Erika Rosenberg, hier flankiert von Reinhard Linke und Christian Rapp, sprach am 10. April 2018 im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich Tacheles. Foto: Museum Niederösterreich
Erika Rosenberg, hier flankiert von Reinhard Linke und Christian Rapp, sprach am 10. April 2018 im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich Tacheles. Foto: Museum Niederösterreich

Sie hat Bücher über Che Guevara, Schwester Restituta, Franz Kafka, Sigmund Freud und Papst Franziskus geschrieben. Und sie ist die Nachlassverwalterin von Emilie und Oskar Schindler. Im Rahmen einer Europa-Reise war die argentinische Journalistin, Autorin, Dolmetscherin und Übersetzerin Erika Rosenberg nun am 10. April 2018 im Zeitzeugen-Forum „Erzählte Geschichte“ im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich zu Gast. Im Gespräch mit Reinhard Linke stellte sie die Bedeutung von Stephen Spielbergs Film „Schindlers Liste“ nicht in Frage, räumte allerdings mit einigen Klischees rund um die Geschichte gehörig auf.

Durch die Schilderungen der Autorin der Biographien von Emilie und Oskar Schindler wurde am Beispiel von Oskar Schindler einmal mehr klar, dass eine strikte Einteilung der Geschichte in Opfer und Täter nicht möglich ist. Im Sudetenland noch in der k. u. k.-Monarchie geboren, zählten Oskar Schindler und seine Frau Emilie 1918 zu den

Vertriebenen. Bereits 1935 schloss sich Oskar Schindler der Abwehr an, war Parteimitglied der NSDAP. Als Spion war er für den Diebstahl polnischer Uniformen verantwortlich, um den Überfall auf den Sender von Gleiwitz zu inszenieren, der als Vorwand für den Einmarsch in Polen fungierte. Als Spion flog er auf und wurde zum Tode verurteilt. Der Einmarsch der deutschen Truppen rettete ihm das Leben.

Mit finanzieller Unterstützung seiner Schwiegereltern kaufte Oskar Schindler eine Emailfabrik in Krakau, die zunächst finanziell mehr als stotterte, bis er begann, Produkte für die „Deutsche Wehrmacht“ herzustellen und schließlich als „kriegsnotwendiger Betrieb“ akzeptiert zu werden. Für die Fabrik entstand dann jene Liste von 1.300 Jüdinnen und Juden, die er vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten retten sollte. Später entstandene

Aufzeichnungen lassen vermuten, dass er bereits 1938 Jüdinnen und Juden im Kofferraum über die Grenze geschmuggelt und ihnen so das Leben gerettet hat. Gegen eine Verlegung der Fabrik von Krakau an den Bodensee und den „Verlust“ seines „Personals“ wehrte er sich unter anderem mit Bestechung und konnte einen zweiten Standort in Brünnlitz durchsetzen, wo nun ähnlich wie in Krakau ein Gedenkort errichtet werden soll.

Erika Rosenberg-Biographien über Emilie und Oskar Schindler. Foto: Museum Niederösterreich
Erika Rosenberg-Biographien über Emilie und Oskar Schindler. Foto: Museum Niederösterreich

Erika Rosenberg lernte Emilie Schindler 1969 in Buenos Aires kennen und beschreibt sie als couragiert, geistig rege, aber eben auch alt und vor allem verarmt. „Sie war die Großmutter, die ich nicht hatte und jene Frau, mit der ich den Weg der Versöhnung gehen konnte. Sie war die Frau, die Juden gerettet hatte und ich die Tochter von Verfolgten.“ Oskar Schindler war in der Hoffnung auf Entschädigungszahlungen nach Deutschland zurückgegangen und nicht mehr nach Argentinien zurückgekommen. Dem entsprechend kritisiert Erika Rosenberg einerseits die mangelnde Wertschätzung gegenüber Emilie Schindler, etwa durch den Regisseur Stephen Spielberg, aber auch die fehlende finanzielle Unterstützung. Zum Begräbnis von Emilie Schindler wollten sich zwar viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ablichten lassen, die Kosten für das Begräbnis hatte aber sie, Erika Rosenberg, beglichen.

Erika Rosenberg will die Taten von Emilie und Oskar Schindler keinesfalls in Frage stellen: „Sie haben Unglaubliches geleistet in einer trostlosen Zeit. Sie sind ein Vorbild für Zivilcourage und Selbstlosigkeit.“ Und sie räumt auch ein, dass ein Hollywood-Blockbuster eine höhere Reichweite als ein Sachbuch hat. Sie erzählt allerdings auch, wie wütend Emilie Schindler war, als sie den Film in Buenos Aires sah und stellt unmissverständlich klar: „Es ist ein ausgezeichneter Film. Aber es ist ein Spielfilm. Kein Dokumentar-Film.“

Mehr Aufschluss über die historischen Ereignisse aus ihrer Sicht liefern Erika Rosenbergs Publikationen wie „Ich, Emilie Schindler“, „Ich, Oskar Schindler“ (Herbig-Verlag) sowie ihre zuletzt erschienene Recherche „Oskar Schindler: Seine unbekannten Helfer und Gegner“ (LIT-Verlag).

Lesen Sie mehr über das Museum Niederösterreich bei uns bitte hier;

Mit einer Reihe von Zeitzeugen-Gesprächen gedenkt das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich den Jahren 1918, 1938 und 1968.

Am Dienstag, den 24. April 2018 um 18 Uhr hat Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Ludwig Bolzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung, sowjetische Besatzungskinder aus Niederösterreich eingeladen.

Am Dienstag, den 15. Mai 2018 um 18 Uhr sprechen Rotraut Perner, Peter Turrini und Hannes Etzsltorfer über den Mai 1968 und schließlich am Dienstag, den 16. Oktober 2018 um 18 Uhr Chris Lohner und andere über das Jahrhundert der Frauen.

www.museumnoe.at

Back to Top