8. Oktober 2008

sitzZahlreiche Highlights aus den unterschiedlichen Fanzines- das sind von Fußballfans für Fußballfans erstellte Zeitschriften – gibt es mehr als genug. Daraus ein ,Best of Fanzines´ zu erstellen ist eine gewagte Angelegenheit. Eine Grundvoraussetzung war dabei der Mut zur Lücke. Die Herausgeber dieses Buches haben sich an die Umsetzung der schon lange bestehenden Idee herangewagt und die besten deutschsprachigen Beiträge der Schreiber aus den Fanszenen zusammengetragen. Den Autoren Volker Goll und Jörg Heinisch gelang es mit der vorliegenden Auswahl, einen Großteil der besten Beiträge aus den deutschsprachigen Fanzines zusammenzutragen. Einen Schwerpunkt der Auswahl haben sie auf den Bereich der Ironie und des Humors gelegt. Aber auch klassische Rubriken wie Interviews, Spiel und Reiseberichte fügten sie zumindest stellvertretend ihrer Sammlung bei. Spaß, Spannung und Staunen stehen im Vordergrund. Sie haben die aktuellen und ehemaligen Redaktionen zahlreicher Fanzeitungen um ihre Vorschläge für ein ,Best of´ gebeten, und ,Sitzschale Nr. 15 lebt ´ ist das unterhaltsame und überaus lesenswerte Ergebnis – nicht nur für Fußballfans. Dieses Buch liest man wieder und immer wieder gerne.

Zwei Auszüge:

,Tim und Tor´
Tim ist jetzt 4 Monate alt. Kürzlich krabbelte er vor mir rum, ich nahm ihn und schnallte ihn auf seinem Höckerchen fest. ,Sohn, ich habe mich stets durch drei Lebensregeln leiten lassen: Tanze nie mit Deiner Mutter auf einem Abschlussball, trinke keinen Wein und lies jeden Artikel über Fortuna Düsseldorf sofort. Halte auch Du Dich daran.´ Tim´s Mutter, meine Christine, mischte sich ein. ,Du verschwendest Deine Zeit, er schläft.´ Na gut, ich kann warten. Am Nachmittag versuche ich es wieder. Ich flüstere ihm ins Ohr: ,Fortuna-Spieler sind immer langsam und flanken stets hinters Tor. Gewöhne Dich daran, dann ist es später nicht so schlimm.´ ,Was machst Du eigentlich, wenn sich Dein Sohn nicht für Fußball interessiert und lieber Kuchen bäckt?´ Christine ist eine moderne Mutter und ich bin ein toleranter Vater. Mein Sohn kann machen, was er will. Natürlich. Solange er sich für Fußball interessiert. Darüber hinaus kenne ich höchstens fünf nette, phantasievolle Menschen, die sich nicht in irgendeiner Form für Sport interessieren. Eher drei. Und einer davon ist weggezogen. Außerdem stöhnt Tim beim Verdauen wie Monica Seles, hat eine Frisur wie David Nielsen, den Wortschatz eines Axel Kruse und kann spucken wie die Frau von Graciano Roccigiani. Nein, es gibt keinen Zweifel, er wird Sportler. Und Kuchen backen ist viel zu gefährlich.
Während ich noch grüble, zieht Tim sich langsam am Plattenschrank hoch, scheitert, fällt hin und stupst dabei sein Quietscheentchen unter die Wohnzimmercouch. Stille. Dann langsames Begreifen. Mein Sohn hat soeben sein erstes Tor erzielt! Ich bin gerührt. Tim schreit. Wahrscheinlich vor Freude.
,Was ist denn hier los?´´ Christine stürmt herein. Ich stammle etwas von Flugkopfball, doch sie sagt Papperlpapp und trägt ihn fort. ,Väter!´ höre ich sie grummeln. Ich rufe noch hinterher: .Und hüte Dich vor Werner Hansch.´, dann ist er weg. Mütter verstehen wenig.

,… und in Stuttgart steht es 5 : 5´
Es war vor vielen Jahren, Fortuna lag 0 : 3 in Stuttgart zurück und traurig trotteten wir zehn Minuten vor Spielende aus dem Stadion. Wir versuchten eine Bratwurst zu kaufen, was nicht ging, weil die Dinger hier anders hießen, stiegen noch verdrossener ins Auto und schalteten das Radio ein.
Plötzlich rief der Sprecher: ,…und hier in Stuttgart steht es 5 : 5 …!´ Und für einen kurzen Augenblick – der Moment war in der Tat kurz, aber ebenso gewaltig – verdichtete sich die Zeit, wir versanken in einem Loch des Wahnsinns, sahen vor unserem inneren Auge eine aberwitzige Torflut, jubelnde Stürmer, tobende Fans und absolute Glückseligkeit und wir hatten alles verpasst, weil wir ein Würstchen essen wollten und bevor unser Verstand zu zerreißen drohte, beendet der Sprecher seinen Satz mit einem fröhlichen ,…nach Ecken natürlich.´, und die Welt hatte uns wieder. Mürrisch fuhren wir 400 Kilometer nach Hause.

Frieder Feldmann ist unauslöschlicher Fan von Fortuna Düsseldorf mit Leib und Seele und schrieb für das überaus lesenswerte Düsseldorfer Fanzine „Come Back´.

Sitzschale Nr. 15 lebt!
Von Volker Goll und Jörg Heinisch
224 Seiten, Paperback, 100 schwarz-weiß Fotos zum Preis von EUR 14,90
ISBN: 3-89784-271-8
info@agon-sportverlag.de
www.agon-sportverlag.de

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