Birgit Jürgenssen.  Jeder hat seine eigene Ansicht, 1975. Foto: © Estate Birgit Jürgenssen / Courtesy Galerie Hubert Winter, Wien / Bildrecht, Wien 2021 / Sammlung Verbund, Wien

Das Lentos Kunstmuseum Linz bietet heuer ein breites Spektrum an Ausstellungen: Von der Analyse radikaler Nationalismen über die Beschäftigung mit den Themen Kindheit und Feministische Avantgarde, bis hin zu Einzelausstellungen der Künstlerinnen Emmy Haesele und Ida Maly. Das NORDICO Stadtmuseum Linz widmet sich dem jungen Hitler und setzt auf die Kraft sozialistischer Stadtarchitektur.

Das Lentos startet mit Transformation und Widerkehr – die Schau betrachtet faschistoide Mechanismen im Spiegel zeitgenössischer Kunst – ins Ausstellungsjahr 2021. Die Präsentation im großen Saal zu Franz Gertsch, die bis Mitte April verlängert werden konnte, wird von der Ausstellung Wilde Kindheit abgelöst. Gezeigt werden 170 KünstlerInnen, Positionen von 1900 bis heute, die kritisch, realistisch differenziert, aber auch mit viel Ironie und Humor kindliches Glück ebenso wie Frustration dokumentieren. Parallel dazu werden die expressiven, märchenhaften und mystischen Zeichnungen von Künstlerin Emmy Haesele (1894–1987) im Untergeschoss präsentiert. Im Herbst zeigt die Feministische Avantgarde aus der Sammlung Verbund wie 81 Künstlerinnen die Konstruktion des Weiblichen in den 1970er-Jahren hinterfragten. Zeitgleich wird das Werk der talentierten Malerin Ida Maly (1894–1941), einer österreichischen Künstlerin, die Ende der 1920er-Jahre als „Schizophrene“ in einer psychiatrischen Anstalt institutionalisiert wurde, präsentiert. „Das Programm für das Jahr 2021 legt den Fokus auf zwei Themen, einerseits eine vertiefte Auseinandersetzung mit feministischen Künstlerinnen und weiblichen Künstlerinnenbiografien, wobei wir da einem nun seit einigen Jahren bestehenden internationalen Trend folgen. Zweitens setzen wir einen Schwerpunkt im Bereich Zeitgeschichte, dies z.B. mit der Ausstellung Der junge Hitler oder mit der künstlerischen Analyse nationalistischer Ideologien in Transformation und Wiederkehr.“, so Direktorin Hemma Schmutz.

Auf die Street Art Ausstellung Graffiti & Bananas folgt im NORDICO Stadtmuseum im Frühling die Schau Der junge Hitler, welche die prägenden Jahre des Diktators von 1889–1914 thematisiert. Die Ausstellung ist eine Koproduktion zwischen dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich und dem NORDICO Stadtmuseum Linz. Im Herbst konzentriert sich Gebaut für Alle auf die sozialen Architekturvorhaben und in Linz realisierten Bauten der Architekten Curt Kühne (1882–1963) und Julius Schulte (1881–1928) zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis Anfang des Zweiten Weltkriegs. „Im heurigen Jahr können wir mit zwei historisch äußerst interessanten Ausstellungen aufwarten. Wir hoffen auch künftig wieder mehr Programm vor Ort stattfinden lassen zu können, um uns vermehrt diskursiv mit diesen Themen unter der Anleitung unserer äußerst versierten Kunstvermittlung auseinander setzen zu können.“, so NORDICO Leiterin Andrea Bina.

Auch im Coronajahr konnten einige Erfolge verzeichnet werden, darunter Digitalisierungs- maßnahmen wie ein Angebot virtueller Museumsrundgänge, Webinare oder der Online-Gang des NORDICO Fotoarchivs. Zusätzlich wurden die Sammlungen durch Ankäufe und Schenkungen gestärkt, u.a. durfte sich das Lentos über eine Schenkung von sechs Gemälden der britisch- österreichischen Künstlerin Marie-Louise von Motesiczky und den Ankauf des Zamp-Kelp-Archivs mit einem großen Konvolut von Werken der 1970er-Jahre Architekturavantgarde Hausrucker & Co durch die Stadt Linz freuen. „12 Ausstellungen zusätzlich zur Schau der eigenen wertvollen Sammlungen sind mehrfach gute Gründe 2021 die städtischen Museen zu besuchen. Mit dem ambitionierten und abwechslungsreichen Jahresprogramm, einem neu gestalteten Lentos-Shop, einem neuen Internetauftritt und online-Angeboten wollen wir das Publikum zurückgewinnen.“, wirbt Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer für den sicheren Kulturgenuss in den Museen.

Das vergangene Jahr war durch die langen Schließzeiten der Museen von massiven Einbußen durch den BesucherInnenrückgang und Entfall geplanter Umsatzerlöse geprägt. „Auch 2021 wird kein normales Museumsjahr werden. Es ist von nachfrageseitigen Einbußen und einer Fortsetzung der wirtschaftlichen Herausforderungen auszugehen, aktuell können wir aber immer noch ein ausgeglichenes Budget vorweisen.“, so Gernot Barounig, Kaufmännischer Direktor Museen der Stadt Linz.

Erfolge, Schwerpunkte, Ausblicke

Neuer Außenauftritt und Neugestaltung Museumsshop

Seit Herbst 2020 präsentieren sich das Lentos Kunstmuseum Linz und das NORDICO Stadtmuseum Linz im neuen Look. Das Studio für Grafikdesign und Art Direction OrtnerSchinko hat für die Museen der Stadt Linz das äußere Erscheinungsbild neu konzipiert. In einer zweiten Umsetzungsphase des neuen Außenauftritts wird bis Frühling 2021 auch der Online-Auftritt der Museen von Grund auf neu konzipiert. Das Lentos Kunstmuseum hat den zweiten Lockdown genutzt, um den Museumsshop neu gestalten zu lassen. Auf rund 100 Quadratmetern Fläche findet sich im Foyer ein vielfältiges Sortiment an Designgegenständen, Schmuck trendiger Labels und Publikationen zeitgenössischer Kunst.

Sammlungserweiterung, Schenkungen und Ankäufe

Im vergangenen Jahr konnte die Sammlung der Museen um wertvolle Schenkungen und Ankäufe erweitert werden. Die Stadt Linz erwarb kürzlich das Archiv des Architekten und Hochschulprofessors Günter Zamp Kelp, das ein großes Konvolut – rund 550 Arbeit – der international bekannten Künstlergruppe Haus-Rucker-Co umfasst. Wichtige Hauptwerke der österreichischen Avantgarde der 1960er und 1970er Jahre wurden somit Teil der Lentos Sammlung. Aktuell werden die Ankäufe in die Sammlung aufgenommen und katalogisiert. Das Kunstmuseum durfte sich ebenfalls über sechs wertvolle Gemälde der österreichisch-britischen Malerin Marie- Louise von Motesiczky (1906–1996) freuen. Der Marie-Louise von Motesiczky Charitable Trust hat dem Museum nach jahrelanger erfolgreicher Zusammenarbeit eine Reihe von Werken der bedeutenden Künstlerin im Wert von rund 220.000 Euro überlassen. Der im Frühling erfolgte Aufruf des NORDICO an alle LinzerInnen ihre Corona-Erfahrungen zu dokumentieren und gemeinsam Stadtgeschichte zu schreiben, war überaus erfolgreich. Das Museum erhielt über 250 Einsendungen, die nach einer kuratorischen Auswahl Eingang in die Sammlung finden werden.

Urnenhain Feuerhalle, Linz-Urfahr. Hans Arndt, Rudolf Nowotny, Julius Schulte, Paul Theer. Foto: © Gregor Graf

EU Projekt MemAct!

Das EU-Projekt MemAct! Memory, Agency and the Act of Civic Responsibility entwickelt unter der Leitung der Kunstvermittlung des Lentos Kunstmuseum und NORDICO Stadtmuseum in einer internationalen Kooperation neue Methoden für die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Museen, Gedenkstätten und Schulen. Das dabei entstehende Online-Toolkit soll VermittlerInnen und PädagogInnen bei einer partizipativen Bildungsarbeit im Bereich der Holocaust Education unterstützen. Ausgangspunkt für das auf die pädagogische Praxis bezogene Forschungsprojekt sind die für 2021 geplanten Ausstellungen Der junge Hitler im NORDICO und Transformation und Widerkehr im Lentos.

Museen Digital

Die digitalen Initiativen der Museen der Stadt Linz erstreckten sich im letzten Jahr von der Digitalisierung aktueller Ausstellungen wie Paweł Althamer, Jakob Lena Knebl oder den Sammlungspräsentationen – in Zusammenarbeit mit dem Innovationshauptplatz und dem Start-Up qapture – über ein Do-It-Yourself-Atelier für Familien zum Download oder diskursive Webinare in Zusammenhang mit den aktuellen Ausstellungen bis hin zum Online-Gang der Fotosammlung des Stadtmuseum NORDICO. Die im Frühling 2020 entstanden virtuellen Museumsrundgänge verzeichneten insgesamt mehr als 7.000 Views und eine Verweildauer von durchschnittlich 6 Minuten. Auch kommendes Jahr werden digitale Initiativen weiterhin forciert. Am virtuellen Programm stehen: Die Videoserie #SpotlightOn, in der hauseigene ExpertInnen Einblicke in künstlerische Entstehungsprozesse, wissenswerte Fakten und besondere Gegebenheiten rund um die vorgestellten Kunstwerke und Objekte geben. Das für Frühling 2021 geplante „Graffiti Forum“ wird in hybrider Form sowohl im NORDICO Stadtmuseum vor Ort, als auch Online durchgeführt werden. Darüber hinaus werden die erfolgreichen Webinare – bisher konnten an nur zwei Terminen schon über 150 TeilnehmerInnen aus aller Welt erreicht werden – mit einem ExpertInnenpodcast verknüpft und fortgeführt.

Ausstellungen 2021 im Lentos Kunstmuseum Linz

Wilde Kindheit – 12.5.–5.9.2021 – Großer Saal

„Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“, erklärt Pippi Langstrumpf. Eine solche Selbstgewissheit würden wir uns für unsere Kinder wünschen, doch haben sie aktuell die Chance, sich ungebremst auszuleben? Die heutige Überbehütung durch Helikopter- und Rasenmähereltern und die fortschreitende Digitalisierung, die den Bewegungs- und Entdeckungsdrang der Kinder einschränkt, lassen daran zweifeln. Kinder überstehen zwar die absurdesten Erziehungskonzepte, ebenso wie Krieg, soziales Elend, Vernachlässigung oder Missbrauch, doch um welchen Preis? Die Ausstellung zeigt mit 170 KünstlerInnen Positionen von 1900 bis heute, die kritisch, realistisch differenziert, aber auch mit viel Ironie und Humor kindliches Glück ebenso wie Frustration dokumentieren. Sie machen uns bewusst, dass es an uns liegt, unseren Kindern eine Kindheit zu ermöglichen, die es wert ist, sich an sie zu erinnern. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation.

Feministische Avantgarde aus der Sammlung Verbund – 24.9.2021–9.1.2022 – Großer Saal

Das Lentos zeigt mit über 250 Kunstwerken aus der Wiener Sammlung Verbund, wie 81 Künstlerinnen die Konstruktion des Weiblichen in den 1970er-Jahren hinterfragten. Die Ausstellung hebt die Pionierleistung der „Feministischen Avantgarde“ hervor. Den Begriff prägte Gründungsdirektorin Gabriele Schor, um den Kunstkanon zu erweitern. Erstmals in der Geschichte der Kunst zeigten viele Künstlerinnen in Europa und den USA die Unterdrückung der Frau. Dabei setzten sie den eigenen Körper als soziales Zeichen ein. Sie prangerten die Einschränkung auf die Rolle der Mutter, Haus- und Ehefrau an; visualisierten das Eingesperrt-Sein, die weibliche Sexualität, das Diktat der Schönheit und fächerten eine Vielzahl von weiblichen Identitäten auf. Erstaunlich ist, dass formal ähnliche Strategien entstanden, obwohl die Künstlerinnen einander nicht kannten. Zur Ausstellung gibt es eine umfangreiche Publikation.

Transformation und Widerkehr
Radikale Nationalismen im Spiegel der zeitgenössischen Kunst – 24.3.–6.6.2021 – Untergeschoss

Parallel zur Kontinuität rechtsextremer politischer Ideen existiert ein Nachleben der wiederholten Repräsentation des Faschismus in der Kunst, sowie eine Aneignung seiner ästhetischen Versatzstücke in Populär- und (transgressiver) Subkultur. Die internationale Gruppenausstellung versammelt künstlerische Positionen einer Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen. Sie reichen von Aneignung und „mimetischer Subversion“ bis hin zur analytischen Betrachtung, Reinszenierung und Dekonstruktion faschistoider Mechanismen.

Die gezeichnete Welt der Emmy Haesele – 25.6.–29.8.2021- Untergeschoss

Emmy Haesele (1894–1987) wächst in großbürgerlichen Verhältnissen in Wien auf. Nach dem Ersten Weltkrieg zieht sie mit ihrem Ehemann, dem Arzt Hans Haesele, in die kleine Landgemeinde Unken bei Lofer. An Philosophie und Theosophie umfassend interessiert, beginnt sie ab 1931 zu zeichnen. Oskar A. H. Schmitz, Schriftsteller und Schwager Alfred Kubins, fädelt bald darauf ein Treffen der dem Übersinnlichen zugeneigten Frau mit dem renommierten Zeichner Kubin ein. Bis 1936 intensiviert sich die Beziehung zwischen dem alternden Magier von Zwickledt und der jungen, selbstbewussten Emmy. Angeregt von ihren inneren Bildern erschafft sie expressive, märchenhafte, bisweilen auch verstörend zugespitzte Sinnbilder. Thematisch ziehen ihre Zeichnungen nach und nach immer größere Kreise: von ihrem eigenen Liebesleid und dem Tod naher Angehöriger über religiöse Motive bis hin zu profanen Themen und globalen Zusammenhängen des Umweltschutzes und des Kalten Krieges. Die Ausstellung im Lentos zeigt eine umfassende Retrospektive ihres Schaffens. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation.

Ida Maly.  Ohne Titel (Frau mit Krawatte), ca. 1928/30. Bild: Graz Museum, GRA-12279

Ida Maly – Zwischen den Stilen – 22.10.2021–9.1.2022 – Untergeschoss

Die österreichische Künstlerin Ida Maly (1894–1941) lebte und arbeitete in Wien, München, Berlin und Paris. Ende der 1920er-Jahre als „Schizophrene“ in einer psychiatrischen Anstalt institutionalisiert, wirken ihre dort entstandenen Werke wie Prophezeiungen auf die Gräuel der „Euthanasie“ der Nationalsozialisten an Psychiatrieinsassen. 1941 wurde Ida Maly in der Tötungsanstalt Schloss Hartheim ermordet. Ihr Werk dokumentiert den Weg einer talentierten Malerin in den vermeintlich Goldenen Zwanzigern, die „zwischen den Stilen“ zu ihrer individuellen künstlerischen Sprache fand. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation.

Adolf Hitler (oberste Reihe, Mitte) in der 4. Klasse Volksschule in Leonding, 1899–1900. Foto © Österreichische Nationalbibliothek

Ausstellungen 2021 im NORDICO Stadtmuseum Linz

Der junge Hitler – Prägende Jahre eines Diktators 1889–1914 – 16.4.2020–15.8.2021

Vor mehr als 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, entfesselt von Adolf Hitler und den Nationalsozialisten. Im NORDICO nimmt man das zum Anlass, nach den Anfängen zu fragen: Woher kamen Militarismus, Rassenhass und Antisemitismus? Wie weit waren sie in der Gesellschaft bereits verankert, ehe der Erste Weltkrieg ausbrach? Eine Parallelerzählung präsentiert die Biografie Hitlers bis 1914 und die politischen Strömungen dieser Zeit. Die Ausstellung ist eine Koproduktion zwischen dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich und dem NORDICO Stadtmuseum Linz. Zur Ausstellung erschien die Biografie Hitler. Prägende Jahre. Kindheit und Jugend 1889–1914, von Hannes Leidinger und Christian Rapp, Residenz Verlag, 256 Seiten, € 24,00.

Gebaut für Alle – Curt Kühne und Julius Schulte planen das soziale Linz (1909–38) – 3.9.2021– Frühling 2022

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts stand Linz an der Schwelle zur Moderne. Die baulichen Erfordernisse einer wachsenden Stadt und die Anpassung an Entwicklungen der Zeit waren zu bewältigen. Mit Curt Kühne (1882–1963) und Julius Schulte (1881–1928) widmeten sich zwei bedeutende Planer diesem Ziel. Für Kühne als Stadtbaudirektor und Schulte als Mitarbeiter ging es weniger um die Durchsetzung einer radikalen Moderne denn um die Schaffung einer sozial orientierten Stadt. Die von ihnen geschaffenen öffentlichen und privaten Bauten (Schulen, Siedlungen, Wohnhäuser, etc.) weisen eine hohe gestalterische Qualität aus und prägen bis heute das Linzer Stadtbild mit. Die Ausstellung zeigt anhand von Plänen, historischen und aktuellen Fotografien, sowie zeitgenössischen Dokumenten das Schaffen der beiden Architekten und deren Wirkung. Zur Ausstellung ist ein Katalog in deutscher Sprache mit rund 200 Seiten geplant.

Quelle: Museen der Stadt Linz GmbH

Lesen Sie mehr über das Lentos Kunstmuseum Linz bei uns bitte hier;

www.lentos.at

Und über das NORDICO Stadtmuseum Linz bitte hier;

www.nordico.at

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