Die Gastgeber des Instituts für Versicherungswirtschaft, Vorsitzender und Generaldirektor der Oberösterreichischen Versicherung Othmar Nagl (links) und Generalsekretär Martin Berger (rechts) freuten sich über die Vorträge und interessante Diskussionen mit den Branchenexperten Susanne Hofer (Versicherungsverband Österreich) und Dieter Pscheidl (VIG). Foto: © Institut für Versicherungswirtschaft

Das Institut für Versicherungswirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz widmet die diesjährige Herbstveranstaltung dem Thema „Die Zukunft des Vertriebes in der Lebensversicherung“. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Retail Investment Strategy, auch bekannt unter dem Namen EU-Kleinanlegerstrategie.

Mit Susanne Hofer (Internationale Angelegenheiten Versicherungsverband Österreich) und Dieter Pscheidl, Head of European-Affairs bei der Vienna Insurance Group, befassen sich zwei hochqualifizierte Branchenvertreter in ihren Vorträgen mit dem Kommissionsentwurf und der Lage in Europa. Sie gehen dabei auf die Herausforderungen der Versicherungswirtschaft, insbesondere auf den Vertrieb von Kapitalanlageprodukten ein.

„Neben dem „partiellen“ Provisionsverbot für unabhängige Beratung sind im Kommissionsentwurf auch Bestimmungen zur Offenlegung, dem elektronischen Vertrieb, der Produktentwicklung, Marketingkommunikation, Informationspflichten, sowie ein nachgeschärfter Best-Interest-Ansatz enthalten“, erklärt Gastgeber Othmar Nagl, Vorsitzender des Instituts und Generaldirektor der Oberösterreichischen Versicherung.

Und weiter: „Provisionen sind in Österreich ein bewährtes System, um Beratungs- und Vertriebsleistungen zu vergüten. Verrechnet werden diese durch den Produkthersteller über die Kosten. Da die Kosten im Produktpreis den Kunden weiterverrechnet werden, bezahlen im Ergebnis die Kunden Beratungs- und Vertriebsleistungen des Vertreibers.“

Experten sind sich einig: Überbordende Regulierung gefährdet Produktvielfalt

Viele Experten, national wie international, haben sich in den vergangenen Monaten intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Einer der Vortragenden der Herbstveranstaltung des Instituts für Versicherungswirtschaft, Dieter Pscheidl, bringt seinen Ansatz folgendermaßen auf den Punkt: „Sozial verträgliche Beratung bringt Privatanleger zum Kapitalmarkt – nicht zentrale EU-Produktregulierung.“ 

Susanne Hofer formuliert ihre Aspekte noch deutlicher: „Das Legislativpaket zur „Retail Investment Strategy“ (RIS) beinhaltet Vorschläge, die das Angebot und die Gestaltung von Lebensversicherungsprodukten überbordend regulieren. Sollte das RIS-Paket in der derzeitigen Form beschlossen werden, würde dies zu einer erheblichen Schwächung der privaten Altersvorsorge und der individuellen Absicherung führen. Selbst die angedachten partiellen Verbote von provisionsbasierter Beratung hätten u.a. disruptive Folgen für den flächendeckenden bzw. niederschwelligen Zugang der Konsument:innen zu Beratung, Finanzbildung und Versicherungsschutz. Überregulierung und Markteingriffe, wie die Einführung von indirekten Preisdeckeln, sowie durch Einheitsprodukte laufen der Produktvielfalt und den Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes zuwider. Zudem schwächt Überregulierung den Wirtschaftsfaktor „Versicherung“ und gefährdet das Potential, einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Transformation zu leisten.“

Auch der Generalsekretär des Versicherungsinstituts, Martin Berger, ist der Ansicht, dass es eine höchst qualifizierte und unabhängige Beratung braucht, um als Kleinanleger in der Kapitalveranlagung vernünftige Entscheidungen treffen zu können. „Durch Preis- beziehungsweise Kostendeckel und Provisionsverbote wird der Markt auf wenige Vertreiber und Produkte eingeschränkt“, zeigt Berger die Gefahr eines Provisionsverbotes auf. Zudem ist bei sogenannten „Pull-Products“, zu denen auch die Kapitalanlageprodukte gehören, die Bereitschaft von Anlegern gering, für Beratung Honorare unabhängig vom Abschluss zu bezahlen. „Es ist zu befürchten, dass die „Beratung“ auf unregulierte und nicht steuerbare Medien verlagert wird, und Kleinanleger auf Basis dieser kostenfreien Meinungsbildung in sozialen Netzwerken ihre Kapitalanlageentscheidungen treffen“, so Berger weiter. Unser Provisionssystem mag unvollkommen sein und Potential zur Optimierung haben, ein Provisionsverbot als einziges Heilmittel zur Fehlerbehebung scheint zu kurz gedacht. Zudem ist das Ziel der Förderung von Veranlagungen im europäischen Kapitalmarkt durch Kleinanleger mit einem Umstieg auf Honorarberatung nicht sicher erreicht, wie auch die Geschichte Großbritanniens zeigt.

Das Institut für Versicherungswirtschaft

Das Institut für Versicherungswirtschaft an der Johannes Kepler Universität in Linz besteht seit 1982 und versteht sich als Schnittstelle zwischen universitärer Forschung und der Versicherungswirtschaft in der Praxis. Die Hauptaufgabe besteht zum einen in der Verbesserung und Versachlichung der Beziehung zwischen der Versicherungswirtschaft und ihrer Umwelt. Im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen werden aktuelle Fragestellungen aus der Versicherungswirtschaft aus Sicht der Versicherungsnehmer auf der einen und der Unternehmen auf der anderen Seite erörtert und Lösungsansätze erarbeitet.

Als zweite wichtige Säule hat sich das Institut seit seiner Gründung vor nunmehr über 40 Jahren die qualifizierte Aus- und Weiterbildung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Versicherungswirtschaft zur Aufgabe gemacht. Ziel ist es, die Beratungsqualität gegenüber dem Kunden nachhaltig zu steigern. Bereits 18 Universitätslehrgänge für Versicherungswirtschaft wurden abgeschlossen.

Schließlich gilt es die unabhängige Forschung und Lehre auf dem Gebiet des Versicherungswesens zu fördern. Dabei arbeiten renommierte Linzer Professoren, wie etwa o Univ.-Prof. Dr. Helmut Pernsteiner oder Univ.-Prof. Mag.  Dr. Andreas Riedler im Vorstand des Instituts mit. 

https://ivw-jku.at/

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