Man sollte täglich mindestens drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst essen – so empfehlen es die Fachleute. Wer es sich hingegen leicht machen möchte, der greift zur vermeintlich gesunden Alternative in der Flasche. Und warum auch nicht? Auf den ersten Blick erscheint es logisch: Obst ist gesund, also müssten es Obstsäfte und Smoothies doch auch sein. „Das ist ein weit verbreiteter Irrtum“, meint etwa Ernährungswissenschaftlerin Vera Hille. „Saft kann sogar gesundheitsschädigend sein.“ Die Fachfrau aus dem hessischen Bad Soden am Taunus nennt dafür gleich mehrere Gründe: „Durch das Zerkleinern werden die Zellstrukturen vom Obst zerstört, sodass das verflüssigte Obst als Zuckersaft in den Körper hineinfließt. Während feste Nahrung im Magen längere Zeit verdaut wird und dann nach und nach an den Darm weitergegeben wird, läuft Flüssigkeit praktisch einfach durch.“ Fruchtzucker (Fruktose) und Traubenzucker (Glukose) würden so hoch konzentriert in den Darm gelangen.
Der Darm aber könne nur eine bestimmte Menge an Fruchtzucker aufnehmen, nach zwei Gläsern Orangensaft sei die Kapazitätsgrenze oft schon überschritten. „Und somit landet der Fruchtzucker im Dickdarm und ist dort Auslöser für Magen-Darm-Probleme wie Blähungen, Durchfall und Bauchschmerzen“, fährt sie fort und weist darauf hin, dass die Diagnose Fruchtzuckerunverträglichkeit immer häufiger gestellt werde, obwohl die Beschwerden oft nur an einer ungünstigen Ernährungsweise lägen. „Außerdem kann der Fruchtzucker, der normalerweise von der Leber abgebaut wird, in großen Mengen zur Leberverfettung führen.“
Schnelles Hungergefühl
„Nicht zuletzt entsteht auch nach dem Trinken selbst schnell wieder ein Hungergefühl, da der Magen sofort wieder leer ist“, weiß die Ernährungsexpertin aus der Praxis zu berichten. Wer auf sein Gewicht achten will, habe also gute Gründe, das Obst zu essen und nicht zu trinken: „Dies ist eindeutig gesünder!“ Und auch kalorienärmer: Laut Stiftung Warentest stecken in einem Liter Orangensaft immerhin bis zu 100 Gramm fruchteigener Zucker – das entspricht 33 Stück Würfelzucker. Ähnlich verhält es sich mit Smoothies. Öko-Test hat festgestellt, dass bei vielen Produkten der Zuckergehalt deutlich über 100 Gramm pro Liter liegt und viele mit Pestiziden belastet sind. Vera Hille räumt ein: „Für den gesunden Menschen ist ein Glas Saft pro Tag okay“, sagt die Fachfrau, rät aber, den Saft im Rahmen einer Mahlzeit zu trinken: „Somit bleibt er etwas länger im Magen.“
Smoothies besonders kritisch
Smoothies schätzt Hille in diesem Zusammenhang besonders kritisch ein: „Vom Prinzip funktionieren sie wie Obstsaft. Allerdings werden Smoothies häufig als Mahlzeitersatz und in deutlich größeren Mengen getrunken. Die bremsende Wirkung der festen Nahrung fehlt. Und die Zuckermengen sind ungleich höher – nicht nur wegen der größeren Trinkmenge, sondern auch, weil für Smoothies gerne besonders zuckerreiches Obst verwendet wird.“
Und wie verhält es sich mit Gemüsesaft? „Das ist auf jeden Fall die bessere Wahl – denn beim Gemüse fällt der hohe Zuckergehalt weg.“
Vorsicht mit Medikamenten
Nicht unterschätzen sollte man die Wechselwirkung, die Medikamente mit Säften haben können, sagt Vera Hille. Denn viele Medikamente würden in der Leber abgebaut. „Dieser Prozess kann vor allem durch Grapefruit- und Pampelmusensaft gestört werden – was wiederum die Wirkung der Medikamente verändert.“ Der Saft von Gemüsesorten, die einen hohen Vitamin-K-Anteil haben, könnte wiederum die Wirkung blutverdünnender Medizin beeinflussen. Hille rät, vor der Medikamenteneinnahme diese Themen in jedem Fall mit dem Hausarzt zu besprechen.
Pulver und Kapseln
Übrigens: Auch die industriell aufbereiteten Ersatzfrüchte in Form von Pulver oder Kapseln sind keine Alternative zum Obstverzehr. „Wer hofft, sich durch die Pulver gesund zu halten, erzielt womöglich den gegenteiligen Effekt“, heißt es in einer Erklärung der Verbraucherzentrale. „Denn mit den Tagesrationen, zu denen die Hersteller raten, kann man rasch über den empfehlenswerten Mengen für Vitamine liegen.“
Wer also denke, viel hilft viel, der täusche sich: Teils bringen die teuer eingekauften Vitamine aus der Retorte keinerlei Nutzen, teils bergen sie sogar ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, wie beispielsweise bei zu viel eingenommenem künstlichem Betacarotin.
Ernährungswissenschaftlerin Vera Hille abschließend dazu: „Obst und Gemüse beinhalten viel mehr als nur Vitamine und Mineralstoffe. Es sind bereits mehr als 20.000 verschiedene gesundheitsfördernde Stoffe aus Obst und Gemüse bekannt. Nahrungsergänzungsmittel dagegen können uns immer nur ein paar wenige ausgewählte Vitalstoffe liefern.“
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