Ein wahres österreichisches Pracht-Team war jene Mannschaft in der „Karl Decker-Ära“. Im Bild stehend von links: Heribert Trubrig (LASK), Helmut Senekowitsch (Vienna), Erich Strobl (1. Simmeringer SC), Karl Koller, Hans Buzek (beide Vienna) und Friedrich Rafreider (FC Dornbirn). Hockend von links: Karl Stotz (Austria), Gernot Fraydl (GAK), Gerhard Hanappi (Rapid), Erich Hof (Wiener Sport Club) und Horst Nemec (Austria). Jene Mannschaft lief am 27. Mai 1961 gegen England (3 : 1) im Wiener Praterstadion auf. Foto: © oepb

Es war die Zeit, als Österreich über eine sensationelle Fußball-Nationalmannschaft verfügte, der ÖFB jedoch finanziell aus dem letzten Loch pfiff. Sämtliche Canossagänge zu wohlgesonnenen Sponsoren erbrachten nicht das gewünscht Budget, um eine rot-weiß-rote Auswahl im Falle der erfolgreichen Qualifikation zur Weltmeisterschaft 1962 ins südamerikanische Chile zu entsenden. Darüber hinaus vertraten die Verbands-Herren im Haus des Österreichischen Fußballsportes, Wien VI, Mariahilferstraße 99 die Ansicht, dass sich der aktuelle Kader der späten 1950er, frühen 1960er Jahre ohnehin nicht für solch ein Großereignis qualifizieren würde. Die Strafe über diese Funktionärs-Kurzsichtigkeit folgte prompt.

Am 30. Oktober 1960 probierte Teamchef Karl Decker erstmals ein 4-2-4-System (vier Verteidiger, zwei Läufer, vier Stürmer). Schlüsselpositionen nahmen bei dieser Methode Stopper Karl Stotz, der zurückgezogen agierende Läufer Karl Koller, sowie die Mittelfeldspieler Gerhard Hanappi (Läufer) und Helmut Senekowitsch (Verbinder) ein. Die vorwiegend offensiv ausgerichteten vier Stürmer waren perfekt aufeinander abgestimmt: Horst Nemec und Hans Buzek wirkten als Durchreißer, Erich Hof und Friedrich Rafreider erfüllten die aufbauenden Funktionen im Feld. Spanien wurde verdient und völlig unerwartet mit 3 : 0 abgefertigt.

30 Jahre Wiener Stadion

1931 wurde das Stadion im Prater, die erste Großanlage der Stadt Wien für sportliche Wettkämpfe, eröffnet. Das 30-jährige Bestandsjubiläum 1961 bot dazu Anlass, zurückzublicken, in Erinnerungen zu schwelgen, aber auch nach vorne zu schauen. Das Ergebnis dieser Aufbauarbeit konnte man auch an der Zuschauerresonanz ablesen. Im September 1931 verfolgten 49.000 Zuschauer den ersten Länderkampf Österreich gegen Deutschland (5 : 0) im Stadion, im Dezember 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg zitterten knapp 50.000 Menschen im teilweise zerbombten und bitterkalten Stadion, erfreuten sich aber über ein 4 : 1 gegen Frankreich und im Oktober 1960 gegen Spanien (3 : 0) waren nach dem Umbau und der Aufstockung auf drei Ränge über 90.000 Besucher mit dabei. Und nach einem 1 : 6 und 1 : 11 (1908), einem 1 : 8 (1909) errang Österreich im Jahre 1930, auch dank der hervorragenden Leistung seines Keepers Rudi Hiden erstmals ein 0 : 0 gegen das Mutterland des Fußballs“. Der Spiel-Partner schien für das Stadion-Jubiläum also wie gemacht.

Offizielles ÖFB-Matchprogramm vom 27. Mai 1961 gegen England. Sammlung: oepb

England zu Gast in Wien

Englands Teamchef Walter Winterbottom wusste nur allzu gut, warum er die drei Länderkämpfe in Europa im Frühling 1961 für seine „Three Lions“ als entscheidend für das Prestige des Insel-Fußballs bezeichnete. Die Resultate allerdings der bisherigen neun Vergleichskämpfe zwischen England und Österreich in der Zeit von 1908 bis 1958 stießen in der britischen Öffentlichkeit nur auf wenig Beachtung. Lediglich einmal sorgte Österreich in den englischen Blättern für Schlagzeilen: Als das „Wunderteam“ am 7. Dezember 1932 auf dem Chelseaplatz / Stamford Bridge der englischen Auswahl in einem rasanten und dramatischen Spiel ehrenvoll mit 3 : 4 unterlag. Anfang der 1960er Jahre war das anders. Es gab Wellentäler des englischen Fußballs mit schockierenden Niederlagen gegen kontinentale Mannschaften. England war misstrauisch geworden. Selbst die ältesten Anhänger unter ihnen sahen ein, dass ein etwaiger Sieg über Österreich international schwerer wiegen würde, als Erfolge über Wales oder Irland.

Stadion-Jubiläum mit Rekordkulisse

Der seinerzeitige ÖFB-Teamchef Karl Decker in seiner Erinnerung: „Ich war damals in einer ÖFB-Sitzung der Einzige, der dafür war, dass wir die Meldung für Chile 1962 abgeben. Wir hatten ein neues Team, das von Erfolg zu Erfolg eilte. Wir hätten in Südamerika der Fußball-Welt beweisen können, dass wir wieder wer sind im Fußballsport. Stattdessen bremste der ÖFB, wo er nur konnte.“ Und weiter: „Der ÖFB war ja in der Mariahilferstraße nur Untermieter im 4. Stock. In meiner Ära, in der wir alle Gegner in Wien wegschossen, hatten wir mehrmals über 90.000 Zuschauer im Stadion. Mit diesem Geld konnte der Verband dann das gesamte Haus kaufen und es als „Haus des Fußballsports“ etablieren.“

Just in die Drangperiode der Engländer hinein fällt in der 25. Minute das 2 : 1 für Österreich. Helmut Senekowitsch auf den in der Mitte lauernden Horst Nemec (helle Dress, am Ball) und der bullige Austria Sturm-Tank wirft sich ins Getümmel, lässt drei englische Gegenspieler einfach stehen und stellt eiskalt auf 2 : 1. Dahinter läuft Friedrich Rafreider mit. Foto: © oepb

Und so gab es am 27. Mai 1961 im Stadion – so wie das Wiener Praterstadion und heutige Ernst Happel-Stadion damals offiziell genannt wurde – vor 90.760 Zuschauern und anlässlich der Festivitäten „30 Jahre Wiener Stadion“ einen triumphalen 3 : 1-Erfolg über England. Diese Begegnung, die im Wiener Festwochenprogramm einen bevorzugten Platz einnahm, lockte zahlreiche Fußballexperten aus aller Herren Länder nach Wien. Sie konnten sich persönlich davon überzeugen, dass Teamchef Karl Decker eine Mannschaft geformt hatte, die zu diesem Zeitpunkt mit den stärksten Nationen der Welt konkurrieren konnte. Österreich grüßte in jener Zeit klar von der Spitze der europäischen Fußballnationen.

Die Tore erzielten Erich Hof (3. Minute), Horst Nemec (25. Minute) und Helmut Senekowitsch (80. Minute). Den zwischenzeitlichen 1 : 1-Ausgleich für England in der 16. Spielminute besorgte Jimmy Greaves. Die englischen Vollprofis, die die letzten acht Länderkämpfe unbesiegt und als haushoher Favorit nach Wien gekommen waren, mussten sich dem homogenen Spiel der Österreicher beugen. Stars wie Ron Springett, Ron Flowers, Gerry Hitchens, Johnny Hayens und Bobby Charlton wurden von den Österreichern, bei denen Gernot Fraydl und Friedrich Rafreider hervorragende Debüts feierten, klar ausgestochen.

Ehrungen durch den ÖFB

Die großartigen Leistungen der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft hatten in der breiten Öffentlichkeit ein begeistertes Echo hervorgerufen. Die Teamspieler wurden von Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel empfangen, der ÖFB schenkte seinen Internationalen in Anerkennung der Erfolge Golddukaten und auch in den Landesverbänden gab es für die populär gewordenen Teamspieler immer wieder Ehrungen und Auszeichnungen. Der ÖFB sicherte sich die weiteren Dienste des erfolgreichen Teambetreuers Karl Decker und verlängerte am 7. Juli 1961 seinen Vertrag bis 30. Juni 1964, der dann allerdings im Winter 1963/64 doch vorzeitig aufgelöst wurde.

Decker-Ära

In der Fußball-Historie spricht man heute nach der Zeit des Österreichischen Wunderteams, das in den Jahren von 1931 bis 1933 von Erfolg zu Erfolg eilte, auch von der sogenannten „Decker-Ära“. Damit ist jenes zweite Wunderteam gemeint, das vom 29. Mai 1960 bis 19. November 1961 anhand von 9 Länderspiel-Siegen bei nur einer Niederlage (0 : 2 in Budapest gegen Ungarn) für nachhaltigen Erfolg in Rot-Weiß-Rot gesorgt hatte. Unvergessene Triumphe gegen Schottland (4 : 1), Europameister UdSSR (3 : 1), Spanien (3 : 0), England (3 : 1), sowie in Italien (2 : 1), in Moskau gegen die Sowjetunion (1 : 0), sowie zweimal gegen den alten Rivalen Ungarn errang die damalige Nationalmannschaft. Und … leider erfuhr man nie, wie sich wohl diese Auswahl in Chile bei der WM 1962 verkauft hätte. Eine bittere Rache für die Fußballer, eine gerechte Strafe für die engstirnig denkenden ÖFB-Funktionäre der damaligen Zeit.

Quelle: oepb

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