Friedrich Jahn (* 29. Dezember 1923 in Linz / Donau, Oberösterreich, † 15. Dezember 1998 in Bad Wiessee in Bayern) galt in früheren Jahren gemeinhin als der „Hendl-Jahn“. Sein Marketing-Leitspruch in der von ihm gegründeten Restaurant-Kette lautete: „Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald!“ Das erste von später knapp 1.600 Restaurants eröffnete der Linzer im Jahre 1955 in München. In der Amalienstraße in der Maxvorstadt war allerdings vom späteren „Wienerwald“ noch nichts zu lesen. Aus der ursprünglichen „Linzer Stube“ wurde kurze Zeit später die „Weinstube zum Wienerwald“.
Vom einfachen Kellner zum erfolgreichen Unternehmer
AIs Jahrgangsbester in der Salzburger Hotelfachschule wagte Friedrich Jahn gemeinsam mit seiner späteren Gattin Hermine (* 13. Mai 1925, † 13. Dezember 2001) mit einem eigenen kleinen Restaurant in München-Schwabing den Sprung in die Selbstständigkeit. Zuvor war der gelernte Ober, dessen Vorfahren aus ärmlichen Verhältnissen aus dem Mühlviertel in Oberösterreich abstammten, jahrelang Kellner im heute noch existenten Café Traxlmayr in Linz an der Donau. Darüber hinaus bereiste das junge Paar später in Sachen Gastronomie die halbe Welt. Große und berühmte Lokale in London, Venedig, St. Moritz und auch Das Ritz in Paris gehörten zu ihren Arbeitsstätten. Das Ehepaar Jahn huldigte dabei stets dem Grundsatz: „Sei immer freundlich, dann gibt es auch ein ordentliches Trinkgeld!“
Im Jahre 1955 hatte das junge Gastro-Paar das Startkapital von überlieferten 8.000 Deutschen Mark für das erste eigene Lokal beisammen. Und Friedrich Jahn war von Anbeginn an klar, dass er sich für sein neues Geschäftsmodell etwas ganz Besonderes einfallen lassen musste. Er galt nämlich als der bereits fünfte Pächter dieser Gastwirtschaft in nur zwei Jahren. Seine kompetente, höfliche und freundliche Art kam sehr gut an, der durchschlagende Erfolg blieb aber – noch – aus. Die zündende Idee für sein Linzer Stüberl lieferte ihm ein Gast, der ein Brathenderl bestellte, das aber nicht auf der Speisekarte stand. Friedrich Jahn besuchte das Münchner Oktoberfest und war im Anschluss daran felsenfest davon überzeugt, von nun an in seinem Lokal einen kleinen Griller aufzustellen, wie dies eben am Münchner Oktoberfest auch üblich ist. Die relativ rasche und einfache Art der Essens-Zubereitung schien genau das Richtige für seine kleine Gastwirtschaft zu sein, die ja personell immer noch „nur“ aus dem Ehepaar Jahn bestand.
Grüße aus dem Wienerwald
Der Königsgedanke dabei war, dass Friedrich Jahn den Griller gut sichtbar mitten in seinem Lokal platzierte. Ein Ventilator „lieferte“ den köstlichen Grillgeruch direkt hinaus auf die Gasse. Der Funke zündete und die Passanten wurden so in seine Wirtschaft gelockt. Natürlich wurde der erste Griller bald zu klein, denn die Nachfrage nach seinen herrlich knusprigen Brathenderln wurde immer größer. Das Ehepaar Jahn baute die Idee weiter aus und lieferte ein preisgünstiges Alltagsgericht auch außerhalb der Oktoberfest-Zeiten. Zum Einheitspreis von 3,50 DM gab es das halbe Hendl bis in die frühen 1960er Jahre hinein und war somit leistbar für Jedermann.
Aber damit nicht genug. Der junge Gastronom erkannte, dass auch der Wohlfühlfaktor in seinem Lokal von ungeheurem Vorteil sein kann. Die Gäste sollten sich rundum heimelig fühlen. So sausten seine Servier-Damen in feschen Dirndlkleidern durch die Lokalität, die rustikal und gemütlich eingerichtet war. Die Wiener Schrammelmusik dazu ertönte von der Schallplatte und zur passenden Atmosphäre fiel auch die Essens-Auswahl nicht schwer, es gab schließlich nur Fassbier und Brathuhn. Ein weiterer Clou war der Gassenverkauf. Unter dem Motto „Wienerwald Gasse“ konnte man sich das fix und fertige Hühnchen für die Mittagspause im Büro oder aber für zu Hause mitnehmen. Die Idee schlug voll ein und „Wienerwald“-Restaurants des Ehepaars Jahn schossen wie die sprichwörtlichen Schwammerln aus dem Boden. Sämtliche „Wienerwald“-Wirtshäuser zeichnete dabei die einzigartige Atmosphäre bestehend aus Wiener Charme und bayerisch uriger Gemütlichkeit aus.
Der Weg führt steil nach oben
Der damals wohl bekannteste Slogan aus dem Hause Wienerwald lautete: „Heute bleibt die Küche kalt – wir gehen in den Wienerwald!“ und die breite Masse handelte auch danach. Und auch die Einkaufsstrategie schlug voll ein, denn die großen Hühnerfarmen hatten mit gewaltigen Überkapazitäten zu kämpfen, die wiederum die Preise drückten und dem Ehepaar Jahn dazu verhalf, die Verkaufspreise stabil zu halten und somit den eigenen Höhenflug weiter auszubauen. Darüber hinaus entwickelten hauseigene Wienerwald-Architekten bauplanmäßig in den ausgehenden 1950er Jahren die später so typischen Wienerwald-Kulissen im ganz großen Stil. Dieser Stil blieb gut 30 Jahre lang das Markenzeichen sämtlicher Wienerwald-Restaurants. Weiters leistete sich Friedrich Jahn bereits Anfang der 1960er Jahre eine eigene Geflügelfarm in München, um so auch unabhängiger vom Markt zu werden. Die Speisekarten und auch die Gästezeitschrift lieferte die ebenso hauseigene Druckerei. Somit – alles aus einer Hand.
Zum 10jährigen Firmenjubiläum im Jahre 1965 umfasste die Wienerwald-Kette bereits 170 Lokale mit zirka 4.000 Angestellten und sage und schreibe 15 Millionen verzehrten Hühnern jährlich. Friedrich Jahn´s Gesamtumsatz wurde damals auf über 230 Millionen DM berechnet. Doch der einstige Ober aus Linz mit dem Appetit auf Huhn – „Ich esse fast jeden Tag ein Hendl“, wurde er einmal zitiert – ruhte sich auf seinem Erfolg nicht aus. Der Hendl-König war bekannt dafür, alles gerne selbst in die Hand zu nehmen. Nacht für Nacht suchte er, unangemeldet versteht sich, zahlreiche seiner Lokale auf, um höchstpersönlich nach dem Rechten zu sehen. Für den gelernten Oberkellner war dies ein Gebot der Stunde, um mit den Kunden und dem Personal im Kontakt zu bleiben und darüber hinaus auch die korrekte Kassenführung der zahlreichen Geschäftsführer im Auge zu behalten. Seinen teuren Mercedes Benz der Luxusklasse parkte er dabei immer in sicherer Entfernung zu den jeweiligen Gaststätten, denn er wollte nicht, dass die Gäste ihn damit vorfahren sehen und darauf schließen, dass er mittlerweile längst Millionär geworden war. Er wollte immer einer von ihnen bleiben. Daher schwieg der Wirt auch gerne eisern darüber, wenn sein Gewinn samt geschätzten Vermögen wieder einmal zur Sprache kam, denn dieses ließ sich damals bereits auf vermutete zehn Millionen DM beziffern.
Kein Huhn am Olympiaturm
Friedrich Jahn pflegte auch sehr gute Kontakte zur Münchner Polit-Prominenz. Der Vorsitzende der CDU und später bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß war ein Duzfreund von ihm. Es schien daher auch nicht weiter verwunderlich, dass er den Zuschlag für das Drehrestaurant in schwindelerregender Höhe am im Jahre 1968 eröffneten Fernseh- und Olympiaturm in München erhielt. Jahn wollte erreichen, dass sein berühmtes „Wienerwald-Hendl“-Logo in riesengroßer Ausführung auch am Turm in knapp 300 Metern Höhe angebracht und somit weithin sichtbar wird. Das Münchner Verwaltungsgericht hatte jedoch etwas gegen diese neue und ihrer Ansicht nach völlig absurde Geschäfts- und Marketing-Idee und die Spitze des Münchner Olympiaturmes blieb somit jungfräulich unberührt – bis heute.
Fleißige Mitarbeit wird belohnt
Die kreativsten Köpfe aus seiner Werbe-Abteilung sowie ebenso verdienstvolle Mitarbeiter aus den Lokalen belohnte der „Hendl-Jahn“ immer wieder großzügig. Von aufwendigen Studienreisen in ferne Länder wie Kanada bis hin zu vergoldeten Hühnchen als Anstecknadel reichte das Repertoire der Mitarbeiterbelohnung. Für die ganz besonderen Angestellten gab es die Anstecknadeln in Hähnchenform sogar mit bis zu acht Brillanten besetzt. Der Boss selbst gönnte sich drei Privatflugzeuge und einen Hubschrauber, um so das Pendeln zwischen den einzelnen Lokalen im In- und Ausland und damit seinen bis zu 18 Stunden andauernden Arbeitstag etwas zu erleichtern.
Ein Huhn geht in die Luft
Im Jahre 1979 entdeckte Friedrich Jahn das für ihn völlig fremde Touristikgeschäft. Das neu gegründete zusätzlich Unternehmen firmierte fortan unter Jahn-Reisen. Trotz erfolgversprechender Umsätze zu Beginn, stand das Unternehmen bereits drei Jahre später wieder zum Verkauf an, und die Fluggesellschaft LTU erhielt den Zuschlag. Zu groß waren für ihn die jährlichen Investitionen geworden. Anfang der 1980er Jahre wurde dann ein neuer Rekord geknackt. Wienerwald bestand zu dieser Zeit aus über 1.500 Restaurants und beschäftigte rund 30.000 Angestellte, die bis zu 700.000 Hendln pro Tag verkauften. Pro Jahr erbrachte das einen Umsatz von einer Milliarde DM. Die Filialen befanden sich hauptsächlich in Europa, aber auch den Weg in die USA, Südafrika und Japan hatte Friedrich Jahn gefunden, um dort Franchise-Unternehmen zu gründen.
Am Zenit nach unten
Die Lokale in den Vereinigten Staaten vermasselten der Wienerwald-Kette schließlich das globale Geschäft und führten 1982 zur Insolvenz. Die über 800 Filialen in Amerika waren zum Teil so stark sanierungsbedürftig, dass sie am Ende mehr kosteten, als sie einbrachten. Friedrich Jahn hatte sich das erste Mal in seinem Leben komplett verkalkuliert, bedachte nicht, dass die damaligen „Amis“ lieber Steak denn Chicken speisten und konnte somit seine Kredite nicht mehr bedienen. Zahlreiche Restaurants mussten in der Folge davon auch in Österreich und Deutschland schließen. Wienerwald erhielt 1986 neue Eigentümer, die die Restaurant-Kette optisch umgestalteten. Das rustikale Ambiente verschwand mehr und mehr und man passte die Gastwirtschaft dem aktuellen Zeitgeist an. In Linz, dem Gründer-Ursprung der Kette, gab es bis in die späten 1980er Jahren hinein fünf Wienerwald-Restaurants. Eines davon hatte sogar zwei Adressen und somit auch zwei Eingänge, nämlich Promenade 22 und Klosterstraße 3. Anhand des Eingangs Klosterstraße konnte man noch im „rustikalen“ Wienerwald-Restaurant Platz nehmen, wenn man das Lokal anhand eines langen Gangs durchschritt, landete man im modernen Ambiente des Wienerwalds an der Linzer Promenade, in unmittelbarer Nachbarschaft zum eingangs erwähnten Café Traxlmayr übrigens. Der Kreis von Friedrich Jahn schloss sich hier, wenn man so will.
Der Wienerwald der Neuzeit
Im Jahre 2007 kauften die beiden Jahn-Töchter die Rechte am einstigen Familien-Unternehmen zurück. Und auch die Enkel sind inzwischen im Geschäft. Vieles wurde wieder wie früher und auch der geschichtsträchtige Werbehit „Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald“ bahnte sich den Weg zurück auf die Speisekarte. In den vergangenen Jahren unterzogen sich die Wienerwald-Restaurants einem erneuten Wandel und die Marke wurde um Wienerwald Fast & Fresh sowie den Lieferservice Wienerwald Express erweitert. In Österreich, wo Wienerwald einst gut 30 Restaurants betrieb, besteht die Kette heute nurmehr aus drei Lokalen, die allesamt in Wien angesiedelt sind.
Geblieben ist jedoch die Erinnerung an gemütlich gelebte österreichische Gastlichkeit und ein fleißiges Unternehmer-Paar, das zu Zeiten des Wirtschaftswunders auszog, um mit einer in die damals aktuelle Zeit passenden Geschäfts-Idee zu großem Erfolg zu kommen. Mit der richtigen Idee zur rechten Zeit am geeigneten Platz zu stehen, das kann auch heute noch der Grundstein für den späteren Erfolg sein. Hermine und Friedrich Jahn zeigten es vor.
Quelle: Redaktion www.oepb.at