Museums am 11. Mai 2009. Foto: fk-austria.at

Der „Mister Austria“, wie er in Anerkennung um seine FAK-Verdienste auch liebevoll genannt wurde, hatte zwei Gesichter. Privat war er umgänglich, hilfsbereit, spendabel und fürsorglich zu seiner Familie. Beruflich in Sachen Fußballsport beinhart und kompromisslos. Robert Sara wurde nach 21 violetten Dienstjahren im Herbst 1984 knallhart abmontiert und zum FavAC transferiert. Thomas Parits gewann mit den Veilchen 1984/85 als Trainer-Neuling gleich die Meisterschaft, „Joschi“ Walter setzte ihn dennoch vor die Tür. Wenn Spieler raunzten, ob es denn nicht mehr Geld geben könnte, meinte der Funktionär zu diesen: „Schaut´s auf die Tribünen und zählt´s die Leut. Wenn mehr kommen, könn ma mehr zahl´n.“ Unvergessen auch ein Zitat in Anspielung auf das Werden des Klubs: „Die Austria war schon immer ein Kaffeehaus. Leider kann man dort nicht Fußball spielen.“ Und in Anlehnung an den ewig jungen Rivalen RAPID, der von 1968 bis 1982 keinen Titel-Erfolg einfahren konnte: „Wir werden jedenfalls keine 14 Jahre auf den Titel warten müssen. Dafür bin ich bereit, mich zu verbürgen.“ Diese Bonmots ließen sich fortsetzen, aber er bewies auch ein Herz für die Superstars. Als Herbert Prohaska im Sommer 1983 nach drei Jahren in Italien zur Austria zurückkehrte, ebnete ihm Josef Walter sämtliche Wege und räumte dem „Schneckerl“ alle Hindernisse aus dem Weg.

Letzte Ruhestätte auf dem Hietzinger Friedhof. Foto: oepb
Letzte Ruhestätte auf dem Hietzinger Friedhof. Foto: oepb

Josef Walter war ein Funktionär vom Scheitel bis zur Sohle, aber auch mit allen Wassern gewaschen. Er wusste um die oftmaligen Engpässe im Fußballsport und dennoch war er gewitzt und gevift genug, immer wieder Gönner und Sponsoren aufzutreiben. Und wenn ihm dies einmal nicht gelang, dann griff er eben selbst ins Portemonnaie. So war er, so stand er da – gelassen, smart im Zweireiher, Zigarette in der Hand, die Mundwinkel zum sarkastischen Lächeln herabgezogen, getönte Brille.

Er war müde geworden und wollte aufhören – mit der Arbeit und dem Fußballsport. Sein Rückzug aus dem Geschäft und vom Verein war geplant. Geworden ist daraus nichts mehr, Josef „Joschi“ Walter verstarb im 67. Lebensjahr am 16. März 1992 in Wien.

Herbert Prohaska, der damals Trainer war, forderte von seinem Team, den Titel – für “Joschi” Walter – zu holen. Was auch eindruckvoll gelang. Zum Saisonfinale am 3. Juni 1992 pilgerten 40.000 Besucher ins Praterstadion und sahen bei strömenden Regen einen 2 : 1-Erfolg der Wiener Violetten gegen den Widersacher von Austria Salzburg. Als Sahnehäubchen kam drei Tage später noch der Cup-Sieg gegen Admira/Wacker hinzu.  Die Austria holte demnach1991/92  das Double und der “Schneckerl” widmete diesen Erfolg seinem viel zu früh verstorbenen Förderer und väterlichen Freund.

Was ist allerdings geblieben von jenem Mann, der mit dem FK Austria Wien in fast vier Jahrzehnten 22 Titel holte? Die Austria hat seit 1982 ihre fixe Heimat in Wien-Favoriten. Unter seiner Regentschaft wurde das Franz Horr-Stadion, nunmehrige Generali-Arena, die Heimspielstätte der Violetten. Das Areal wurde zwischenzeitlich ausgebaut und bietet als schmuckes Kleinstadion knapp 14.000 Besuchern Platz. Die Violetten stehen auf gesunden wirtschaftlichen Beinen. Viele Geschäftsleute fühlen sich nach wie vor mit den Veilchen verbunden. Die von ihm so gelobte und gepriesene Spielkultur gibt es auch heute noch. Die Austria ist auch heute noch ein Verein der „feinen Klinge“. „Kicken“ sollen die anderen, die Austria spielt Fußball. Und wenn auch in unseren Tagen der Unterschied zur europäischen Spitze immer weiter weg gerückt ist, so hätte der Joschi anlässlich seiner 30 Jahre andauernden Heurigen-Abende jeden Montag gewiss noch eine Menge zu berichten, über seinen FAK, der ihm stets so am Herzen gelegen war.

Die Verabschiedung fand am 27. März 1992 auf dem Hietzinger Friedhof statt. Der aktuelle Austria-Kader um Andreas Ogris, Peter Stöger, Manfred Kern, Manfred Schmid, Franz Wohlfahrt, Manfred Zsak, Robert Frind, Christian Prosenik und dergleichen hielt die Ehrenwache. 1.000 Trauer-Gäste fanden sich ein, darunter ÖFB-Präsident Beppo Mauhart, Sport-Stadtrat Michael Häupl, Teamchef Ernst Happel, der ehemalige ungarische Fußballpräsident György Szepesi, Casino-General Leo Wallner, der Industrielle Hannes Androsch, Eric Peugeot vom französischen Autokonzern, Schöps-Textil Gründer Leopold Böhm, die Ex-Spieler und Trainer Tibor Nylasi, Karl Stotz, Erich Hof, Josef Argauer, Karl Decker, Pepi Hamerl, Max Horak, „Waschi“ Adamek, der Braislianer Jacare, Dietmar Constantini, Schi-Weltmeister Karl Schranz, ÖGB-Boss Anton Benya, Regisseur Franz Antel, Lutz Lischka und der ORF-Generalintendant Gerd Bacher, um nur einige zu nennen. Der Andrang war derart groß, dass die Polizei die Straßen um den Friedhof sperren musste. Mozartklänge und ein Trompetensolo mit dem Zapfenstreich ertönten im Laufe der Zereomonie.

Ein großer Funktionär, Mahner und Reformer verstarb vor 22 Jahren. Die Zeiger der Zeit bleiben jedoch nicht stehen. Und dennoch sollten sich manche Funktionäre heute noch an der harten Schule „Joschi“ Walters ein Beispiel nehmen. Der Gute war damals bereits seiner Zeit weit voraus.

Im Austria-Museum in der Ost-Tribüne der Generali-Arena – vormals Franz Horr-Stadion – erhielt der große Austrianer Josef „Joschi“ Walter eine Gedenk-Ecke für die Ewigkeit.

www.fk-austria.at/MUSEUM.767.0.html

 

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