Auch beinahe acht Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist in Österreich noch nicht geklärt, wie mit den physischen Relikten des Nationalsozialismus umzugehen ist. Das neue Buch Ver/störende Orte. Zum Umgang mit NS-kontaminierten Gebäuden, herausgegeben von einem Team renommierter Fachexpert*innen, bietet einen facettenreichen Einblick in die komplexen Herausforderungen.

Das Haus der Geschichte Österreich / hdgö setzt sich in Ausstellungen und Vermittlungsprogrammen laufend mit den Themen Nationalsozialismus, Antisemitismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auseinander. Das Museum thematisiert auch vielfach Fragen der Erinnerungskultur – insbesondere auch vor dem Hintergrund seines Standortes am symbolisch dichten Heldenplatz und der räumlichen Nähe zum Altan der Hofburg. 

Vom Altan aus hielt Adolf Hitler 1938 die „Anschluss-Rede“. Sie wurde – international rezipiert – zu einem Symbol für den ersten Schritt der NS-Expansionspolitik und war innerhalb Österreichs ein ambivalentes Signal: Einerseits für die – von vielen begrüßte –Machtübernahme, gleichzeitig für die NS-Terrorherrschaft. Mittlerweile ist der Altan der Neuen Burg „die Ikone der österreichischen Mitverantwortung“ (Zeithistorikerin Heidemarie Uhl), die Österreich viel zu spät eingestand. Seit seiner Eröffnung regt das Zeitgeschichte-Museum einen neuen Umgang mit diesem „kontaminierten“, aber auch tabuisierten Ort an.

In Kooperation mit der Universität Innsbruck und der Kunstuniversität Linz fanden Ende 2021 zwei Tagungen zu solchen „ver/störenden Orten“ in Österreich und darüber hinaus statt, die den Grundstein für eine interdisziplinäre Auseinandersetzung legten. Nun erschien ein Buch, das sich aus verschiedenen Perspektiven der Frage widmet: Wie mit dem (un)sichtbar belastenden Erbe umgehen?  Präsentiert wurde der Band am 23. Jänner 2024 bei einer Diskussionsveranstaltung im hdgö. 
 
„Wir laden zu dieser Auseinandersetzung ein, denn das Ende der Zeitzeugenschaft naht. Damit kommt den steinernen Zeugen eine neue Aufgabe und Verantwortung zu. An vielen Orten – in Österreich und international – wird von der ‚Generation Memory‘ darüber diskutiert, wie mit diesen durch die NS-Geschichte belasteten Bauwerken sieben Jahrzehnte nach Kriegsende umzugehen ist. Kommendes Jahr feiert die Zweite Republik ihr 80jähriges Jubiläum – ein guter Zeitpunkt, um vielerorts Diskussionen über neue sichtbare Zeichen in konkretes Tun überzuführen“, sagt hdgö-Direktorin Monika Sommer

Neu im Vermittlungsprogramm des hdgö ist die Fokusführung „Der Altan der Neuen Burg“. Sie thematisiert und diskutiert mit der Öffentlichkeit einen dieser NS- belasteten Orte.  Beleuchtet werden die Geschichte und Gegenwart des Altans/„Hitler-Balkons“, der exemplarisch für die Geschichte der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit Österreichs steht. Die erste Führung findet am 25. Jänner 2024 um 18 Uhr statt.

Einblicke und Perspektiven

Die Publikation „Ver/störende Orte. Zum Umgang mit NS-kontaminierten Gebäuden“ erschien im Mandelbaum Verlag und enthält interessante Beiträge von Historiker*innen, Architekt*innen und Künstler*innen. Der Band versammelt Texte, Interviews sowie künstlerische Interventionen, die nationale und internationale Beispiele des Umgangs mit diesen Orten beleuchten. Er geht kritischen Fragen nach, die sich aus der aktuellen und zukünftigen Rolle von Gebäuden ergeben, die durch ihre Errichtung in der NS-Zeit oder durch bestimmte Ereignisse in dieser Zeit belastet sind.


Freier Eintritt am Holocaust-Gedenktag


Am 27. Jänner 2024 ist der Eintritt ins hdgö anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages frei. Um 14.00 Uhr findet eine Schwerpunktführung im hdgö zum Thema statt.

Quelle: Haus der Geschichte Österreich / HdGÖ

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Das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ)  

Das Haus der Geschichte Österreich ist das erste zeitgeschichtliche Museum der Republik und organisatorisch an die Österreichische Nationalbibliothek angebunden. Angesiedelt am geschichtsträchtigen Heldenplatz in der Neuen Burg, bietet das HdGÖ in seinen Ausstellungen Einblicke in die wichtigsten politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts bis ins Heute. Außergewöhnliche Objekte, teils noch nie gezeigte Dokumente und interaktive Medienstationen machen Zeitgeschichte für Klein und Groß erlebbar – in historischen Räumen mit zeitgemäßer Architektur und Gestaltung.  Viele Fragen und Themen der österreichischen Zeitgeschichte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft werden in Themenführungen, Workshops und Veranstaltungen diskutiert. Für alle, die unterwegs oder zu Hause neugierig auf Geschichte sind: Eigene Web-Ausstellungen, aktuelle Schwerpunktthemen und interaktive Bildersammlungen bieten unter www.hdgoe.at immer wieder Neues aus der Vergangenheit.

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