Haris Seferovic (Nr. 9) trat gestern Abend als zweifacher Torschütze in Erscheinung. ÖFB-Keeper Ramazan Özcan (links) hatte gegen ihn keine Chance. Foto: GEPA
Haris Seferovic (Nr. 9) trat gestern Abend als zweifacher Torschütze in Erscheinung. ÖFB-Keeper Ramazan Özcan (links) hatte gegen ihn keine Chance. Foto: GEPA

Irgendwie war gestern alles anders … Die Zufahrtsstraßen rund um den Prater in Wien waren bei weitem nicht so verstopft wie sonst üblich, wenn die Österreichische Nationalmannschaft zu einem Länderspiel bittet. Der Zuschauer-Andrang dazu war auch im Umkreis des Ovals überschaubar und verlief flüssiger denn sonst. Zu den im Vorfeld abgesetzten 25.000 Karten für dieses freundschaftliche Länderspiel gegen die Schweiz gesellten sich gestern Abend nur mehr sehr wenige treue Stadion-Pilger hinzu, um ein Ticket an den zahlreich geöffneten ÖFB-Kassen zu ergattern. Irgendwie war alles anders …

Fußball in Freundschaft / Dienstag, 17. November 2015, 20.45 Uhr / Ernst Happel-Stadion, Wien, 27.600 Besucher, Referee Manuel Gräfe (Deutschland)

Die terroristischen Anschläge vom Freitag, 13. November 2015 in der französischen Hauptstadt Paris schienen allgegenwärtig zu sein. Man vernahm wenig euphorisches Gegröhle aus „Bier geschmierten“ Kehlen, die Fans kamen „nüchterner“ und auch gesitteter zu den Eingängen. Dort dauerte es – wie im Vorfeld angekündigt – länger als sonst, da die Einlass-Kontrollen diese Bezeichnung gestern Abend auch wirklich verdienten. Man wurde ähnlich einer Flughafen-Kontrolle auf Herz und Nieren geprüft und untersucht und jeder Einzelne von Kopf bis Fuß manuell und elektronisch anhand von Metalldetektoren durchgecheckt. Auch beim Journalisten-Eingang kam es zu Wartezeiten, da sich die Herrschaften der „berichtenden Zunft“ detto einer hochnotpeinlichen Leibesvisitation unterziehen mussten. Wien und der ÖFB wollte absolut kein Risiko für dieses Match eingehen. Als dann auch noch durchgesickert war, dass in Hannover das Länderspiel zwischen Deutschland und Holland unmittelbar vor Spielbeginn abgesagt wurde und die bereits zahlreich anwesenden Besucher wieder nach Hause geschickt wurden, keimte für Wien eine kurze Ungewissheit auf. Aber im Prater verlief Gott Lob alles ruhig und ordentlich in den dafür vorgesehenen Bahnen.

Das Stadion füllte sich demnach auch nur sehr mühsam und es dauerte eine gewisse Zeit, bis so etwas ähnliches wie Stimmung aufkam. Dass es in späterer Folge dennoch zu einem netten und bunten Oeuvre kam, dafür sorgten Tausende kleinen rot-weiß-roten Fähnchen, die abermals von einer Salzburger Etagen-Brauerei gesponsert wurden.

Vor dem traditionellen Abspielen beider Hymnen wurde stimmungsvoll die „Marseillaise“ intoniert, die ihren schöpferischen Ursprung im April 1792 aus Anlass der französischen Kriegserklärung an Österreich hatte! Makaber und kurios zugleich, dennoch wollte man mit diesem Akt Solidarität gegenüber Frankreich und den zahlreichen Opfern dokumentieren. Der sonst so schwungvoll und erheiternd abgespielte „Radetzky-Marsch“ wurde gestern den Schweizern – auch aus Solidarität gegenüber Frankreich – dafür nicht geblasen. Und nachdem beide Teams mit Trauerflor angetreten waren und eine Gedenkminute für die Terror-Opfer von Paris abgehalten wurde, konnte es losgehen.

 Marcel Koller (Vordergrund) stand mit seinen Anweisungen vermehrt auf verlorenem Posten. Im Hintergrund Vladimir Petkovic (Schweiz). Foto: GEPA
Marcel Koller (Vordergrund) stand mit seinen Anweisungen vermehrt auf verlorenem Posten. Im Hintergrund Vladimir Petkovic (Schweiz). Foto: GEPA

ÖFB-Teamchef Marcel Koller, als Aktiver mit 55 A-Länderspielen für die Schweiz aufgelaufen, agierte gestern Abend erstmals gegen sein Heimatland. Und die Eidgenossen machten es ihm auch nicht gerade leicht, nutzten die Schweizer doch knallhart jedweden Fehler der unsicher wirkenden Österreicher aus. Nach nur einer Minute musste Sebastian Prödl in seinem 55. Länderspiel vom Feld. Für ihn kam Martin Hinteregger, der zwar bemüht, aber oftmals glücklos agierte. In der 9. Minute „prüft“ David Alaba mit einer zu kurzen Kopfball-Rückgabe Ramazan Özcan, Haris Seferovic „übernasert“ dieses Missgeschick und überlupft den ÖFB-Keeper zum 0 : 1. Österreich dreht auf und lukriert Chancen für den Ausgleich. Dieser geschieht auch in Minute 13: Alaba verwertet trocken in die linke Ecke zum 1 : 1.

In der 36. Minute hätte Rubin Okotie sein drittes Länderspiel-Tor im 14. Match erzielt. Das 2 : 1 zählte jedoch wegen Abseits-Stellung nicht. Zumindest sah es das Schiedsrichter-Trio so. Dafür dann in Minute 38 das 1 : 2: es war abermals der Eintracht Frankfurt-Legionär Seferovic, der Unstimmigkeiten in der ÖFB-Abwehr eiskalt ausnutzte und verwertete. Österreich lief an und drückte, aber die Schweizer Hintermannschaft war immer mit irgendeinem Körperteil als Tor-Verhinderer eher am Ball.

 Marcel Sabitzer - gegen Timm Klose (Nr. 4) bemühte sich vergeblich. Im Hintergrund David Alaba und Xherdan Shaqiri. Foto: GEPA
Marcel Sabitzer – gegen Timm Klose (Nr. 4) bemühte sich vergeblich. Im Hintergrund David Alaba und Xherdan Shaqiri. Foto: GEPA

In der zweiten Halbzeit kam die Schweiz kaum noch aus ihrer Spielhälfte. Österreich schnürte die ganz in weiß agierenden Gäste dermaßen ein und hatte binnen kürzester Zeit ein Corner-Verhältnis von 9 : 0 herausgearbeitet. Es waren aber eben nur Eckbälle, die allesamt nichts Zwingendes einbrachten. Man gewann mehr und mehr den Eindruck, dass der letzte entscheidende Wille zum Erfolg nicht vorhanden war. Die ÖFB-Auswahl agierte zwar, aber auch irgendwie mit angezogener Handbremse.

Und so wiederholte sich die Geschichte, denn auch 2014 setzte es just im letzten Länderspiel des Jahres die erste Niederlage: 1 : 2 in Wien gegen Brasilien. Und auch die stolze Serie von 5 Länderspiel-Siegen en suite wurde gestern Abend jäh beendet. Dennoch geht das Jahr 2015 als eines der erfolgreichsten in die Annalen des ÖFB ein und die Vorbereitungen für die Europameisterschafts-Teilnahme in Frankreich im Juni 2016 sind voll im Gange. Als nächster Termin steht hier der 12. Dezember 2015 zu Buche, denn dann erfolgt in Paris die Gruppen-Auslosung für die EURO. Man darf gespannt sein.

Team-Baby Karim Onisiwo (rechts) zog gegen Valentin Stocker (Nr. 14) den Kürzeren. Foto: GEPA
Team-Baby Karim Onisiwo (rechts) zog gegen Valentin Stocker (Nr. 14) den Kürzeren. Foto: GEPA

Und jener Moment, an dem sich gestern Abend kurz vor Spielbeginn 22 Akteure farblich bunt gemischt am Anstoßkreis versammelten, um einträchtig mit knapp 28.000 Zuschauern der „Marseillaise“ zu lauschen, zeigte einmal mehr, dass der Sport verbindet und in der Not der Mensch zusammenstehen kann. Die europäischen Werte hochzuhalten, zu zeigen und zu verteidigen und all jenen die Stirn zu bieten, die diese mit roher Gewalt und unter Beihilfe bestialischster Aktionen unterjochen und zerstören wollen, so lautete die einträchtige Botschaft!

Es war irgendwie alles gestern Abend ein bisserl anders … in der Weltstadt Wien!

www.oefb.at

 

 

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