Wien – eine Stadt der Entwicklung, der Moderne, der Geschichte, der Vergangenheit und auch der Kultur. Wien – d i e Stadt mit der Kaffeehaus-Kultur schlechthin. Wer Wien bereits einmal bereist hat und eines der unzähligen Kaffeehäuser der Stadt auf- und besucht hat, der weiß, worum es in diesem Buch hier geht.
Wenn die Welt arbeitet, sitzt der Wiener im Kaffeehaus – so ein etwas spitzzüngiges Zitat von einem, der es dem Wiener wohl neidet, dass er eben in den Pausen arbeitet und die meiste Zeit gerne und auch ein bisserl grantelnd im Kaffeehaus zubringt. Selbst der FK Austria Wien, der erfolgreichste Österreichische Fußballverein nach dem 2.
Weltkrieg, hatte jahrelang sein geschäftsführendes Domizil um den emsigen Sektretär Norbert Lopper im ,Cafe Savoy´ aufgeschlagen. Und die ,Austria-Freunde´ trafen sich jeden Dienstag von 19 bis 21 Uhr im ,Cafe Herrenhof´.
Und da der Brückenschlag vom Sport zur Kultur ein so großer gar nicht ist, gibt es heutzutage im ,Cafe Landtmann´ gegenüber des Burgtheaters am Ring einen unterirdischen Gang in das Schauspielhaus hinüber. Die Großen der Bühne kommen quasi ,unter Tage´ ins neben gelegene Cafe und lassen den Abend nach einem Auftritt unter ihresgleichen gemütlich ausklingen.
In Wien hat es jahrzehntelange Tradition, im Kaffeehaus zu sitzen, zu residieren, zu sinnieren, zu philosophieren und eben auch Geschäfte abzuschließen. Und jede Einrichtung dieser Etablissements hat eine eigene Geschichte, die sich im Laufe der Jahrzehnte zutrug. Ebenso hat und hatte jedes große Kind der Stadt sein eigenes Cafe, in das er immer wieder kommt und dort auch ein gern gesehener Gast ist. Der Ober kennt seine großen Gäste, weiß um deren Geheimnisse, aber auch deren Vorlieben am Kaffeehaustisch, was die kulinarischen und lukullischen Genüsse anlangt und man glaubt eben, in seinem zweiten Wohnzimmer zu sein, wenn man bereits am Eingang höflich und freudig erwartend begrüßt wird.
Helmut Qualtinger beispielsweise kam oft und gerne ins ,Gutruf´, Alt-Bürgermeister und Geburtstags-Jubilar Helmut Zilk geht heute noch beinahe täglich in sein ,Schwarzes Kameel´, in deren Kellergewölbe im 17. Jahrhundert die Weinvorräte der Fürstenfamilie Esterhazy gelagert waren, im ,Hawelka´ steht heute noch Witwer Leopold Hawelka – seine Gattin Josefine verstarb im Jahre 2005 und war berühmt für ihre Buchteln, die aber nur bestimmte Gäste nach 22 Uhr erhielten – an der Tür und begrüßt jeden seiner Gäste persönlich, so wie von Georg Danzer bereits in den 70iger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit dem ,Nackerten im Hawelka´ rühmlich besungen. Im ,Cafe Sperl´ gaben sich Schriftsteller, Politiker und Adabeis die Tür in die Hand, Hugo Meisl, der Teamchef des Österreichischen Wunderteams der 30iger Jahre, ging oft und gerne in sein Ring-Cafe ,Rembrandt´ und präsentierte dort den verdutzten Journalisten sein „Schmieranski-Team´ für das anstehende Schottland-Spiel, welches Österreich am 16. Mai 1931 mit 5 : 0 auf der Hohen Warte vor 40.000 Besuchern gewann. Das Wunderteam ward mit diesem Match geboren. Der Großvater des Verfassers dieser Rezension war von Berufs wegen oftmals im ,Cafe Ritter´ zugegen und schwärmte dem Filius sonntags immer von der glorreichen Wiener Kaffeehaus-Kultur vor, bis eben dieser sich eines Tages aufmachte, um den Worten des Großvaters nicht nur Glauben zu schenken, sondern sich auch selbst davon überzeugen zu können.
Der alte Herr sollte Recht behalten haben. Das ,Cafe Central´ erlangte durch die gleichnamige Fernsehserie im ORF in den 70iger und 80iger Jahren Berühmtheit. Und last but not least trafen sich oben erwähnter Hugo Meisl in seiner Eigenschaft als Funktionär der Amateure (FK Austria) mit Dionys Schönecker vom SC RAPID quasi in der Mitte Wiens, im ,Cafe Westend´ am Westbahnhof und riefen dort die Österreichische Fußball-Bundesliga ins Leben, die 1911 dann auch tatsächlich startete. Daß damit auch die ewige Rivalität der beiden Vereine angekurbelt wurde, zeigten die Folgejahre. Und so ginge es hier endlos weiter, denn jede dieser Gaststätten ist eine in sich geschlossene Institution, die es zu behüten gilt. Der Kreis kann sich nicht schließen, da es immer wieder Menschen gibt, die etwas bewegen, die bekannt werden wollen, oder es aber bereits sind und die in ,ihr´ Cafe schlendern werden. Und nur dort ranken sich die unzähligen Geschichten und Geschichterln, die es immer wieder zu erzählen, zu hören und nun auch zu lesen gibt.
Wiener Geschichten Ein Streifzug durch Beisln, Bars und Kaffeehäuser der Künstler von Eva Gesine Baur und Berthold SteinhilberGebunden, 240 Seiten,
190 Farb-Abbildungen,
EUR 51,40
ISBN 978-3-89660-365-4
www.knesebeck-verlag.de Quelle: oepb