Herr Manfred Kuthan„Herr Kuthan ist am RAPID-Platz …“

22. Spieltag / 9. Feber 2014 / tipp3-Bundesliga powered by T-Mobile / Ing. Gerhard Hanappi-Stadion, 17.500 Zuschauer

… so die Aussage in grauer Vorzeit einen Herrn in Hut und Mantel betreffend, wenn dieser nicht zu Hause in der Goldschlagstraße Nr. 53 im 15. Wiener Gemeindebezirk anlässlich eines Familien-Tratsches bei Kaffee und Kuchen anzutreffen war. Herr Kuthan reiste stets mit der Elektrischen (Tramway) an und bevölkerte damals, wie so viele seiner Zunft, die zahlreichen Sportplätze in Wien anlässlich der noch zahlreicheren Fußball-Vergleichskämpfe zwischen den einzelnen Bezirken. Herr Kuthan schwärmte für RAPID, zollte aber auch dem jeweiligen Gegner, allen voran den Amateuren, spätere Austria Wien, stets Respekt und Anerkennung. Herr Kuthan, dessen Vorname Manfred war – übrigens weder verwandt noch verschwägert mit Richard Kuthan, dem Kapitän im allerersten Meisterschaftsjahr RAPIDs Anno 1911/12 – war treu und hielt Grün-Weiß jahrzehntelang die Treue …

Ganze Arbeit leisteten die RAPID-Fans im Vorfeld des 308. Wiener Derbys, um ihr Stadion in komplett grün-weißes Tuch zu hüllen. Foto: GEPA
Ganze Arbeit leisteten die RAPID-Fans im Vorfeld des 308. Wiener Derbys, um ihr Stadion in komplett grün-weißes Tuch zu hüllen. Foto: GEPA

Nach elendslangen Jahren entschied man sich wieder einmal, das „Eiserne Pferd“ zu bemühen und mit dem Zug gen Osten der Republik zu reisen. War die Anreise in früheren Jahren stets von längerer Dauer – die Westbahnstrecke war noch nicht im jetzigen Zustand ausgebaut, als auch Linz lag von Wien naturgemäß weiter entfernt, denn derzeit St. Pölten – so dauerte der Schienen-Trip gestern geschlagene 23 Minuten, trieb doch der Triebfahrzeugführer seinen schlangenartigen Stahlkoloss auf 180 km/h Höchstgeschwindigkeit hoch. Nach zahlreichen rappelzappel-düsteren Tunnels erblickte die Westbahn kurz vor Wien-Auhof wieder das trübe Winter-Licht des Montas Februar und bremste heroisch ab, als der Bahnsteig Hütteldorf-Hacking immer näher rückte. Aufgrund des anstehenden 308. Wiener Stadt-Derbys zwischen RAPID und Austria – und dem eigentlichen Grund dieser Schilderung – war naturgemäß viel Betrieb auf dem nach wie vor an die Kaiser-Zeit gemahnenden Vorstadt-Bahnhof Wiens. Gesellten sich beispielsweise noch in den 1970er bis 90er Jahren beide Parteien quasi einträchtig von der U-Bahnlinie 4 kommend in Richtung Stadion, so war gestern kein einziger Rivale der Wiener Violetten zu Gesicht zu bekommen. Seit gut 10 Jahren ist es in Mode gekommen, gemeinsam im Tross anzureisen und quasi im Herdentrieb aufzutreten. Die Polizei hat alle Hände und Füße voll zu tun, wenn die Violetten in Ober-St. Veit – in etwa an jenem Standort übrigens, an dem sie über den Wien-Fluß querend selbst vor 90 Jahren ihre Heimspiele austrugen, die Veilchen verließen Wien-Hietzing im Jahre 1932 – aus den Silberpfeilen der Wiener Linien kraxeln und via Linke Wienzeile und kurzfristig gesperrter Westausfahrt in Richtung Stadion ziehen.

Die Violetten gaben kurz vor Anpfiff zur zweiten Hälfte dem Kick die besonders helle Note, ihrem Team ging aber leider kein Licht mehr auf. Foto: GEPA
Die Violetten gaben kurz vor Anpfiff zur zweiten Hälfte dem Kick die besonders helle Note, ihrem Team ging aber leider kein Licht mehr auf. Foto: GEPA

Man erklomm demnach die alten Stufen hinauf in Richtung Ausgang Bahnhof Wien-Hütteldorf. Rechter Hand der Stiege geht einem nun eine Rolltreppe „zur Hand“ – die gab es beispielsweise 1996 und der bis dato letztmals hier geschilderten Anreise-Variante noch nicht – und auch die Kopf-Einzieh-Aktionen ob zahlreicher herabfallender Bier-Dosen und Flaschen von wartenden RAPID-Anhängern auf ihre Gegner gab es mangels Konkurrenz schlichtweg nicht mehr, wenngleich die Leute, die dazu imstande waren, nach wie vor in ihrem Grätzel herumstreunen. Der FC Linz (vormals SK VÖEST) erreichte am 24. August 1996 bei RAPID ein respektables 0 : 0, die Abwehr, gut organisiert von Manfred Zsak rührte Stahlbeton an und selbst Dietmar Kühbauer konnte Teufelskerl Zeljko Pavlovic im Kasten der ehemals Linzer Werksportler anhand eines Pentalys nicht bezwingen.

Man suchte linker Hand das Bahnhofs-Tschoch, welches dereinst oftmals besucht wurde, wenngleich dieses wohl auch im Laufe der Jahre den Weg des Irdischen gegangen war – und auch ist. Draussen am Vorplatz, in Blickrichtung Keißlergasse, Ecke Bahnhofstraße, gab es das „Fanshop Strobl“ Fan-Standl mit den diversen Fan-Devotionalien auch nicht mehr. So ging der Weg gedankenverloren per pedes weiter in Richtung Weststadion, pardon, Anno 1981 wurde das Areal in Ing. Gerhard Hanappi-Stadion nach seinem Gründer und Erbauer, umgetauft. Dort war bereits alles irgendwie abgesperrt und verbarrikadiert, da es in der Jetzt-Zeit zur absolut unpassenden Mode geworden war, ankommende Mannschafts-Busse der jeweiligen Gegner mit allem möglichen bewerfen zu müssen. Als der Austria-Bus sich seinen Weg durch das aufgestellt Polizei-Spalier bahnte, war die Aufregung bei den Grünen naturgemäß groß, lautstarke “Freundlichkeiten” verließen zahlreiche Kehlen. Dieser Bahöl ging weiter, als, eingehüllt in Violett-Weiße Rauchschwaden, der Feind, gut abgeschirmt von zahlreichem Freund und Helfer entlang der Deutschordenstraße in Richtung Ost-Block-Eingang daher zog. Als die Nebelschwaden samt darin befindlichen Austria-Anhängern abgewindet waren, beruhigte man sich allerorts wieder, war ja doch Sonntag, der Tag des Herrn, und es begab sich jedweder auf seine Plätze.

"I bin hoit ganz allaa ..." sang dereinst Johann K. Und anstatt den nunmehrigen sky-Experten und RAPID-Goaleador a.D. Hans Krankl mit "Hansee"-Sprechchören zu feiern, gilt der gesamte Elan den Hasstriaden gegenüber dem Gast. Gastfreundschaft sieht im Fußballsport eben anders aus. Foto: GEPA
I bin hoit ganz allaa …” sang dereinst Johann K. Und anstatt den nunmehrigen sky-Experten und RAPID-Goaleador a.D. Hans Krankl mit “Hansee”-Sprechchören zu feiern, gilt der gesamte Elan den Hasstriaden gegenüber dem Gast. Gastfreundschaft sieht im Fußballsport eben anders aus. Foto: GEPA

Das gute alte Hanappi-Stadion, eröffnet 1976 mit dem Schülerliga-Finale, gleicht einer riesigen Tauben-Toilette. Soweit man blickte, und die Augen waren schier auch überall, thronte Kot des grauen Federviehs. Der Wind tat das seinige, es pfiff aus allen Löchern, Ritzen und Ecken. Ja, ja, Sankt Hanappi war in die Jahre gekommen und aus Grün-Weißer Sicht ist es eigentlich skandalös, das eigene wohlwollende Wohnzimmer derartig zernepft werden zu lassen. Der SK RAPID propagiert gerne und oft und immerfort und bei jedweder Gelegenheit, die Größten, Schönsten, Besten und Bombastischsten zu sein. Der geneigte Anhänger schenkt dem Glauben und nimmt diesen Umstand als bare Münze hin. Beim Stadion ist man es auf jeden Fall nicht. Und da nützt auch die Bronze-Statue von Dionys Schönecker (als langjähriger ruhmreicher Trainer und Vereinsfunktionär auch als Mister RAPID bekannt), Herr Kuthan kannte ihn übrigens persönlich – die vor dem RAPID-Museum steht und die Vergangenheit glorifiziert, sehr wenig.

Das Intro war bombastisch, für die Vorbereitungen zeitaufwendig, wohl durchdacht und sehr hübsch anzusehen. Die Heimischen verwandelten ihr Stadion auf drei Seiten in ein grün-weißen Fähnchenmeer: „RAPID ist der Klub für den wir leben …“ Die Austria hielt dagegen mit „Austria Wien! Bis dass der Tod uns scheidet.“

Den detailgetreuen Spielbericht entnehmen Sie bitte jeweils hier:

www.skrapid.com

www.fk-austria.at

www.bundesliga.at

Und dennoch war zu beobachten, dass vermehrt Schimpfkanonaden auf den Gegner bezogen noch vor der stimmgewaltigen Anfeuerung das eigene Team betreffend an der Tagesordnung stand. Hüben wie Drüben wurde der Rivale verbal mit Schimpf und Schande bedacht. Eigentlich schade, denn die Kulisse schrie förmlich nach einem Fußball-Fest samt dazugehörigen Anfeuerungs-Schlachtrufen. Ein Grüner meinte zu seinem violetten Freund ganz oben am zugigen Juchhe stehend, dass es schlichtweg eine Hass-Liebe sei, die beide Teams verbindet. Man trifft sich stets aufs Neue und will den ewig jungen Rivalen immer wieder in die Knie zwingen. Dem, dem dies gelingt, der ist dann großkopfert, während der Andere eines begossenen Pudels gleich schmähstad und kleinlaut von dannen zieht.

Der RAPID-Platz ist nicht mehr! Herr Kuthan besuchte ihn fast sein ganzes Leben. Er trug stets die Melodie von Hermann Leopoldi im Ohr „Heute spielt der Uridil!“, als er stolz und fröhlich zu Hut und Mantel griff, sein Weib in den Arm schloss, ihr einen Kuss auf die Wange drückte, um freudestrahlend mitzuteilen: „I geh am RAPID-Platz!“ Als Herr Kuthan über 90jährig im Jahre 1971 die Augen für immer schloss, ahnte er nicht, dass seine Ururenkel dereinst in einem Hanappi-Stadion seinen Grün-Weißen die Daumen drücken werden, er ahnte auch nicht, dass alles anders werden würde. Respekt und gegnerische Wertschätzung kam völlig aus der Mode und ist heutzutage so etwas von un-hip und out, Schimpf und Schande für den Rivalen, das ist die Begleiterscheinung der modernen Jetzt-Zeit …

Quelle: oepb

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