Gärten und Parks erfüllen durch den Klimawandel eine besonders wichtige ökologische Funktion und laden zu Spaziergängen, Spiel und Kontemplation ein. Die Bedeutung und Vielfalt der – teils verschwundenen oder überformten – Grünräume sowie die Entwicklung der Geschichte der Gartenkunst vom 16. bis ins 21. Jahrhundert wird im Rahmen der neuen, großen Sonderausstellung „Von Gärten und Menschen” sichtbar und erlebbar. Die Schau lädt vom 30. März bis zum 5. November 2023 zu einer prachtvollen Bilderreise in historische und zeitgenössische Gärten und Parks. Präsentiert werden zum Teil noch nie gezeigte Kostbarkeiten aus dem Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek / ÖNB sowie aktuelle Exponate aus dem Archiv der österreichischen Landschaftsarchitektur der Universität für Bodenkultur.
Die Schau „Von Gärten und Menschen“ folgt dabei nicht einer strengen Chronologie der Gartenkunst, wie sie bereits an anderen Stellen vielmals beschrieben und dargestellt wurde, sondern erzählt auch die Geschichte über die Personen, die Gärten und Parks entwerfen, besitzen, pflegen, sie erhalten, besuchen oder über sie schreiben. Parallel dazu wird die Entwicklung der Gartenkunst und Landschaftsarchitektur gezeigt und die damit verbundenen Innovationen: der französische Barockgarten, der englische Landschaftsgarten, das soziale und private Grün des 20. Jahrhunderts sowie die aktuellen Positionen der Landschaftsarchitektur im 21. Jahrhundert. Der geografische Schwerpunkt der ausgestellten Objekte liegt in Wien, erweitert um Projekte aus den Bundesländern, den ehemaligen Kronländern der Monarchie und ausgewählten anderen europäischen Ländern.
BesucherInnen erwartet eine enorme Vielfalt an ausgewählten Objekten mit hohem Schauwert, wie etwa ein Originalplan des berühmten Landschaftsarchitekten Lancelot Brown. Zu sehen sind auch viele andere Kunstwerke wie etwa wertvolle Druckgrafiken und Originalzeichnungen, ebenso Gartenpläne, seltene Werke zur Geschichte der Gärten, Fotografien bis hin zu Ansichtskarten. Sie alle verwandeln den barocken Prunksaal mit Frühlingsbeginn in einen Gartenpalast.
Die Gartenkunst in der Österreichischen Nationalbibliothek
Die Verbindung der Österreichischen Nationalbibliothek mit der historischen Gartenkunst ist über 400 Jahre alt. Sie verfügt mit der damaligen Hofbibliothek und der ehemals privaten Bibliothek der kaiserlichen Familie über einen reichen Bestand an Objekten mit hohem Schauwert. Viele Habsburger Herrscherpersönlichkeiten wie Maria Theresia, Kaiser Franz II./I. oder Maximilian von Mexiko interessierten sich leidenschaftlich für Gärten, was sich in den Beständen widerspiegelt. Für die kaiserlichen Gärten wurden bereits früh Führer mit zahlreichen Abbildungen gedruckt, die den BesucherInnen die Sehenswürdigkeiten erläuterten und als Souvenir erworben werden konnten. Ein illustrierter Führer für den Schlosspark von Schönbrunn aus 1911 ist exemplarisch ausgestellt.
Der häufig als Blumenkaiser bezeichnete Franz II./I. (1768–1835) reiste als Herrscher von Lombardo-Venetien Ende 1815 nach Padua. Im Palazzo della Ragione errichteten die Stadtväter ihm und seiner dritten Gemahlin Maria Ludovica (1787–1816) zu Ehren einen temporären achtzig Meter langen Indoor-Garten im englischen Stil. In der Sonderausstellung wird dieser Garten anhand eines Kupferstiches aus dem Jahr 1816 sichtbar. Unter Franz II./I. wurde auch der heutige Burggarten erschaffen, einer von 56 Prachtgärten in Österreich, die unter Denkmalschutz stehen. Ein kolorierter Stich nach einer Zeichnung von Lorenz Janscha vermittelt BesucherInnen der Ausstellung, wie der Burggarten zur Zeit des Blumenkaisers aussah. Erst 1919 wurde er für die breite Öffentlichkeit zugänglich.
Fotografien von Menschen im Garten
Gärten dienten schon zu Beginn des neuen Mediums Fotografie zahlreichen Aufnahmen als Motiv. Ein großformatiger und besonders aufwändiger Salzpapierabzug dokumentiert das große Festbankett im Parterre von Schloss Schönbrunn zum hundertjährigen Bestehen des Militär-Maria-Theresien Ordens am 18. Juni 1857. Bedeutende ProtagonistInnen in Wien um 1900 ließen sich gerne in ihren Gärten porträtieren, wie zahlreiche Bilder in der Ausstellung dokumentieren. Hugo von Hofmannsthal, Kolo Moser, Gustav Klimt, Max Reinhardt, Gustav Mahler und andere fanden im Garten Anregung für ihr kreatives Schaffen. In der Ausstellung sind aber auch Fotos von unbekannten Persönlichkeiten im Garten zu sehen.
Gartenansichten aus der Renaissance
In der Renaissance wird in Italien der Garten als Kunstwerk neu erfunden und dabei Anleihe an der Antike genommen. Um 1500 verband Donato Bramante das Belvedere in Rom durch Treppen und einen Terrassengarten zu einer Einheit mit dem vatikanischen Palast und schuf damit das erste Meisterwerk der modernen Gartenkunst. In der Schau gewährt ein Kupferstich aus 1602 einen Blick in diesen Garten aus der Vogelperspektive. Die italienischen Renaissancegärten fanden auch nördlich der Alpen Verbreitung. Bekannte Beispiele sind Schloss Neugebäude in Wien oder der Garten von Schloss Ambras in Tirol.
Stadtbildprägende Barockgärten von Wien und Versailles
Zwischen den beiden Gartenplänen der berühmten Schlösser Versailles und Schönbrunn liegen rund hundert Jahre. Für Schönbrunn war Versailles das große Vorbild. Der ausgestellte Plan von Israël Silvestre aus dem Jahr 1674 zeigt den französischen Königsgarten kurz nach der Fertigstellung. Er findet sich in einem Band, der aus der privaten Bibliothek von Ludwig XIV. stammt und in der Ausstellung präsentiert wird. Hofbaudirektor Gundacker Graf Althan (1665–1747), der auch für den Bau des Prunksaales der Hofbibliothek verantwortlich war, ließ sich um 1730 in der Ungargasse ein Gartenpalais errichten, das aber nur rund hundert Jahre Bestand haben sollte. Der prachtvolle Garten ist durch die Zeichnungen Salomon Kleiners dokumentiert, die in der Sonderschau zu sehen sind. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts legte der Gartenarchitekt Jean Trehet (1654–1740) im Wiener Augarten ein Broderieparterre im französischen Stil an. Diese Gartenanlage, damals an der Donau gelegen, beeindruckte durch ihre langen Alleen und Jagdsterne. 1775 wurde der Augarten von Joseph II. für das allgemeine Publikum geöffnet. Der ausgestellte Plan zeigt den Park aus dem Jahr der Öffnung.
„Fashionable” englische Landschaftsgärten in ganz Europa
Feldmarschall Franz Moritz Graf Lacy (1725–1801) schuf ab 1765 in Neuwaldegg den ersten englischen Landschaftsgarten Wiens. Das Tal des Dornbachs wurde mit Staffagebauten wie einem chinesischen Lusthaus und einem Dianatempel geschmückt. Wenige formale Elemente sind bis heute erhalten wie etwa die später so bezeichnete „Schwarzenbergallee“. Vier Kupferstiche, die Jakob Matthias Schmutzer 1782 im Auftrag des Kaiserhauses anfertigte, präsentieren aneinandergereiht ein beeindruckendes Rundumpanorama dieser Anlage und sind auf den Schautafeln zu sehen. Für Kaiserin Maria Theresias Tochter Marie Christine und ihren Gatten Herzog Albert von Sachsen-Teschen, Statthalter der Österreichischen Niederlande, wurde ab 1781 ein Landschaftsgarten rund um das Schloss Schonenberg zu Laeken bei Brüssel angelegt. Ein Entwurf für den Schlossgarten stammte vom berühmtesten englischen Landschaftsarchitekten des 18. Jahrhunderts, Lancelot „Capability“ Brown (1716–1783). Der über ein Meter lange beeindruckende Plan ist einer der Höhepunkte der Sonderausstellung. Dass es außerhalb Großbritanniens einen derartigen Gartenentwurf von Lancelot Brown gibt, ist kaum bekannt.
Gärten der klassischen Moderne bis hin zu „Urban Gardening”
Im 20. Jahrhundert wurde der Gestaltung von Privatgärten große Aufmerksamkeit gewidmet, gleichzeitig nahm die Bedeutung des öffentlichen Freiraumes in den Städten weiter zu. Der Wiener Stadtgartendirektor Friedrich Kratochwjle strebte im Roten Wien die größtmögliche Versorgung der Stadt mit öffentlichem Grün an. Albert Esch (1883–1954), einer der bekanntesten Landschaftsarchitekten der Zwischenkriegszeit, realisierte zahlreiche Privatgärten. Eine von Esch gezeichnete Ansicht des Gartens für die Villa des Wiener Stadtbaumeisters Dr. Karl Schmidt wurde das Sujet der Sonderausstellung. Der vielseitige ökologische und soziale Nutzen von Gärten und Parks rückt im 21. Jahrhundert in den Fokus der Landschaftsarchitektur und die Nachhaltigkeit in der Grünraumgestaltung steht wieder stärker im Vordergrund. Die Entwicklung neuer Gärten und Parks erfolgt sehr oft unter Einbindung und Beteiligung der Bevölkerung, in der das urbane Gärtnern populär ist und von den Stadtverwaltungen gefördert wird.
AuftraggeberInnen, GartenkünstlerInnen, GärtnerInnen und NutzerInnen
Über einen sehr langen Zeitraum waren die AuftraggeberInnen und BesitzerInnen von Gärten ausschließlich Angehörige des Adels und des Klerus. Erst nach der französischen Revolution, die die Vorherrschaft des Adels aufbrach, erweiterte sich der Kreis von Personen, die einen privaten Garten ihr Eigen nennen, stetig. Es werden daher auch EigentümerInnen von Gärten in der Schau präsentiert, ebenso wie die bedeutendsten GartenkünstlerInnen des 19. und LandschaftsarchitektInnen des 20. Jahrhunderts wie beispielsweise Ludwig von Welden (1782–1853), Gestalter der Parkanlagen am Grazer Schlossberg oder Ferdinand Maly, der den Prager Stadtpark erschuf und später Leiter der Gärten der Stadt Wien wurde. Der Enthusiasmus von Garten- und BlumenfreundInnen stieß bereits 1709 auf Unverständnis. Ein sogenanntes „Narrenbuch“, das Abraham a Sancta Clara (1644–1709) zugeschrieben wird und auch in der Schau besichtigt werden kann, macht sich über jene lustig, die Unsummen für Pomeranzenbäume ausgeben. Abbildungen von GärtnerInnen und ihren Werkzeugen – von der Barockzeit bis in die Neuzeit – ergänzen das Spektrum der AkteurInnen von Gärten und Parks.
Gartenkunst in Büchern
Als „Bibel“ der barocken Gartenkunst gilt „La théorie et la pratique du jardinage“ des französischen Gelehrten Antoine-Joseph Dezallier d’Argenville (1680–1765). Erstmals 1709 erschienen, erlebte dieses Lehrbuch im 18. Jahrhundert zahlreiche Neuauflagen. Kein Gartenarchitekt von Ansehen konnte darauf verzichten. Das Werk enthält zahlreiche Stiche zur Anlage von Lustgärten. In der Ausstellung ist daraus ein Idealentwurf für ein Gartenparterre zu sehen. Es sind außerdem zahlreiche, weitere wichtige Namen und Werke vertreten wie beispielsweise der Gartenreformer Leberecht Migge (1881-1935), der um 1914 mit „Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“ frühe ökologische und soziale Ansätze vertrat, Selbstversorgergärten propagierte und als erster das Adjektiv „grün“ als Synonym für biologisch und umweltfreundlich verwendete.
Literatur und Garten
Der Garten zählt zu den literarischen Hauptmotiven und spielt seit jeher eine wichtige Rolle als Ort der Dichtung und dient als Quelle für Inspirationen. In der Sonderausstellung sind einige Exemplare namhafter LiteratInnen zu sehen. So etwa ein berühmtes Beispiel für die Literarisierung des Gartens in Jean Jaques Rousseaus (1712–1778) Briefroman „Julie ou la Nouvelle Héloïse“ (1761). Die Literatur der Wiener Moderne interessiert sich hingegen für die Ambivalenz des Gartens als „Kunstnatur“, so Robert Musil (1880–1942), und die Musil-Leserin Ingeborg Bachmann (1926–1973) verarbeitet im Gedicht „Nord und Süd“ Geschlechterverhältnisse anhand eines Gartenmotivs. Sprachexperimentell behandelt der Wiener Lautpoet Ernst Jandl (1925–2000) Gartenschauplätze in Gedichten wie „da ist ein garten“ (1970). Bis heute ist die Faszination Garten im Kontext der Literatur ungebrochen.
Ausstellungsinformationen
Von Gärten und Menschen. Gestaltete Natur, Kunst und Landschaftsarchitektur
Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1010 Wien
Kuratiert von Univ.-Prof. DI Lilli Lička und Mag. Christian Maryška
30. März – 5. November 2023
Di–So: 10–18 Uhr, Do: 10–21 Uhr
Juni, Juli, August und September zusätzlich Mo: 10–18 Uhr
Eintritt: € 10,– / Ermäßigungen
Freier Eintritt für alle unter 19 Jahren
Führung: € 4,50
Ausstellungskatalog: € 29,90
www.facebook.com/nationalbibliothek
Quelle: Österreichische Nationalbibliothek / ÖNB
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