Vor 80 Jahren, Ende Jänner 1943, tobte als wahrhaftes „Grauen der Geschichte” der wohl hässlichste Kampf des Zweiten Weltkrieges – die Schlacht um Stalingrad. Im Bild Infanteristen auf einem Dach während der Kämpfe um Stalingrad. Foto: Allg. Deutscher Nachrichtendienst. Zigtausend Soldaten verloren dabei ihr noch junges Leben. Dies sollte Grund, aber auch Mahnung genug sein, dieser Männer – auf beiden Seiten hinter der Frontlinie – ehrenvoll zu gedenken …

Anno 1941 stand man im dritten Kriegsjahr. Der „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler sah sich nach den anfänglichen Blitzsiegen gegen Polen und Frankreich weiter am militärischen Olymp und befahl das „Unternehmen Barbarossa“. Am 22. Juni begann der Russland-Feldzug. Heute streiten sich die Historiker darüber, ob Hitler der Roten Armee der UdSSR zuvorkommen wollte, denn es hielt sich das hartnäckige Gerücht, der sowjetische Diktator Josef Stalin wolle über Europa hinwegbrausen, den Weg zum Atlantik finden, um sich in späterer Folge militärisch mit den USA zu messen.

In der deutschen Reichshauptstadt Berlin schien alles Eitel und Wonne zu sein. Im Olympiastadion, fünf Jahre nach der Austragung der Olympischen Spiele 1936, traf der FC Schalke 04 auf den SK Rapid Wien. Es war dies das Endspiel um die Deutsche Fußball-Meisterschaft und die Knappen aus Gelsenkirchen waren damals in sportlicher Hinsicht das Maß aller Dinge. Die Wiener galten als krasse Außenseiter. Schalke führte zur Halbzeit erwartungsgemäß mit 2 : 0, nach 57 Minuten sogar mit 3 : 0. Doch nun schlug die große Stunde des Franz „Bimbo“ Binder. Der schlaksige, baumlange St. Pöltener scorte anhand von zwei Freistößen und einem Elfmeter, nachdem Georg Schors zuvor das 1 : 3 erzielen konnte. Rapid drehte in nur 10 Minuten das Spiel, siegte mit 4 : 3 und 100.000 Zuschauer waren begeistert. Der Schalker Kreisel wurde an jenem Tag von den Hütteldorfer Kanonieren gehörig schwindelig gespielt und die „Viktoria“, die Trophäe für den Titel, wanderte nach Wien. Der Führer Adolf Hitler hatte somit seinen Meister aus dem Gau Ostmark. In all diese Jubelmeldungen hinein fiel auch die Tatsache, dass der Russland-Feldzug, der „Fall Barbarossa“ just an jenem Tag gestartet wurde.

Allensteig im niederösterreichischen Waldviertel galt seit jeher als Kältepol. Hier wurden bereits im Vorfeld große Teile der österreichischen Truppen aus dem Gau Ostmark in der Deutschen Wehrmacht auf den russischen Winter eingeschworen. Dazu war es vonnöten, ganze Ortschaften samt der Bevölkerung abzusiedeln und die Häuser und Kirchen einzureißen oder gleich zu planieren. Man übersah dabei völlig, dass sich am russischen Winter und der Gier nach der dortigen Kornkammer bereits der französische Revolutionär Napoleon Bonaparte im Jahre 1812 geradezu die Glieder abfror. Daran dachte im Juni 1941 naturgemäß niemand. Und so überschritten 150 Deutsche Divisionen in einem überfallsartigen Angriff und ohne jedwede Kriegserklärung die Grenze zur Sowjetunion. Die Parole lautete, in einem Blitzkrieg die Rote Armee noch vor Einbruch des Winters vernichtend zu schlagen. Hitlers Ziele gingen dahingehend, den ihm verhassten Bolschewismus den Gar auszumachen und Deutschen Lebensraum nach Osten hin zu erweitern. Er wollte die Sowjetunion militärisch zerstören und als eine spätere Kolonie des Deutschen Reiches sehen, sein Ziel waren auch die Bodenschätze wie Öl, Manganerze und Getreide. Und so befahl er, den Krieg mit äußerster Härte zu führen.

Für die sowjetische Regierung erfolgte der Angriff zu diesem Zeitpunkt überraschend, wenngleich man Kenntnis von den Deutschen Kriegsvorbereitungen hatte. Die Rote Armee schien überrumpelt, zog sich immer weiter zurück und überließ den deutschen Truppen Teile des Baltikums und die Stadt Leningrad. Der deutschen Offensive wurde jedoch im Dezember vor Moskau vehementer Einhalt geboten.

Gefangene Soldaten am Weg in die Kriegsgefangenschaft. Foto: Allg. Deutscher Nachrichtendienst

Der Vormarsch der Wehrmacht kam jäh zum Erliegen. Am 5. Dezember 1941 setzte die Rote Armee zur Gegenoffensive an. Zunächst wurde der linke Flügel der Heeresgruppe Mitte angegriffen, tags darauf der rechte Flügel. Die deutschen Truppen hatten keine Reserven mehr und musste sich zurückziehen. Als einzige sichere Stellung diente die Düna-Dnjepr-Linie, was jedoch einen Rückzug von 500 Kilometern bedeutete. Die Russen waren im Vorteil, sie kannten das Gelände. Die Deutschen kamen nur sehr mühsam voran, Schlamm und Morast im Herbst, sowie darauffolgender Schnee und eisige Kälte wurden zu erbitterten Feinden. „General Winter“ war unbesiegbar. Neben dem Verlust von zahlreichem Material fielen auch unzählige Soldaten im Nahkampf. Mit dem Beginn der sowjetischen Gegenoffensive an der Kalininfront war das Unternehmen Barbaraossa so gut wie gescheitert. Das deutsche Ostheer war auf den russischen Winter viel zu wenig vorbereitet. Zu allem Überfluss erfolgte am 11. Dezember 1941 auch noch die Kriegserklärung an die USA. Die Deutsche Wehrmacht kämpften nun in alle Himmelsrichtungen und an allen Fronten. Der Anfang vom größenwahnsinnigen Ende des deutsch-österreichischen Diktators aus Braunau am Inn war vorprogrammiert …

Am 23. Juli 1942 gab Adolf Hitler als „Weisung Nr. 45“ bekannt, nach der die Deutschen Truppen nicht nacheinander, sondern gleichzeitig gen Stalingrad und zum Kaukasus hin vorstoßen, sowie dabei Leningrad erobern sollten. Die Streitkräfte wurden demnach gesplittet – ein verhängnisvoller Umstand. Der Schuss ging nach hinten los, am 19. November 1942 startete die sowjetische Gegenoffensive mit intensivem Beschuss und schnellen Panzerangriffen. Drei Tage später schloss die Rote Armee den Ring um Stalingrad, die 6. Armee war mit über 200.000 Mann unter Generaloberst Friedrich Paulus eingeschlossen. Am 24. November lehnte Hitler die von Paulus zwecks Ausbruchs aus dem Kessel von Stalingrad erbetene Handlungsfreiheit kategorisch ab, im Gegenteil, sein Befehl lautete: „Ausharren und einigeln“. Der Offizier und General (Paulus) zog gegen den Chargen-Gefreiten (Hitler) militärisch betrachtet den Kürzeren. Reichsfeldmarschall Hermann Göring sicherte die Versorgung der 6. Armee durch die Deutsche Luftwaffe zu.

Die strategische Bedeutung Stalingrads ging bereits im Herbst 1942 verloren. Die von Adolf Hitler als kriegsentscheidende Eroberung der Ölfelder von Baku war nicht mehr durchzuführen, sodass die Begradigung des Frontverlaufs das Ziel der Deutschen Armee hätte sein müssen. Stattdessen zwangen die Befehle die 6. Armee zum Ausharren vor Stalingrad. Die Luftbrücke von Göring funktionierte äußerst schleppend, sodass Ende 1942 die ersten deutschen Soldaten verhungerten, oder aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung anhand der im Kampf erlittenen Verletzungen verstarben.

Ruine einer Werkhalle des Stahlwerks „Roter Oktober”. Foto: Zelma/RIA Novosti Archive

Kurz keimte Hoffnung auf, als das „Unternehmen Wintergewitter“ aufzog. Am 12. Dezember 1942 startete Generalfeldmarschall Erich von Manstein einen Entlastungsangriff, doch wurde die Heeresgruppe Don durch eine sowjetische Gegenoffensive am 24. Dezember zurückgeschlagen. Der eingeschlossene Paulus unternahm keinen Ausbruchsversuch aus dem Kessel, um sich dem Befehl Hitlers nicht zu widersetzen.

Die blutigen Kämpfe um die Stadt Stalingrad jedoch tobten weiter, ehe am 31. Jänner 1943 der am gleichen Tag von Adolf Hitler zum Generalfeldmarschall ernannte Friedrich Paulus und mit ihm die 6. Armee kapitulierte. Hitler dachte, Paulus hätte sich gefälligst erschießen müssen und dürfe nicht in Kriegsgefangenschaft gehen. Der nunmehrige Generalfeldmarschall entschied sich jedoch anders und stimmte der militärischen Niederlage zu.

Zu Buche steht eine Bilanz des Grauens, die den Ruf nach „Nie wieder Krieg” einmal mehr verdeutlichen sollte.

Und so stehen heute folgende niederschmetternde Zahlen zu Buche

Die Stadt Stalingrad wurde während der Kämpfe beinahe völlig zerstört. 46.000 Zivilisten kamen in der knapp halbjährigen Schlacht ums Leben. 64.000 Menschen wurden von den Deutschen zur Zwangsarbeit verschleppt. Die russischen Sieger sprachen von 146.300 Wehrmachts-Verlusten auf Deutscher und 46.700 Rote Armee-Verlusten auf russischer Seite. Die deutsche Luftwaffe büßte 8.000 Mann ein. In russische Kriegsgefangenschaft begaben sich knapp 100.000 Mann, von denen bis weit in die 1950er Jahre hinein lediglich 6.000 wieder in die alte Heimat zurückkehren sollten. Wer die Schlacht überlebt hatte, kam ob kaum vorhandener Medizin-Versorgung oder aufgrund von großer Hungersnot in der Gefangenschaft ums Leben …

Zeitzeuge Karl Kischa im Jahre 1983 anhand eines oepb-Interviews.

Dazu der Drogist und Zeitzeuge Karl Kischa (* 1914 im Herzogtum Teschen, † 1992 in Linz / Donau) in einem oepb-Interview vom Jänner 1983: „Wir lagen, nachdem unsere Einheit knapp vor Stalingrad komplett aufgerieben wurde, verletzt im Feld-Lazarett. Meine Kameraden und ich, wir waren nach einem Granaten-Angriff so schwer verwundet worden, dass wir an unsere Feldbetten gefesselt waren und uns nicht mehr bewegen konnten. Immer wieder brausten russische Kampfflieger über uns hinweg. Wir wetteten, ob uns eine Bombe komplett auslöscht, oder ob das Rote Kreuz-Symbol am Zelt-Dach ausreicht, dass man uns verschont. Der Krieg in Russland war so unmenschlich geworden, dass man auch Feld-Lazarette nicht mehr verschonte und bombardierte. Wir hatten Glück und blieben am Leben. Mit einer der letzten Maschinen wurde ich aus dem Kessel von Stalingrad als „schwerst verwundet“ ausgeflogen. Diese Zeit prägte mich für mein ganzes späteres Leben. Wenn man mit dem Leben abgeschlossen hat und man mit jedem Fliegerangriff nur mehr beten kann, weil man völlig wehr- und hilflos ist, dann ist das auch heute noch, 40 Jahre später, nicht in Worte zu fassen.“

Dem Gefallen und unbekannten Soldaten gewidmet

Sie liegen im Westen und Osten, sie liegen in aller Welt, und ihre Helme verrosten und Kreuz und Hügel zerfällt.

Sie liegen verscharrt und versunken, im Massengrab und im Meer, aber es leben Halunken, die ziehen noch über sie her.

Heut tobt man mit frechem Gebaren durch Flitter und Lüge und Glanz. Sie fielen mit achtzehn Jahren in einem anderen Tanz.

Sie waren nicht ausgezogen um Beute und schnöden Gewinn, was heute verlacht und verlogen, es hatte für sie einen Sinn.

Sie hatten ihr junges Leben nicht weniger lieb – als die, die heut höhnen: Es hinzugeben sei reine Idiotie.

Sie konnten nicht demonstrieren: Mehr Freizeit bei höherem Lohn. Sie mussten ins Feld marschieren, der Vater, der Bruder, der Sohn.

Sie gingen die Heimat zu schützen und haben allem entsagt. Was kann uns der Einsatz denn nützen? Hat keiner von ihnen gefragt.

Sie haben ihr Leben und Sterben dem Vaterland geweiht. Und wussten nicht welchen Erben – und welcher Erbärmlichkeit.

(von Paul Beuthe)

Die Erinnerung an diese dunklen Jahre sollte nicht in Vergessenheit geraten – umso mehr, da das Wissen um die Geschichte das Verhindern von bereits Passiertem nicht wiederholen lassen sollte. Die Auslöser der beiden Weltkriege im vergangenen Jahrhundert in Europa, die Verschiebung der Grenzen, die Vertreibung und das Abschlachten ganzer Völker, sollte uns allen als Mahnung dienlich sein. Das Gespräch untereinander und die ausgestreckte Hand zueinander war und ist seit jeher ein Gebot der Stunde. Lernen wir alle daraus!

Philipp Stuber aus Wien, nach dem Krieg im deutschen Duisburg in Nordrhein-Westfalen lebend, war Angehöriger der 6. Armee. Sammlung: oepb

Im Film Stalingrad gelang es Joseph Vilsmaier im Jahre 1993 sehr wahrheitsgetreu und eindrucksvoll, die seinerzeitigen Geschehnisse für die Nachwelt aufzubereiten. Aber auch Soweit die Füße tragen ist ein Film nach dem gleichnamigen Roman, der an das Leben in russischer Kriegsgefangenschaft erinnert und sich mit den Ausbruchs- und Fluchtgedanken der Häftlinge beschäftigt.

Quelle: Redaktion www.oepb.at

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