Von 1981 bis 1987 prägte Ernst Happel die Geschichte des HSV. Fotomontage: oepb

„Ich möchte mit Hamburg den Titel-Hattrick schaffen, so wie mit dem FC Brügge zwischen 1976 und 1978!“, lautete die launige Antwort des Wiener „Wödmasta“-Trainers Ernst Happel auf oepb-Anfrage nach seinen weiteren Zielen im Juni 1983, nachdem der Hamburger Sport-Verein zuvor zweimal – 1982 und 1983 – die Deutsche Meisterschaft, sowie gerade eben erst den Europapokal der Landesmeister – heutige Champions League – gewonnen hatte.

Es gelang … beinahe. 1983/84 musste sich der Hamburger SV dem VfB Stuttgart um lediglich 7 Tore beugen. Beide lagen punktegleich vorne, die „braven Schwaben“ wiesen jedoch am Ende der Saison die bessere Tordifferenz auf. Hamburg wurde „nur“ Vize-Meister. Auf die Frage, ob und wann er gedenke, nach Österreich zurückzukehren, meinte Happel damals, wie eigentlich immer zu jener Zeit: „Wenn ich alt und senil bin. Und dann setze ich mich den ganzen Tag ins Kaffeehaus und spiele Karten. Wenn man 40 Jahre lang immer nur herumzigeunert ist, dann will man nur mehr zu den alten Haberer ins Café gehen.“

Die Geschichte ist bekannt: Ernst Happel gewann mit den Hanseaten 1986/87 den DFB-Pokal und kehrte anschließend nach Österreich zurück. Über den FC Tirol kam er 1991 zum ÖFB und blieb bis zu seinem Ableben am 14. November 1992 Teamchef der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft.

Sämtliche hanseatische Kaufmannskunst konnte den Niedergang des HSV der letzten Jahre nicht verhindern. Hier ein Blick auf die Alster in Hamburg. Foto: oepb

Frei nach Hildegard Knef: Von nun an geht´s bergab

Umso unglaublicher erscheint es heute, dass jene Titel, die der HSV unter der Trainer-Regie von Ernst Happel errang – Deutscher Meister 1982 und 1983, Europapokal-Gewinner der Landesmeister 1983, DFB-Cupsieger 1987 – die letzten großen Triumphe der stolzen Hanseaten bis dato in der bisherigen 131-jährigen Geschichte waren. Natürlich ist es müßig, zu behaupten, dass es seit jenen 1980er Jahren mit dem HSV immer mehr bergab ging, dennoch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass man in Hamburg die Zeichen der Zeit komplett verschlafen hatte. Man bot beispielsweise dem FC Bayern München nicht nur die Stirn, man konnte die Rot-Weißen aus der Weißwurstmetropole sogar überflügeln, damals, als der HSV in Europa am Zenit stand.

Titel-Vorentscheidung am 29. Spieltag in München

Roman Strohmaier, Fan und Zeitzeuge beim Gipfel-Treffen in München am 24. April 1982, erinnert sich: „Ich war als Jugendlicher mit Freunden im Olympiastadion und wir ergatterten noch am Schwarz-Markt die letzten Karten. Knapp 80.000 Zuschauer wohnten dieser Bundesliga-Begegnung bei, darunter Abertausende, die den weiten Weg aus Hamburg angereist waren. Die Bayern führten bis zur 70. Minute mit 3 : 1. Bei einem Heimsieg wären sie nochmals an den HSV herangerückt. Doch Thomas von Heesen und Horst Hrubesch mit zwei Treffern drehten das Match noch zugunsten des HSV. Gerade der Hrubesch, der als Kopfballungeheuer galt, sorgte mit seinem Sieges-Treffer zum 4 : 3 in der 90. Spielminute für eine kollektive Ekstase in der Nordkurve. Die HSV-Fans purzelten allesamt durcheinander, man lag sich mit wildfremden Menschen in den Armen und genoss diesen Auswärts-Erfolg in München in vollen Zügen. Mir läuft heute, so viele Jahre später, immer noch eine Gänsehaut über den Rücken, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Und es stimmt mich sehr traurig, wenn ich sehe, was aus dem HSV im Laufe der letzten Jahrzehnte geworden ist.“

Groß und mächtig, wie die HAMBURG SÜD war der HSV jahrzehntelang. Nun heißt es Kräfte bündeln und neu durchstarten. Foto: oepb

Der HSV wird zum Dino

Seit einigen Jahren bezeichnete man den HSV als „Dino“, als Dinosaurier der Liga. Dieser Bezeichnung lag der Umstand zugrunde, dass die Hamburger das letzte Gründungs-Mitglied der Deutschen Bundesliga aus dem Jahre 1963 waren, die noch nie im Laufe dieser Jahre abgestiegen waren.

Was 1963 in Münster begann …

Am 24. August 1963 wusste niemand so genau, wie die Erwartungen an das neue Kind „Deutsche Fußball-Bundesliga“ sein würden. Der HSV war 1960 Meister geworden und erreichte in den Jahren 1957 und 1958 das diesbezügliche Endspiel dazu. Im Europapokal stand man 1961 im Halbfinale und unmittelbar vor dem Bundesliga-Start holte man auch den DFB-Pokal. So legte der HSV mit einem Unentschieden bei Preußen Münster los: 1 : 1 im Preußenstadion vor 30.000 Zuschauern mit Gert Dörfel als Ausgleichs-Torschützen für den HSV in der 86. Spielminute.

“Auf St. Pauli brennt nicht nur noch Licht”, man freut sich bei den “Freibeutern der Liga” auch auf zwei anstehende Stadt-Duelle mit dem großen Rivalen HSV. Foto: oepb

… endete im Volkspark am 12. Mai 2018

55 Jahre, oder 1.866 Bundesligaspiele en suite, bestehend aus 746 Siegen, 495 Unentschieden, sowie 625 Niederlagen, bei einer Tor-Differenz von 2.937 : 2.662, oder 2.733 erkämpften Punkten später ist nun Schluss. Der HSV sagte typisch hanseatisch „Tschüss“ und verabschiedete sich klammheimlich in die 2. Bundesliga. Es war kein Erdrutsch und selbst die Treuesten unter den Treuen sahen das Ende nahen. Jenes Tohuwabohu, das der HSV in den letzten Jahren seinen Anhängern und Freunden bot, war mit keinem Edgar Wallace-Krimi dieser Welt vergleichbar. Trainer-Rochaden, Sessel-Rücken in der Vorstands-Etage, Spieler-Verpflichtungen, die in den seltensten Fällen jene in sie erhofften Erwartungen erfüllten und dergleichen spann sich wie ein dichtes Fischernetz um die Raute, immer dichter, immer fester, bis den „Rothosen“ letzten Endes sprichwörtlich die Luft ausging.

Abstieg und Ausblick

Alles Schlechte hat bekanntlich auch sein Gutes. „Eine Region weint!“, hörte man aus der Pfalz, als das dortige Aushängeschild, der 1. FC Kaiserslautern, im Sommer 1996 erstmals aus der Bundesliga absteigen musste. Die „Roten Teufel“ vom Betzenberg waren ebenso Gründungsmitglied der Bundesliga gewesen und ab 1963 ununterbrochen dabei. Nach dem Abstieg gewann man allerdings im gleichen Jahr noch den DFB-Pokal. Auch hier fand eine komplette Wandlung statt. Mit Otto Rehagel am Ruder gelang nicht nur die sofortige Rückkehr in die Beletage, als Bundesliga-Aufsteiger holte man auch im Jahr 1997/98 die Deutsche Meisterschaft! Wunder passieren und sie passieren immer wieder – auch und gerade im Fußballsport. Der HSV tut gut daran, seinen Trainer – trotz erstmaligem Abstieg – zu bestätigen. Der gebürtige Mannheimer Christian Titz übernahm am 13. März 2018 vom völlig glücklos agierenden Bernd Hollerbach das Trainer-Amt. In diesen verbliebenen 8 Bundesliga-Spieltagen weckte der bisherige Betreuer der HSV-Amateure in seiner Kampfmannschaft nicht nur neue Lebensgeister, man konnte auch die 8 Punkte Rückstand auf den Relegations-Platz bis zum letzten Spieltag auf 2 Punkte Schlagdistanz verringern und ging somit noch nicht hoffnungslos abgestiegen, sondern mit einer kleinen Chance ausgestattet, in den allerletzten Spieltag der Saison 2017/18. Die Bundesliga-Auslosung bescherte Hamburg ein Heimspiel gegen VfL Borussia Mönchengladbach, das vor 57.000 Zuschauern im ausverkauften Volksparkstadion mit 2 : 1 gewonnen wurde. Da aber zur gleichen Zeit der VfL Wolfsburg den bereits abgestiegen 1. FC Köln mit 4 : 1 bezwingen konnte, fehlten dem HSV am Schluss zwei Punkte auf den Relegations-Platz und deren fünf Zähler auf den ersten Nichtabstiegsplatz.

Der überlebensgroße Fuß von HSV-Legende “Uns Uwe” Seeler …

Diesmal kein Nachsitzen in der Relegation

Zum zweiten Mal in Folge dürfen nun die „Wölfe“ aus der Volkswagen-Stadt „Nachsitzen“. Im Vorjahr hielt man den Deutschen Meister von 1967, den BTSV Eintracht Braunschweig in Schach. Die Schützlinge von Langzeit-Coach Torsten Lieberknecht erholten sich von dem Schock des Nicht-Aufstieges die ganze Saison nicht mehr, die Kicker aus der Stadt Heinrichs des Löwen stiegen heuer von der 2. in die 3. Liga ab. So findet nun Wolfsburg neuerlich die Chance vor, die Klasse im Zuge von zwei Relegations-Duellen mit dem Dritten der 2. Liga zu halten. Mit Holstein Kiel trifft man jedoch auf ein Team, das als Aufsteiger die ganze Saison über vorne mit dabei war, lange Zeit sogar als Tabellenführer. Und sollte Kiel in die Bundesliga gelangen, wäre das insofern eine Novität, denn noch nie war ein Verein aus dem Bundesland Schleswig-Holstein im Deutschen Oberhaus vertreten. Der HSV blieb 2014 – gegen die SpVgg Greuther Fürth – und 2015 – gegen den Karlsruher SC – zweimal anhand der Relegation in der Bundesliga. Heuer sollte es für die Chance der Relegation sportlich nicht mehr reichen.

.. und der gesamte Hamburger Volkspark bekommen bis auf weiteres “Schmalhans Küchenmeister”-Kost der 2. Liga serviert. Beide Fotos: oepb

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

„Ich komme und gehe hin, selbst in der 2. Liga! Auch wenn es weh tut, aber wir steigen wieder auf!“, so die 81-jährige HSV-Legende Uwe Seeler unmittelbar nach Spielschluss am vergangenen Samstag. Der Hamburger Sport-Verein hat nun die wunderbare Chance, seinen Hof neu zu bestellen, seinen Haushalt zu sortieren und frohen Mutes und guter Dinge in die eigene Zukunft zu blicken. Mit Bernd Hoffmann als neuem Präsidenten und Christian Titz als Trainer kann man wahrlich wieder guter Dinge sein, dass das leckgeschlagene hanseatische Flaggschiff HSV wieder flott bekommen wird. Und selbst, wenn man sich auf St. Pauli nun über zwei anstehende Stadt-Derbys freut, so gehört ein Verein wie der HSV partout nicht in Liga 2. 55 Jahre Deutsche Bundesliga-Geschichte mit all seinen Stars, Titeln und Triumphen dürfen für diesen Verein nicht der Vergangenheit angehören. Der HSV muss schleunigst wieder ins Deutsche Oberhaus zurückkehren, denn bei aller Wertschätzung für die Konkurrenz, aber die Deutsche Fußball-Bundesliga ist mit dem Abstieg des HSV um eine große Attraktion um ein vielfaches ärmer geworden.

Quelle: Redaktion www.oepb.at

www.hsv.de

www.bundesliga.de

Back to Top