Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 veränderte Zentraleuropa von Grund auf: Etwa ein Dutzend neuer Staaten waren die Nachfolger von vier alten, multiethnischen und vielsprachigen Imperien, nahezu sämtliche Grenzen wurden neu gezogen. In dieser Region entstand ein „Neues Europa“, das in vielfacher Weise noch immer die Gegenwart europäischer Politik und Alltagskultur prägt. In vielen Gegenden Europas lösen die Folgen dieses „Großen Kriegs“ bis heute Emotionen aus und werden nach wie vor sehr widersprüchlich gesehen – von den einen als Niederlage und Katastrophe, von anderen als Anfang der nationalen Befreiung und Unabhängigkeit.
Die Ausstellung „Nach dem Großen Krieg“ versucht unterschiedliche Erinnerungen und festgeschriebene nationale Geschichtsschreibungen hinter sich zu lassen. Damit soll BesucherInnen erstmals ermöglicht werden, sich mit der Neugestaltung Zentraleuropas zwischen 1918 und 1923 und ihren bis heute spürbaren Folgen aus einer europäischen Perspektive auseinanderzusetzen.
„Ereignisse machen nicht an Staatsgrenzen halt. Das verdeutlicht diese eindrucksvolle Ausstellung, die wir frei und barrierefrei zugänglich auf den Wiener Heldenplatz bringen. Der europäische Blick auf die turbulenten Anfangsjahre der Zwischenkriegszeit bietet eine völlig neue Perspektive auf die Geschichte unseres Kontinents.“, sagt Monika Sommer, Direktorin des Haus der Geschichte Österreich / HdGÖ. „Österreich ist mit der Geschichte Zentraleuropas eng verwoben. Die Ausstellung leistet einen Beitrag, besseres Verständnis füreinander zu entwickeln. Gerade in Zeiten wie den aktuellen, in denen Nationalismen wieder auf dem Vormarsch sind, ist bessere Geschichtsbildung das Um und Auf. Deshalb veranstalten wir auch direkt vor Ort auf dem Heldenplatz regelmäßig Führungen.“
Europäische Perspektive, neu entdeckt
Mit der Ausstellung „Nach dem Großen Krieg. Ein neues Europa 1918–1923“ hat sich eine Initiative für eine europaweite Erinnerungskultur vorgenommen, erstmals einen Überblick über eine europäische Geschichte dieser Zeit zu bieten. Das Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität ist eine Organisation zur Erforschung, Dokumentation und Vermittlung europäischer Zeitgeschichte und will eine gemeinsame europäische Erinnerungskultur schaffen. Insgesamt waren 40 HistorikerInnen aus 18 Ländern am Projekt beteiligt. Die von ihnen erarbeitete Ausstellung erzählt in Zusammenarbeit mit dem hdgö von Ereignissen, die nicht an Staatsgrenzen halt machen.
Dazu zählen Not und Hunger im Alltag nach dem Ersten Weltkrieg ebenso wie die sogenannte Spanische Grippe, die Millionen Todesopfer auf allen Kontinenten forderte. Diese wurde von HistorikerInnen praktisch ignoriert – so lange, bis die Gegenwart die Vergangenheit zu einer brennenden Frage machte. Die Geschichtsschreibung in Österreich und seinen Nachbarstaaten setzte sich kaum mit der Aufarbeitung jener Themen auseinander, die länderübergreifende Herausforderungen darstellten und nicht in den Rahmen einer „nationalen“ Geschichte passten. Auch ein Detail wie jenes, das Österreich als erster Staat der Welt ein Gesundheitsministerium einrichtete, wurde erst jüngst wiederentdeckt. Auch das zeigt: Woran Menschen und Gesellschaften sich erinnern, hängt von der Gegenwart ab.
Die Ausstellung am Heldenplatz
Ein weiß-silberner Pavillon in Form eines Würfels beherbergt die Outdoor-Ausstellung auf dem Heldenplatz, die trotz der offenen Form nicht auf beeindruckende Medien, interaktive Tools und sogar ein Originalobjekt verzichtet. Die oft komplizierten Entwicklungen werden in einfach verständlicher Form präsentiert und machen Geschichte im öffentlichen Raum für alle zugänglich. Die Architektur der Ausstellung schafft einen Hingucker am Heldenplatz, direkt neben dem Burgtor, das in der Zeit der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur zum faschistischen Großdenkmal für den Ersten Weltkrieg umgestaltet wurde.
Weitere Details zu Österreich und seinen Nachbarstaaten in dieser Zeit bietet, direkt daneben in der Neuen Burg, die Hauptausstellung des HdGÖ im Museum selbst.
Quelle: Haus der Geschichte Österreich / HdGÖ
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Das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ)
Das Haus der Geschichte Österreich ist das erste zeitgeschichtliche Museum der Republik und organisatorisch an die Österreichische Nationalbibliothek angebunden. Angesiedelt am geschichtsträchtigen Heldenplatz in der Neuen Burg, bietet das HdGÖ in seinen Ausstellungen Einblicke in die wichtigsten politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts bis ins Heute. Außergewöhnliche Objekte, teils noch nie gezeigte Dokumente und interaktive Medienstationen machen Zeitgeschichte für Klein und Groß erlebbar – in historischen Räumen mit zeitgemäßer Architektur und Gestaltung. Viele Fragen und Themen der österreichischen Zeitgeschichte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft werden in Themenführungen, Workshops und Veranstaltungen diskutiert. Für alle, die unterwegs oder zu Hause neugierig auf Geschichte sind: Eigene Web-Ausstellungen, aktuelle Schwerpunktthemen und interaktive Bildersammlungen bieten unter www.hdgoe.at immer wieder Neues aus der Vergangenheit.