Namenlos und doch bedacht. Am Wiener Friedhof der Namenlosen wird den zahlreichen Unbekannten von einst die letzte Ruhestätte gewährt. Foto: © oepb

Der sogenannte „Friedhof der Namenlosen“ befindet sich still, ein bisserl (un)heimlich und versteckt im Alberner Hafen zu Wien-Simmering – und zwar genau dort, wo das Wiesen-Auwald-Gebiet an den Hafen grenzt. Man muss allerdings schon auch ein wenig ein Sherlock Holmes sein und große Geduld aufbringen, bis man das Ziel der Reise endlich erreicht hat. Böse Zungen behaupteten früher, in den späten 1940er, frühen 1950er Jahren in Anlehnung an die Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg ohnehin, dass im Anschluss an dieses Areal, nur ein paar Meter weiter, bereits fließend russisch gesprochen wird …

Am „Friedhof der Namenlosen“ liegen Menschen beigesetzt, die wohl niemand kannte, die auch niemand vermisste und die dem Donau-Strom im Zeitraum von 1840 bis 1940 entnommen wurden. Angeschwemmt – oftmals vom langen im Wasser treiben, der Natur, den Gezeiten und anderem Treibgut auch bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet – fanden diese armen Geschöpfe hier im Alberner Hafen ihre letzte Ruhestätte. Hin und wieder gelang es, die Identität der einen oder anderen Wasserleiche auszuforschen. Eines blieb jedoch stets im Dunkeln – die Frage nach dem „Warum“ und nach dem „Wie“ sie gestorben sind …

Schließlich wurde seinerzeit die Idee geboren, die Leute genau dort beizusetzen, wo sie dem Donau-Wasser entnommen wurden.

Blick auf die Auferstehungskapelle, errichtet zur Erinnerung an die in den Jahren 1933 bis 1935 vollzogene Erhöhung und Verstärkung der Hochwasserschutzdämme für Wien und das Marchfeld. Foto: © oepb

Der Friedhof ist untergliedert in zwei Teile. Der erste „Friedhof der Namenlosen“ ist heute kaum mehr einsehbar, von Bäumen überwachsen, verwildert und völlig von Mutter Natur zurückerobert. Hier wurden, nachdem anno 1840 die erste Beisetzung einer unbekannten Wasserleiche vorgenommen wurde, in den Folgejahren bis 1900 in Summe 478 unbekannte Tote aus dem Wasser geborgen und bestattet.

Nachdem im Laufe der Jahrzehnte der Friedhof immer wieder überschwemmt wurde, gingen im Jahre 1900 einige Simmeringer Handwerksburschen her und errichteten einen zweiten Friedhof. Im Jahre 1935 erhielt dieser zweite Teil eine Umfassungsmauer, sowie eine Einsegnungskapelle. Aufgrund der Hafenregulierung spuckt die Donau just an dieser Stelle keine Wasserleichen mehr aus.

Und nach der Eingliederung dieses Gebietes im Jahre 1940 zur Stadt Wien – vormals war dieses Areal der Gemeinde Schwechat zugehörig – wurden von da an auch die unbekannten Leichen am Wiener Zentralfriedhof bestattet.

Schmuckloser Eingang in den zweiten Teil des Friedhofes der Namenlosen. Foto: © oepb

Tief im Schatten alter Rüstern Starren Kreuze hier am düstern Uferrand.
Aber keine Epitaphe, Sage uns wer unten schlafe, Kühl im Sand.
Still ist´s in den weiten Augen, Selbst die Donau ihre blauen Wogen hemmt.
Denn sie schlafen hier gemeinsam, Die, die Fluten still und einsam Angeschwemmt.
Alle die sich hier gesellen, Trieb Verzweiflung in der Wellen Kalten Schoß.
Drum die Kreuze die da ragen, Wie das Kreuz das sie getragen, „Namenlos“.

Gedicht von Graf Albrecht von Wickenburg

Es herrscht eine eigenartige Stimmung auf diesem kleinen Friedhof vor. Einerseits sind die hier Bestatteten bereits seit Jahrzehnten tot und gingen niemandem ab, andererseits schwappt der Lärm der eifrigen Betriebsamkeit des Alberner Hafens immer wieder auf den Friedhof herüber. Beispielsweise werden heute dort die Windräder für das Burgenland frachtmäßig aufbereitet, auf LKWs verladen und weiter verschickt. Ruhe und Beschaulichkeit kehrt demnach nur an den Wochenenden am Alberner Hafen und dem idyllischen „Friedhof der Namenlosen“ ein.

Im Gegensatz zu anderen Friedhöfen wird dieses Areal mehr der Natur überlassen. Und anstatt eines Grabsteins befindet sich überall das gleiche schmiedeeiserne Kreuz. „Unbekannt“ oder „Namenlos“ steht oftmals dort zu lesen. Foto: © oepb

So dienen die schmucklosen, aber nicht ungepflegten Gräber auch der Besinnung, des An- und Innehaltens und der heutzutage für so viele Mitmenschen notwendig gewordenen Entschleunigung. Auf manchen Grabstellen liegen Blumen, hin und wieder brennt ein Kerzerl und die bunte Allgewalt Natur zeigt der Menschheit gerade hier schonungslos auf, dass nur sie erhaben ist, über all dem irdischen Leben. Dies hier ist einfach ein kleiner und feiner Ort der immer wiederkehrenden Erkenntnis, dass unser aller Uhr tickt und niemand weiß, wann diese damit aufzuhören gedenkt …

Friedhof der Namenlosen

Quelle: Redaktion und © Fotos: www.oepb.at

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