300. Wiener Derby MatchprogrammDieser Tage beging man in Österreich das Fußball-Match-Jubiläum. Am 15. November 1894 stieg auf der damaligen Kuglerwiese, heutiger Heiligenstädter Park, zu Wien XIX in Döbling das erste Fußball-Match hierzulande. First Vienna FC gegen den Vienna Cricket and Football-Club hießen die grimmigen Gegner. Das Stadt-Derby in Sachen Fußballsport war somit vor 120 Jahren auch in der Reichshauptstadt der k.u.k.-Monarchie Wien geboren.

Bildtext: Matchprogramm vom 300. Wiener Fußball-Derby 2011. Foto: oepb

Viele Fußballvereine kamen in Wien, sie gingen aber auch wieder. Geblieben aus der „guten alten Zeit“ sind nur wenige, die heute noch Derby-technisch gerne die sportlichen Klingen kreuzen. So wurde am 22. August d. J. – just zum 120jährigen Vereinsjubiläum der Vienna – das „Derby of Love“ gegen den Wiener Sport-Klub ausgetragen. Beide Teams standen sich nach einer fünfjährigen derbylosen Zeit wieder einmal gegenüber, die Zuschauerkulisse von inoffiziell über 7.000 Besuchern – in der dritten Leistungsklasse wohl gemerkt – war aller Ehren wert, die Anhänger beider Lager überboten sich stimmungs- als auch sangesfreudig.

Seit 1911, Aufzeichnungen zufolge am 8. September, treffen auch die beiden heutigen so genannten Großklubs FK Austria und SK RAPID aus Wien in regelmäßigen Abständen aufeinander. Beide Vereine haben aufgrund der Entwicklung total konträre Entstehungs-Geschichten vorzuweisen, gelten aber gemeinhin in Österreich als die beiden Zugpferde, auch in Sachen Anhängerschaft, wobei es RAPID – auch seit jeher – besser gelingt, die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Der Austrianer raunzt mehr und bleibt lieber im Kaffeehaus (in früheren Jahren), heute vermehrt zu Hause vor der Glotze und dem TV-Live-Spiel hocken, als dass er zu seinen Veilchen ins Stadion geht.

Im Laufe der Geschichte gab es bis dato 311 Wiener Derbys zwischen Austria und RAPID, die Bilanz spricht für Grün-Weiß. 127 RAPID-Siegen stehen 113 FAK-Erfolge gegenüber, 71mal trennte man sich „freundschaftlich“ Unentschieden.

Fußball steht neben Kampf und Spielstil aber auch für Emotionen. Wenn diese jedoch andauernd hoch kochen, nicht im Zaum gehalten werden können und last but not least Wiener Derby-Ausschreitungen quasi an der Tagesordnung sind, dann hat auch hier etwas versagt.

Zur Geschichte:
Berühmt berüchtigt war die einstige Hütteldorfer Pfarrwiese als Heimstätte der „Grünen“. Wenn RAPID dort seine Gegner empfing, war regelmäßig starker Besuch angesagt und die Gast-Mannschaften, die durch den Spielertunnel aufs Feld liefen, wurden ob der Ankunft auf eben diesem nicht selten bespuckt, wüst und derb beschimpft und quasi von Anbeginn an eingeschüchtert. Bei der Austria ging es ob der zugeneigten Anhängerschaft aus Kunst, Kultur und Wirtschaft gesitteter zu. Erschwerend war allerdings auch, dass der FAK durch ganz Wien tingelte, um seine Heimspiele auszutragen. Dieser Umstand der jahrzehntelangen Heimatlosigkeit schweißte die violette Anhängerschar jedoch noch mehr zusammen.

Nichts desto trotz entwickelte sich in den letzten Jahren der jüngeren Geschichte ein Zustand, der stets dann auftritt, wenn der Spielplan neuerlich das Wiener Derby ausspuckt. Es war gewiss nicht der Ursprung, aber eben jener Zustand, der auch heute noch im Gedächtnis haftet, wenn man an Wiener Fußball-Fans denkt: am 14. September 1977 bringen jugendliche RAPID-Anhänger nach dem UEFA-Cup-Match gegen Inter Bratislava einen Zug der Stadtbahn nicht nur zum Stillstand, sondern aufgrund des Aufpralles einer nachfolgenden Garnitur sogar zum Entgleisen. Zwei Jahre später zogen zirka 2.000 grün-weiße Anhänger nach einem Spiel beim WSC vom Sportclub-Platz kommend die Hernalser Hauptstraße in Richtung Gürtel entlang und demolierten dabei zahlreiche Autospiegel und auch Auslagenscheiben. Bei diesen damals begonnenen Sachbeschädigungen blieb es jedoch im Laufe der Zeit nicht.

Am 12. Mai 1990 trafen die beiden Groß-Klubs anlässlich des ÖFB-Cupfinales aufeinander. Die Austria gewann vor 16.000 Zuschauern nach Verlängerung im Wiener Praterstadion mit 3 : 1 gegen RAPID. Nach dem Match rotteten sich Anhänger beider Lager zusammen, um mit dem Schlachtruf „Eisern Wien“ ausgestattet durch den Wurschtel-Prater zu ziehen, um dort ihre „Feinde“ einer türkischen Prater-Bande zu vermöbeln. Die „Red Brothers“ stellten sich der Konfrontation jedoch nicht.

Wiederum ein Jahr später, am 21. August 1991, wollte „Eisern Wien“ die Tottenham Hotspurs-Fans verprügeln. Grüne und Violette sammelten sich auf der Hauptallee im Prater, gut gesichert von zahlreichen Exekutiv-Beamten. Als jedoch die Engländer nach dem Europacup-Spiel gegen den SV Stockerau aus dem Praterstadion kommend zu ihren Bussen marschierten, darunter zahlreiche Hünen an Gestalt, ward Eisern Wien eine Staubwolke.

Aus Anlass des nicht mehr existenten Wiener Stadthallen-Fußballturniers am Vogelweidplatz im 15. Wiener Gemeindebezirk kam es in den 1980er und 1990er Jahren in regelmäßiger Unregelmäßigkeit stets zu Scharmützeln und Zusammenstößen nach dem Derby in der Halle.

Dies alles war jedoch nichts gegen jenen Zustand, der sich in der fußballerischen Neuzeit manifestiert hat. Am 26. Mai 2005 kam es beim Derby zu einem folgenschweren Foul. FAK-Keeper Joey Didulica rammte in der Luft RAPID-Angreifer Axel Lawaree. Der Belgier trug schwere Verletzungen davon. Didulica erhielt nicht nur eine Sperre von 8 Pflichtspielen, was folgte, war auch ein Strafverfahren vor den Augen der Justiz. Der gebürtige Australier beteuerte immer wieder seine Unschuld und reichte Lawaree mehrmals die Hand zur Versöhnung. Dieser lehnte immer wieder ab, da er der Ansicht war, dieses Foul sei reine Absicht gewesen.

Das nächste Wiener Derby in Favoriten ging als „Derby der Schande“ in die Geschichte ein. Lawaree nahm persönliche Rache und scorte beim 2 : 0-Erfolg einen Treffer, die RAPID-Fans auf der Osttribüne zündeten permanent Seenotfackeln und warfen Böller ungeheuren Ausmaßes. In Richtung von Austria-Keeper Didulica wurde sämtliche Gegenstände geworfen, das Match stand mehrmals vor dem Abbruch.

Wiederum zwei Jahre später, am 4. März 2007, rissen RAPID´ler im Gästesektor der Osttribüne des Franz Horr-Stadions ganze Sitz-Bänke aus der Verankerung und bewarfen die aufmarschierende Polizei damit. In dieser Tonart ging es – leider – weiter. Am 24. August 2008 traf man sich im Hanappi-Stadion erneut. Diesmal warfen die Austrianer permanent Böller und Kracher in Richtung des Deutschen RAPID-Torhüters Georg Koch, sodass dieser mit einem Gehörsturz versehen nicht mehr weiterspielen konnte. In späterer Folge war die Spieler-Karriere von Koch vorbei. Dann blieb es – bei den Spielen zumindest – einige Jahre ruhig, ehe am 22. Mai 2011 die Lage erneut eskalierte. Dem Austria-Mannschaftsbus wurde bei der Vorfahrt in der Keisslergasse in Hütteldorf eine Seitenscheibe eingeschlagen, beim Spiel anhand einer 2 : 0-Führung der Violetten strömten nach knapp einer halben Stunde tausende Anhänger aufs Feld und führten mit der bloßen Anwesenheit ihrerseits am Rasen unmittelbar einen Spielabbruch herbei. Die grünen Massen waren enttäuscht und wollten mit dem „friedlichen Protest“ dieses Platz-Sturmes ihren Unmut über den sportlichen Ist-Zustand ihres Teams kundtun. Dieser Protest ging freilich nach hinten los.

Was folgte, waren Haus- und Stadionverbote, die sehr löchrig exekutiert wurden. Bei den Auswärtsspielen war es den „Ausgesperrten“ stets möglich, in das Areal zu gelangen.

Am 21. Oktober 2012 marschierte eine kleinere Gruppe Grüne, begleitet von einigen Ferencvaros-Ungarn, frank und frei vor dem Spiel hinter der Osttribüne der Austria auf. Dass auch dieser „Höflichkeits-Besuch“ nicht unterwidert blieb und ein emsiges Handgemenge mit den Heimischen folgte, versteht sich von selbst.

Den Gipfel dieser „Bruder-Liebe“ bot jedoch jener 4. April 2014, als vermummte und dem Vernehmnen nach RAPID nahe stehende Personen den Austria-Nachwuchsspieler Valentin Grubeck verprügelten. Die „Größe“ dabei war, dass mehrere Personen auf einen Einzelnen losgegangen sind, der wiederum als Aktiver mit den Gepflogenheiten der Anhängerschaft partout nichts zu tun hat. „Man wollte die Austria-Choreografie vor dem Derby zerstören.“, so der lapidare Ausspruch der Out-Laws im Zuge ihrer polizeilichen Vernehmung.

Und auch beim vergangenen Derby am 9. November 2014 gab es Tumulte, als aus dem Austria-Block Leuchtkugeln in den Familien-Sektor flogen, selbst wenn dort argumentationsmäßig mitunter auch der „Intim-Feind“ ansässig war.

Dass diese Umstände nun nicht nur Unmengen an Staub aufwirbeln, sondern sich auch die Politik einmengt, versteht sich von selbst. Die Frage nach Alternativen und Lösungen wird immer wieder gestellt.  „Haus- und Stadionverbote“ alleine können es aber nicht sein, auch der Umstand, Gästefans überhaupt nicht mehr zuzulassen. Jene Personen, die als Unruheherde und Störer der Veranstaltung ausgeforscht werden, sollten kräftig zur Kasse gebeten werden. Wenn ein Spieler ein böses Foul begeht, dafür Rot bekommt, wird oft kräftig in den Schmalz-Topf gegriffen und die Spiel-Sperre ist dementsprechend lang. Wenn „Fans“, „Ultras“, oder wie auch immer sich diese Herrschaften bezeichnen mögen, vermehrt aus der Rolle fallen, Veranstaltungen permanent stören, dabei auch noch glauben, den Fußballsport erfunden zu haben, und eine Gefahr für außen stehende Personen und deren Leib und Leben darstellen, dann hilft nicht nur die Keule des Gesetzes, sondern eben auch der Griff ins private Portemonnaie. Sämtliche Strafen, die Vereine aufgebrummt bekommen, könnte man auf ausgeforschte und nachweislich aktive Täter abwälzen.

Natürlich kann man hier nicht alle über einen Kamm scheren und wenn ein Block von 4.000 Mann da steht, dann ist es ohnehin lediglich einen geringe Menge, die Rabatz und Wirbel macht. Das Allheilmittel, für die kommenden zwei Derbys keine Gästefans zuzulassen, ist es schon alleine den vernünftigen Anhängern gegenüber nicht, es hat aber in Anbetracht der jüngeren Sachlage soweit kommen müssen.

Der Fußball entwickelte sich weiter, der Zuschauer auch. Aus sonntäglichen Sportplatzbesuchern wurden junge Fans, die einst in der Halbzeit die Kurve im Stadion wechselten. Dies ging alles ohne langes Federlesen, da der Stehplatz in keine großartigen Sektoren unterteilt war. Später wurden Zäune geschaffen und die Leute wilden Tieren gleich in Blöcke und Auswärtssektoren gepfercht. Dann kamen die Zäune wieder weg, man verließ sich auf die Video-Überwachung. Wiederum später mussten man die Torhüter mit einem riesigen Netz vor den jeweiligen Tribünen – gemeint ist nicht jenes des Tores – schützen, weil ihnen vom Feuerzeug, über Münzen, Schuhe, Böller und dergleichen beim Match alles um die Ohren flog. Und nun scheint es eben so weit gekommen, als Gastfan nicht mehr erwünscht zu sein. Bravo! Die, deren Schultern dafür die Verantwortung tragen, sollten sich selbst hinterfragen.

Die Bundesliga freut sich auf jeden Fall über eine fette Einnahmequelle. Im aktuellen Fall des letzten Derbys muss die Austria € 35.000,- und RAPID € 25.000,- berappen. Darüber hinaus werden entsprechend § 12 der ÖFB-Rechtspflegeordnung als Sicherheitsmaßnahme bei den nächsten beiden Wiener Derbys – in der 24. Runde (8. März 2015) in der Generali-Arena, sowie in Runde 33 (17. Mai 2015) im Ernst Happel-Stadion – die jeweiligen Gästesektoren gesperrt.

Wenn man dieses Geld in den Nachwuchs stecken würde, hätte gewiss über kurz oder lang ganz Fußball-Österreich etwas davon. Es bleibt demnach abzuwarten, wie die beiden Wiener Groß-Klubs künftighin agieren werden. Bei der Austria wurden bis dato ganz Fan- und Ultra-Gruppierungen ausgeschlossen mit dem Resultat, dass am Zentralfriedhof mehr Stimmung vorherrscht, als bei einem Match in der Generali-Arena. Die verbliebenen Anhänger zeigen sich solidarisch und schweigen, oder bevölkern die Osttribüne gar nicht mehr. Andere wiederum wanderten auf die Nordtribüne ab. Eine zusammengeschweißte violette Anhängerschaft zerbröselt zushends Bei RAPID gab und gibt es zwar auch vereinzelt Stadionverbote, die jeweiligen Ultra-Gruppierungen stehen jedoch nach wie vor wie eine Mauer hinter ihrem Team.

Stellungnahme der Austria zur Strafe:
AG-Vorstand Markus Kraetschmer: „Das ist ein sehr hartes Urteil aus unserer Sicht. Wir werden schnellstmöglich die Urteilsbegründung anfordern und uns dann mögliche Rechtsmittel überlegen. Für uns sind jedenfalls noch einige Fragen offen.“

Stellungnahme RAPID:
Man sieht mit gemischten Gefühlen der Ordentlichen Hauptversammlung am 27. November 2014 entgegen und möchte dort in medias res gehen.

Unvorstellbar eigentlich, dass noch vor einigen Jahren beispielsweise im West- späteren Hanappi-Stadion auf der Osttribüne „einträchtig“ Grüne und Violette beim Derby nebeneinander saßen. Detto unvorstellbar heute, dass Anhänger beider Teams nach dem Spiel die U4 am Weg zurück in die City genommen hatten. So weit wird es nie mehr kommen, aber Anhänger jeglicher Farbe – ob Viola oder Green – sind gefragt, hier dem ganzen einen vernünftigen Riegel vorzuschieben, aus der Strafe zu lernen und wieder dafür Sorge zu tragen, dass das Wiener Derby ein farbenfrohes und stimmgewaltiges Match wird, auf das sich jedermann freuen kann. Der derzeitige Zustand ist nämlich dämlich und so ein absolutes No Go.

www.fk-austria.at
www.bundesliga.at
www.skrapid.at

 

 

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