NÖ-ÄrztekammerDie von Bund und Ländern im Rahmen des Finanzausgleichs beschlossene Artikel 15a Vereinbarung stellt einen massiven Angriff auf das österreichische Gesundheitssystem dar. „Von den dadurch bevorstehenden gravierenden Änderungen und der drohenden Demontage sind sowohl Patienten als auch Ärzte massiv betroffen. Hier dürfen wir nicht tatenlos zusehen!“, warnt der Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich, Dr. Christoph Reisner, MSc. „Das ist auch der Grund, warum wir das österreichweite „Volksbegehrens SOS Medizin“ mit 16. November 2016 starten.“

Von den im Zuge der Neuorganisation des Gesundheitswesens geplanten Änderungen ist keine Ärztegruppe mitsamt ihren Patienten ausgenommen. Kassenvertragsärzte, Wahlärzte, Spitalsärzte und vor allem auch Patienten werden die negativen Auswirkungen zu spüren bekommen. „Österreich hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das lassen wir uns nicht kaputtsparen!“, versichert er und erläutert: „Mit dem demokratischen Mittel des Volksbegehrens wollen wir einerseits die Bevölkerung wachrütteln und andererseits langfristig Sicherheit für Ärztinnen und Ärzte, sowie Patientinnen und Patienten schaffen, indem die Forderungen als bundes(-verfassungs-) gesetzliche Regelungen festgeschrieben werden.“

Volksbegehren „SOS Medizin“ – die Forderungen

Erhalt ärztlicher Einzelordinationen und Gruppenpraxen
Die zentrale Gesundheitsplanung sieht vor, dass „kleinteilige Organisationsformen“, also allgemeinmedizinische und fachärztliche Ordinationen, künftig durch zentrale Betreuungseinrichtungen ersetzt werden können. Dies bedeutet, dass die Betreuung und Behandlung, die von Hausärzten und niedergelassenen Fachärzten wohnortnah erbracht werden, in Spitäler oder Ambulatorien verlagert werden, die künftig auch als Parallelstrukturen zur niedergelassenen Ärzteschaft errichtet werden können. „Diese Vorgehensweise wird zur Streichung von Kassenplanstellen und in weiterer Folge zur Auflösung bestehender Kassenordinationen und Verdrängung der „Vertrauensmedizin“ sowie der wohnortnahen Versorgung führen“, warnt Christoph Reisner vor dieser Entwicklung. Besonders niedergelassene Fachärzte könnten damit aus dem österreichischen Gesundheitswesen verschwinden. Diese Entwicklung bedeutet einen massiven Einschnitt ins Gesundheitssystem, denn Ordinationen von niedergelassenen Ärzten hatten bisher Vorrang gegenüber Ambulatorien. Sie sind kosteneffizient, flexibel und patientennah und gerade deshalb so erfolgreich und bei Patienten beliebt.

„Eine Verlagerung von ärztlichen Leistungen aus diesen Ordinationen in Spitäler ist für uns nicht nachvollziehbar. Es herrscht dort ja bereits heute eine enorme Arbeitsverdichtung und -belastung. In den Ambulanzen der Spitäler gibt es keine Ressourcen für Patienten, die aus dem niedergelassenen Bereich verschoben werden sollen“, äußert Dr. Gerrit Loibl, MSc, Vizepräsident der NÖ Ärztekammer, diesbezüglich weitere Bedenken und leitet damit zu einer weiteren Forderung des Volksbegehrens „SOS Medizin“ über.

Begrenzung der Arbeitszeiten für Spitalsärztinnen und Spitalsärzte
Das neue Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz sieht für Spitalsärzte vor, dass diese nicht mehr wie früher 72 Stunden pro Woche und nicht mehr 49 Stunden am Stück arbeiten dürfen. Diese Reduzierung der langen Arbeitszeiten ist aus Sicht der Ärztekammer zu begrüßen. Wenn nun zusätzliche Leistungen aus den Ordinationen in die Spitalsambulanzen verlagert werden sollen, ist eine Aufweichung des Gesetzes nötig. „Dieses Gesetz soll nun kurz nach seiner Einführung wieder geändert werden, um auf dem Rücken von Ärzten und Patienten Kosten zu sparen“, meint Dr. Loibl und setzt nach: „Die Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes muss verhindert werden, denn Spitalsärzte haben genauso wie andere Berufsgruppen ein Recht auf zumutbare Arbeitszeiten und Patienten ein Recht auf ausgeruhte Ärzte.“
 
Kostenerstattung von Wahlarzthonoraren und Niederlassungsfreiheit für Wahlärzte
Die Streichung der Wahlarztkostenrückerstattung, auf die Österreichs Patienten seit 1955 ein Recht haben, wird zwar in der neuen 15a Vereinbarung nicht mehr explizit angesprochen, die Betonung des Vorrangs der „Sachleistungsversorgung“ muss aber als starkes Indiz dafür gesehen werden, dass die Kostenerstattung, also eine Geldleistung, zurückgedrängt werden soll. „Bedauerlicherweise wird dieses Vorgehen vor allem sozial schlechter gestellte Patienten treffen, die sich ärztliche Leistungen beim Wahlarzt ohne Zuschuss durch die Sozialversicherung nicht mehr werden leisten können“, kritisiert Loibl und Reisner ergänzt: „Nach der Einführung von anonymen Versorgungszentren, bei denen der Patient den behandelnden Arzt nicht mehr frei wählen kann, ist dies ein weiterer Angriff auf die freie Arztwahl. Dazu kommt, dass Wahlärzte derzeit den Standort ihrer Ordination frei wählen können. Nun besteht die Gefahr, dass über den regionalen Strukturplan eine Bedarfsprüfung für die Niederlassung von Wahlärzten erforderlich ist. Das heißt, das Recht auf freie Niederlassung könnte fallen.”

Direkte Medikamentenabgabe durch den Arzt
Eine Aufgabe von Ärzten in Ordinationen ist es, die für die Therapie notwendigen Medikamente ihren Patienten zu verordnen. Bis auf wenige Ärzte mit ärztlichen Hausapotheken erfolgt diese Verordnung über den Umweg des Rezeptes und den Weg in eine öffentliche Apotheke. Um mit der Therapie möglichst rasch beginnen zu können und Medikamente patientenfreundlich auch bei Visiten abgeben zu dürfen, betrifft eine der Forderungen des Volksbegehrens die direkte Medikamentenabgabe durch den niedergelassenen Kassenvertragsarzt oder Wahlarzt. „Diese praktische Form der Medikamentenabgabe wird nicht nur von der Ärzteschaft positiv beurteilt. Umfragen haben gezeigt, dass selbst Patienten in Städten ihre verordneten Arzneimittel lieber gleich direkt vom Arzt bekommen“, betont Reisner. Einerseits würde diese Abgabeform weitere Wege ersparen, die gerade für Menschen in ländlichen Gemeinden sehr beschwerlich sein können. Andererseits macht sie aber auch medizinisch Sinn, denn ein früherer Therapiebeginn verbessert den Behandlungserfolg. „Ein Rezept alleine heilt nicht“, gibt Reisner zu bedenken und führt als positives Beispiel den Kanton Zürich an, wo die direkte Medikamentenabgabe selbst in der Stadt Zürich seit Jahren zur Zufriedenheit aller praktiziert wird.

Ärztekammer fordert Bevölkerung zur Unterstützung auf
Mit Plakaten in den Ordinationen, einem Informationsfolder, Videoblogs, vorgedruckten Unterstützungserklärungen, der Website www.sos-medizin.at sowie über www.facebook.com/sosmedizin wird die Bevölkerung ab sofort über die aus der 15a Vereinbarung resultierenden Verschlechterungen im Gesundheitssystem und das Volksbegehren „SOS Medizin“ informiert. „Patientinnen und Patienten werden massiv von den Neuregelungen betreffend Zielsteuerung, Organisation und Finanzierung im Gesundheitswesen betroffen sein. Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, sich gemeinsam mit der Ärzteschaft gegen die drohenden Verschlechterungen zu wehren. Nur wenn wir an einem Strang ziehen, werden wir die Demontage unseres Gesundheitssystems verhindern können“, stellt Christoph Reisner klar.

So kann man das Volksbegehren „SOS Medizin“ unterstützen
1.   Unterstützungserklärungen sind in ärztlichen Ordinationen, auf Gemeindeämtern bzw. Magistraten sowie direkt bei der Ärztekammer für Niederösterreich erhältlich und stehen außerdem auf www.sos-medizin.at zum Download zur Verfügung.
 
2.   Die Unterstützungserklärung muss am Gemeindeamt bzw. dem Magistrat der Hauptwohnsitzgemeinde persönlich unterschrieben und die Unterschrift ebendort mit einem Stempel bestätigt werden.

3.   Für die Übermittlung der unterschriebenen und bestätigten Unterstützungserklärung an die Ärztekammer für Niederösterreich bis spätestens Ende Februar 2017 gibt es drei Varianten:
Ø Die Unterstützungserklärung wird bei der Gemeinde bzw. Magistrat belassen und von dort direkt an die NÖ Ärztekammer übermittelt.
Ø Die Unterstützungserklärung wird beim Arzt abgegeben und von diesem weitergeschickt.
Ø Die Unterstützungserklärung wird direkt an die NÖ Ärztekammer gesendet.

www.arztnoe.at  

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