Der frühere erfolgreiche Fußball-Manager Reiner Calmund – er verhalf beispielsweise dem TSV Bayer 04 Leverkusen zu vor seiner Zeit noch nie da gewesenen Höhenflügen – veröffentlichte ein Buch mit dem doch bezeichnenden Titel: „Eine Kalorie kommt selten allein“. Er schildert darin pointiert und detailgetreu, dass er viel zu viel gegessen und sich viel zu wenig bewegt hatte. Er bespricht schonungslos und messerscharf seinen gar nicht so lustigen Leidensweg, den seine überschüssigen Kilos mit sich gebracht hatten. Er regt jedoch auch, philosophisch gesehen, zum Nachdenken über den Diätenwahn und den Figurenterror an. Der Autor plaudert ohne Punkt und Komma. Es war für ihn gar nicht so einfach, alles niederzuschreiben, denn er hätte wahrlich deren noch viel mehr erzählen können. Seine Gattin lernte er beim Essen kennen. „Sylvia und ich saßen im Restaurant, wir haben privat geredet, am Ende des Abends war ich in sie total verknallt. Bei unserer nächsten Verabredung gab es Meeresspezialitäten – wir hatten dummerweise am nächsten Tag beide eine Fischvergiftung. Doch davon haben wir uns aber nicht beirren lassen.“
Reiner Calmund, ein waschechter und urlustiger Rheinländer mit zahlreichem Humor gesegnet und dem gewissen Schalk im Nacken, meint stets: „… es muss nicht immer Kaviar sein. Ich liebe einfach die gutbürgerliche Küche“. Dass dem mit dem Übergewicht so war, lag nicht an seinen Erbanlagen, er war laut eigener Aussage selber schuld daran. „Zu viel gegessen, zu wenig bewegt. Ganz einfache Sache. Ich kriege das nicht in meine Birne rein. Das ist einfach so. Ich habe es aber auch nie anders kennen gelernt, schon als kleines Kind habe ich immer etwas zu naschen bekommen. Das prägt fürs Leben.“
“Calli“ erzählt unter anderem, wenn er sich sein letztes Essen bestellen müsste, dann „wären das Filetsteaks aus Nebraska. Das hält sich lang und schmeckt immer lecker.“ Und weiter: „Dafür würde selbst ich zehn Jahre brauchen und der Henker müsste eben noch ein wenig warten. Vielleicht sagen die dann auch, den begnadigen wir, bevor der uns hier noch mehr weg futtert.“ Er steht dem Buddhismus sehr aufgeschlossen gegenüber, denn da wird man bekanntlich wiedergeboren. Sollte er im nächsten Leben als etwas Essbares wiedergeboren werden, so sollte das schon mindestens ein Drei-Gänge-Menü sein. Deshalb würde er etwas Asiatisches auswählen. „Eine schöne Suppe, dann Gehacktes aus der Thaiküche und zum Nachtisch Obst, vielleicht mit einer Kugel Kokosnusseis.“
Reiner Calmund lebt heute noch nach dem Ratschlag seiner Mutter. Sie hatte immer gesagt: „Nicht schauen, was die anderen haben und neidisch werden, sondern in die Hände spucken und anpacken. Ich habe schon früh gemerkt, dass man ein schöneres Leben führen kann, wenn man sich etwas mehr anstrengt und fleißiger ist. Ein Tipp, der vielleicht altmodisch klingt, aber den ich auch heute noch allen jungen Menschen mit auf den Weg geben möchte.“
Als Kind wollte er Schiffskoch werden und veranstaltete mit seinen Kumpels immer irgendwelche Koch-Orgien. Ihre Spezialitäten waren Bonbons und Pudding. Wenn dann seine Mutter abends nach Hause kam, fiel sie fast in Ohnmacht. In der Küche herrschte das reinste Chaos und im Kühlschrank herrschte Ebbe.Sie wollte somit auf gar keinen Fall, dass er Koch werden würde. Er sollte eine Ausbildung zum Elektriker machen und später Ingenieur werden. Also ist er zur Elektriker-Einstellungsuntersuchung gegangen. Beim Farbentest kam aber heraus, dass er farbenblind ist. So wurde nichts daraus. Dann machte er eine Ausbildung zum Außenhandelskaufmann und ein BWL-Studium. In seiner Freizeit spielte er Fußball und fing nach einer Verletzung als Jugendtrainer bei seinem Heimatklub SpVg. Frechen 1920 an. Als Student war er bei der Kölner Zeitung für die lokalen Sport-Seiten verantwortlich. Und auch das geschah in seiner für ihn bis heute so typischen Art und Weise: Er ist einfach und zielstrebig in das Redaktions-Büro marschiert und hatte gesagt: „Ich möchte einen Artikel für Euch schreiben!“ Daraus entwickelte sich dann seine erste „Karriere“. Bei der Zeitung lief es so gut, dass sie ihn sogar fest anstellen wollten. „Für mich war es in dieser Zeit normal, jeden Sonntag zu arbeiten: Früh aufstehen, bis tief in die Nacht schreiben und am nächsten Morgen die Zeitung in zwei Bezirken austragen.“
Nach seinem Studium hatte er dann den Trainer Willibert Kremer kennen gelernt. Dieser bot ihm an, bei Bayer 04 Leverkusen „als Mädchen für alles“ einzusteigen. Er war sofort dabei. Sogar den Stadionsprecher im Ulrich Haberland-Stadion hatte er gemacht. Irgendwann warb er künftige Lizenz-Spieler für Bayer an und wuchs im Laufe der Zeit komplett hinein in den Verein. Nach dem Mauerfall zu Berlin am 9. November 1989 lotste der damals bei weitem noch nicht so bekannte, dafür aber umso umtriebigere Bayer-Manager die fußballerischen DDR-Kracher Andreas Thom und Ulf Kirsten in unter 200.000 Einwohner-Stadt Leverkusen. Matthias Sammer hätte Calli auch gerne geholt, aber eine Intervention des DFB, es könne nicht sein, dass die gesamte DDR-Nationalmannschaft zu Bayer 04 Leverkusen wechsle, verhinderte dies. Und so ist er dann mit den Jahren in den Verein und das knallharte Geschäft Bundesliga hineingewachsen. Vom Stadionsprecher über den Nachwuchschef zum Manager bis hin zum Geschäftsführer einer Fußball-GmbH mit Millionenumsätzen.
Mit seinem ersten großen Geld kaufte er sich sein erstes Auto. Zuerst einen VW-Käfer und später dann einen Renault R4 mit Revolverschaltung: „Der ging ab wie die Post und lag spitzenmässig in der Kurve. Damit konnte mich keiner mehr an der Ampel versägen.“Allerdings, Callis Leidenschaft ist das Essen. Essen ist für ihn Kultur. Wenn er verreist, geht er immer zuerst in die Restaurants und danach in die Museen um das Üppige besser zu verdauen und durch die Bewegung eher zu verbrennen. Wenn er beispielsweise in New York ist, dann schaut er sich vor dem Guggenheim-Museum bei Smith&Wollensky vorbei. Das ist, seiner Meinung nach, das beste Steakhouse der Welt. Seine Gewichtsklasse, so betont er stets, kommt vom guten Essen und nicht, weil er irgendeine genetische Veranlagung hat.
Und – Reiner Calmund ist überaus erfolgreich bei den Frauen. Einen Schönheitswettbewerb könne er mit seiner Glatze und seinem Übergewicht nicht gewinnen. Aber er hat ein Händchen für die Damenwelt. Das ist seine Lebenserfahrung, sein Humor und seine Geselligkeit. Er hat etwas für Essen und Atmosphäre übrig, dies ist wohl sein Geheimnis …
Ein Hörbuch im eben typischen Calmund’schen Stil.
Hörbuch / 3 CDs 224 Minuten / Autorenlesung
Eine Kalorie kommt selten allein
Von und mit dem Autor Reiner „Calli“ Calmund
www.youtube.com/watch?v=3-QInmnqBS4
Bitte beachten Sie auch diese Rezension bei uns:
www.oepb.at/fussballrezensionen/reiner-calmund-fusball-bekloppt.html