Matthias Sindelar (1930-1939) war ein fußballerischer Ausnahmekönner
Matthias Sindelar (1930-1939) war ein fußballerischer Ausnahmekönner.

Heute Abend findet um 18 Uhr in Klagenfurt im Wörthersee-Stadion – übrigens erstmals in der über 114-jährigen Geschichte des ÖFB steigt ein Heim-Länderspiel gegen Deutschland nicht in Wien – das mit Spannung erwartete Fußball-Freundschaftsspiel gegen Deutschland statt.

Es handelt sich dabei um das 766. ÖFB-Länderspiel in der Geschichte (davon dem 40. gegen den Lieblings-Nachbarn und regierenden Weltmeister Deutschland). Der Blick in die Statistik aus österreichischer Sicht ist jedoch mehr als ernüchternd. Lediglich 8 Erfolge konnten in 39 Vergleichs-Kämpfen bei 25 Niederlagen und 6 Unentschieden errungen werden. Tordifferenz 55 : 89.

Und dennoch gab es einen Sieg, der bis heute in keiner Statistik Erwähnung findet – „Der vergessene Triumph“.

In den März-Tagen des Jahres 1938 verschwand Österreich komplett von der Landkarte. Die Nation wurde von Adolf Hitler „heimgeholt ins Reich“ und Österreich schloss sich im Zuge einer Volksabstimmung „Hitler-Deutschland“ an.

Diese Verschmelzung beider Länder brachte mitunter auch mit sich, dass beispielsweise der FK Austria Wien kurzer Hand in „Ostmark“ umgetauft wurde. Der ÖFB hörte am 28. März 1938 als selbstständiger Staatsverband zu bestehen auf. Die Mitgliedschaft zum Weltverband FIFA war erloschen.

Die NS-Propaganda schrieb jedoch vor, dass es zu einem „Länderspiel“ zu kommen habe, das bei genauerer Betrachtung eigentlich keines mehr war. Und so traf am 3. April 1938 im Wiener Stadion „Deutsch-Österreich“ auf Deutschland. Die Österreicher traten auf besonderen Wunsch ihres Primgeigers Matthias Sindelar in Rot-Weiß-Rot an. Beide Teams – Deutschland in schwarz-weiß gewandet – stellten sich den 60.000 Zuschauern mit dem „Hitler-Gruß“.

Fritz Szepan (rechts) gegen drei Österreicher
Der Schalker Fritz Szepan (rechts) gegen drei Österreicher.

Für das deutsche Fachblatt „kicker“ handelte es sich dabei um „das Glaubensbekenntnis der Fußballer im Großdeutschen Reich“, für die Wiener um eine Möglichkeit, ihre spielerische Überlegenheit trocken zu dokumentieren. „Deutsch-Österreich“ gewann mit 2 : 0. Die Demonstration der Wiener Schule des so genannten „Scheiberlns“ war dem Deutschen Spiel zuvor gekommen. Österreich war drückend überlegen und allen voran Matthias Sindelar, damals bereits im fortgeschrittenen Fußballer-Alter, ließ die Deutschen Team-Spieler oftmals alt aussehen, ja, er vergab fast schon provokativ die allerbesten Einschuss-Möglichkeiten. Sindelar erzielte auch das 1 : 0. Franz „Bimbo“ Binder knallte das Leder wuchtig an die Stange und den Abpraller verwertete der „Sindi“ unhaltbar zur Führung. Karl Sesta´s Tor zum 2 : 0 spielte sich so ab: „Österreichs Verteidiger Sesta führte von der Platzmitte einen Freistoß aus. Der Ball, der beträchtliche Höhe erreichte, senkte sich vor dem Tor der Deutschen, Keeper Hans Jakob griff ins Leere – und das Leder kullerte ins Tor.“

Das Wiener Publikum feierte frenetisch seine Helden, tosender Beifall und lautstarker Jubel schwappte durch das weite Prater-Rund. Dies ging sogar soweit, dass die Herren der „Reichssportführung“ sehr irritiert und erstaunt über diesen Fanatismus für Österreich waren. Beim Fußball kannten die Wiener eben keinen Spaß.

Matthias Sindelar, links im Bild.
Matthias Sindelar, links im Bild.

Diese Match-Demonstration der Österreicher, dieser unbedingte Siegeswille im völlig wertlosen „Anschluss-Spiel“ soll mitunter auch Zeuge dessen gewesen sein, dass die Fußballer allesamt nicht quer durch die Bank Nazis waren. Ganz im Gegenteil, man war als Österreicher für „Deutsch-Österreich“ stolz, Deutschland geschlagen zu haben.

Der Linzer Journalist und Publizist, Erwin H. Aglas (†), der als junger Redakteur damals im Wiener Stadion zugegen war, erinnerte sich noch Jahre später an dieses Spiel: „Auch, wenn das Wunderteam bereits Geschichte war und auch, wenn deren sportliche Betreiber ihren Zenit bereits überschritten hatten, so dokumentierte diese Elf am Rasen, was immer noch in ihr steckte. Die absolut besseren Fußballer und das feinere System gewann an diesem Tag. Die Wiener Fußballkunst zeigte noch einmal auf, was sie kann und was sie dereinst ausgemacht hatte.“

Das Anschluss-Spiel fand in keiner Wertung Niederschlag, keine Statistik zeugt von dem Geschehen. Auf eine seinerzeitige oepb-Nachfrage – um eine etwaige Spiel-Aufnahme in die Wertung – bei den Verbänden ÖFB und DFB wurde folgendes mitgeteilt:.

Sein Wort hat stets Gewicht. ÖFB-Generaldirektor Alfred "Gigi" Ludwig.
Sein Wort hatte stets Aussagekraft und Gewicht. ÖFB-Generaldirektor a. D. Alfred “Gigi” Ludwig. Foto: oepb

Alfred Ludwig, damaliger ÖFB-Generaldirektor:

„Gerade wir vom ÖFB versuchen die Ereignisse dieser unsäglichen historischen Epoche unseres Landes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und engagieren uns auch aus diesem Grund seit Jahren regelmäßig in Initiativen gegen Faschismus und Rassismus. Bei dem angesprochenen Spiel vor 74 Jahren handelte es sich allerdings definitiv um kein offizielles Länderspiel zwischen den Auswahlen der Fußball-Verbände aus Deutschland und Österreich. Bei allem gebotenen Respekt vor der Leistung der damaligen Auswahl, die ja auch aus einigen Spielern des legendären „Wunderteams“ bestand, gibt es von unserer Seite keinen Anlass und auch keinen berechtigten Grund, dieses 2 : 0 in die offizielle Statistik aufzunehmen. Darüber hinaus wäre auch nicht zu erwarten, dass unsere freundschaftlich verbundenen Nachbarn aus Deutschland einem solchen Antrag zustimmen würden, genauso wenig realistische Chancen gäbe es für eine Anerkennung durch den Weltfußballverband FIFA. Wir ziehen, wie erwähnt, diese Möglichkeit definitiv nicht in Betracht.“.

DFB, Direktion Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit:

„Wir sind Ihnen sehr dankbar für den Hinweis auf das Spiel vom 3. April 1938. Es ist ein Spiel, das nicht in Vergessenheit geraten darf. Der DFB ist sich seiner gesellschaftlichen und auch seiner historischen Verantwortung bewusst. Wir wollen uns nicht nur mit den sportlichen Erfolgen schmücken, wir wollen auch die anderen Seiten deutscher Fußballgeschichte abbilden. Bei der rein sportlichen Bewertung des Spiels vom 3. April 1938 kommen wir gleichwohl zu einem klaren Ergebnis. Offiziell hieß das Spiel „Ostmark gegen Altreich“, man sprach damals vom „Verbrüderungsspiel“ oder auch vom „Anschluss-Spiel“. Das Spiel fand drei Wochen nach dem “Anschluss“ von Österreich ans deutsche Reich statt. Die Begleitumstände werden in den historischen Quellen beschrieben. Es war kein Vergleich zwischen den Auswahlmannschaften zweier souveräner Staaten und findet folglich keinen Eingang in die offizielle Länderspielstatistik. Der Fußball-Verband Österreichs wertet dieses Spiel genau so, auch dort ist das Spiel in der offiziellen Länderspielstatistik nicht erwähnt. Nicht anders wird die Partie vom Fußball-Weltverband FIFA eingeschätzt.“

Nichts desto trotz sollten die Namen der ruhmreichen Fußball-Österreicher vom 3. April 1938 nicht vergessen sein: Peter Platzer (Admira), Karl Sesta (Austria), Willibald Schmaus (Vienna), Franz Wagner (RAPID), Hans Mock (Austria), Stefan Skoumal (RAPID), Wilhelm Hahnemann (Admira), Josef Stroh (Austria), Matthias Sindelar (Austria), Franz Binder (RAPID) und Hans Pesser (RAPID).

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www.dfb.de

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