Über 7.500 Soldaten des Österreichischen Bundesheeres gingen vor über 30 Jahren, in den letzten Junitagen des Jahres 1991 gemeinsam mit der Gendarmerie und der Zollwache in einen heiklen Einsatz. Sie sicherten während der schweren Kämpfe im damaligen Jugoslawien den Luftraum und die österreichische Staatsgrenze zur heutigen Republik Slowenien.
Bundesheer abschaffen
Seit Beginn der 1980er Jahre herrschte in Österreich eine breite Debatte über die Sinnhaftigkeit einer militärischen Landesverteidigung. Später dann, im Jahre 1991 zeigte sich beim Einsatz des Bundesheeres zur Grenzsicherung Österreichs zu Jugoslawien, wie wichtig bewaffnete Streitkräfte und somit das Bundesheer für Österreich ist. Damals galt es bewaffnete Auseinandersetzungen von österreichischem Territorium fernzuhalten. Das Auseinanderdriften des südlich von Österreich gelegenen Vielvölkerstaates kam für die Öffentlichkeit überraschend. Im Heer selbst hatte man aber bereits Jahre zuvor mit den Planungen für ein derartiges Zerfalls-Szenario und eine „Eskalierung der Lage in Jugoslawien“ begonnen. Mit den Unabhängigkeitserklärungen von Slowenien und Kroatien am 25. Juni 1991 war es dann so weit: Die Regierung in Belgrad beauftragte die Volksarmee und die Bundespolizei mit der Sicherung des Staatsgebietes – mit weitreichenden Folgen: Truppen wurden in Bewegung gesetzt und Grenzübergänge geschlossen. Milizen errichteten im ganzen Land zahlreiche Straßensperren.
Ein Nachbarstaat zerfällt
Bald darauf brachen erste Kämpfe aus: An mehreren Grenzübergängen kam es ebenso wie an anderen Stellen im Land zu Feuergefechten zwischen jugoslawischer Armee und slowenischen Territorialkräften, der Grenzübergang Spielfeld wurde sogar von Flugzeugen angegriffen. Um nicht den Eindruck einer Provokation zu vermitteln, wurde auf eine Mobilmachung verzichtet, die als möglicher Vorwand für einen verstärkten Einsatz bewaffneter Kräfte im Grenzraum hätten dienen können, wie betont wurde. Kurz darauf verfügte Verteidigungsminister Werner Fasslabend am 28. Juni 1991 dennoch – „zum Schutz der österreichischen Bevölkerung“ – den Sicherheitseinsatz gemäß § 2, abs. 1 lit. a des Wehrgesetzes (das heißt zur militärischen Landesverteidigung) und die Verlegung von in Bereitschaft befindlichen Soldaten in die unmittelbare Grenzregion. Am 29. Juni 1991 meldete das Verteidigungsministerium bereits knapp 5.000 Mann aus ganz Österreich im Einsatz an der slowenischen Grenze, in den kommenden Tagen sollten es sogar noch mehr werden. Als Reaktion auf Luftraumverletzungen durch die jugoslawische Volksarmee wurde zudem die Luftraumüberwachung mit Draken- und Saab-105Ö-Flugzeugen intensiviert.
Ein Heer geht in Stellung
Die Sicherungslinie des Bundesheeres verlief mehr als 300 Kilometer weit von Bonisdorf im Burgenland entlang der steirischen und Kärntner Grenze bis zum Dreiländereck Italien-Österreich-Slowenien. Im Einsatz befanden sich damals die Landwehrstammregimenter 71, 72 und 73 (Kärnten) sowie 52 und 53 (Steiermark), außerdem Teile der 3. Panzergrenadierbrigade, des Jagdpanzerbataillons 4 und 7 und des Versorgungsregiments 2 aus Graz, sowie Einheiten der Militärakademie und des Pionierbataillons 2 aus Villach. Ergänzt wurden diese Truppen durch Kräfte des Fliegerabwehrbataillons 2 aus Zeltweg und der 4. Panzergrenadierbrigade aus Wels. Die Akzeptanz für den Einsatz und die sichtbare Präsenz des Heeres war in der Bevölkerung von Anfang an groß. Die Soldaten wurden überaus freundlich empfangen, Panzer standen im Mittelpunkt des regen Interesses. Die überfliegenden Draken-Abfangjäger, die an der Grenze patrouillierten, wurden in Österreich nach einer Luftraumverletzung einer jugoslawischen MiG-21 laut beklatscht.
Die Lage beruhigte sich
Nachdem sich die Lage in Slowenien relativ rasch wieder beruhigte, begann das Bundesheer am 9. Juli 1991 mit der Rückverlegung erster Kräfte. Vor allem die schweren motorisierten Einheiten wurden in ihre Garnisonen zurückverlegt. Drei Wochen später war dann auch für die übrigen Verbände der Einsatz wieder vorbei und es wurden die letzten eingesetzten Kräfte in ihre Stammgarnisonen zurückverlegt. Offiziell beendet wurde der Sicherungseinsatz dann am 31. Juli 1991. Um trotzdem jederzeit auf mögliche Konfliktverschärfungen reagieren zu können, wurden ab 1. August 1991 eine Jagdpanzerkompanie für den Bereich Steiermark und eine Jägerkompanie in Kärnten weiter bereitgehalten und die Patrouillentätigkeit an der Grenze und in der Luft fortgeführt.
Ein General zieht Bilanz
Der Kommandant der eingesetzten Verbände, General Eduard Fally, zeigte sich in der Nachbetrachtung mit dem Einsatz und dessen Ablauf durchaus zufrieden. Viele der Soldaten hatten erst drei Ausbildungsmonate hinter sich und waren „zehn Tage hautnah mitten im Geschehen“. Insgesamt waren 7.650 Mann mit 1.400 Räder- und 170 Ketten- sowie 62 Luftfahrzeugen präsent. Das Ziel, ein Übergreifen der Kampfhandlungen zu verhindern und die Bevölkerung zu beruhigen, sei erreicht worden, so Eduard Fally. Der General führte die problemlose Abwicklung des Sicherungseinsatzes auch darauf zurück, dass der Krisenfall seitens des Heeres unter dem Titel „OpFallYU“ bereits seit 1987 „in Bearbeitung“ gewesen sei: „Es war alles durchdacht, wir sind nie in Verlegenheit gekommen.“
Das Bundesheer dauerhaft im Einsatz
Dies alles ist umso bemerkenswerter, denn das Österreichische Bundesheer hatte im Sommer 1991 zusätzlich noch eine ganze Reihe anderer Einsätze zu bewerkstelligen: So standen rund 2.000 Soldaten im ASSE / dem Assistenzeinsatz zur Grenzsicherung an der ungarischen Staatsgrenze im Burgenland. Weiters versahen etwa 1.000 Mann ihren Dienst im Rahmen diverser UN-Missionen. Weitere 200 Heeresangehörige befanden sich im Iran, wo das Heer beginnend mit Anfang Mai 1991 bis Ende Juli desselben Jahres ein Feldspital betrieb. Dazu kamen nach verheerenden Regenfällen im Mai und August 1991 noch zahlreiche Katastropheneinsätze zur Bewältigung des Hochwassers entlang der Donau, in der gesamten Wachau und im Laabental.
Umdenken in der Bevölkerung
All diese Einsätze brachten dem Bundesheer große Anerkennung der Bevölkerung und in den Medien war plötzlich „Vom liebsten Feind zum guten Freund“ zu lesen, oder aber auch von einer „Notwendigen Armee“ – in Anspielung auf die kurz zuvor noch diskutierte Bundesheer-Abschaffung.
Ein Wunder namens Bundesheer
„Mitten in Europa hat sich bezeigt, wie wenig berechenbar die Zukunft ist. Die Tatsache, dass sich buchstäblich vor unserer Haustür ein veritabler Krieg abspielt, hat Konsequenzen. Die Landesverteidigung mit all ihren Facetten hat ganz plötzlich wieder ihren berechtigten Vorrang: Wer heute noch von einer Abschaffung des Bundesheeres spricht, läuft Gefahr, politisch entmündigt zu werden.“, so ein seinerzeitiger Zeitungs-Artikel.
Der langsame Zerfall Jugoslawiens 1991 – 1999
Als Jugoslawienkriege (auch Balkankriege genannt) wird eine Serie von Kriegen in den Jahren 1991 bis 1999 auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens bezeichnet. Ihre Wurzeln hatten die Kämpfe in jahrelangen vielschichtigen ethnischen, religiösen, nationalistischen und ökonomischen Problemen. In Kroatien und Slowenien ergaben Volksabstimmungen große Mehrheiten für eine Loslösung aus dem Staat Jugoslawien. Daraufhin erklärten diese beiden jugoslawischen Teilstaaten am 25. Juni 1991 ihre Unabhängigkeit. Die Zentralregierung in Belgrad bewertete dieses Ausscheren als Verfassungsbruch und versuchte die Unabhängigkeitsbestrebungen militärisch zu vereiteln. Es kam zum sogenannten 10-Tage-Krieg in Slowenien, der mit einem Waffenstillstand im Juli endete. In den folgenden Monaten allerdings brachen auch in Kroatien und 1992 in Bosnien und Herzegowina heftige Kämpfe aus, die bis 1995 andauerten. In weiterer Folge kam es von 1998 bis 1999 zum Kosovokrieg, bei dem im Rahmen der „Operation Allied Force“ auch die NATO mit zahlreichen Luftangriffen aktiv in das Kampfgeschehen eingriff. Während der Jugoslawienkriege kam es auf Seiten der unterschiedlichen Kriegsparteien zu Massenvertreibungen, ethnischen Säuberungen, Massakern und umfangreichen Zerstörungen. Schätzungen zufolge mussten bei den Kämpfen mindestens 120.000 Menschen (Zivilisten und Soldaten) ihr Leben lassen. Die verübten Kriegsverbrechen beschäftigten noch Jahre später den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
Quelle: Österreichisches Bundesheer / Redaktion www.oepb.at
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