Vor 30 Jahren, am 23. Jänner 1993 versammelten sich rund 300.000 Menschen auf dem Wiener Heldenplatz und in verschiedenen Landeshauptstädten in Österreich, um ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung zu setzen. Das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) erinnert an die bislang größte Kundgebung der Zweiten Republik mit der wachsenden Web-Ausstellung „Das Lichtermeer 1993. Ein prägendes Zeichen der Zivilgesellschaft“, die heute startet.
Organisiert von einer kleinen Gruppe an Personen sollte das Lichtermeer 1993 ein starkes Zeichen gegen migrant*innenfeindliche, rassistische Tendenzen und entsprechende Gesetzesverschärfungen setzen. Die breit angelegte Initiative gelang: Sie gilt als bislang größte Demonstration der Zweiten Republik und gleichzeitig als Meilenstein für eine Zivilgesellschaft in Bewegung. Das HdGÖ würdigt dieses Ereignis mit der partizipativen Web-Ausstellung und ruft dazu auf, online eigene Erinnerungen in Form von Fotos, Videos oder dem Bild eines Gegenstandes beizutragen.
Von der Kundgebung – die neben Wien auch in Linz, Innsbruck, St. Pölten, Eisenstadt, Salzburg, Klagenfurt und anderen Orten in Österreich stattfand – gibt es in Museen nämlich bislang kaum Objekte. Durch die Beiträge von Besucher*innen soll erstmals eine Sammlung von Erinnerungen an diesen zentralen Moment der österreichischen Zeitgeschichte entstehen. HdGÖ-Direktorin Monika Sommer meint dazu: „Das Lichtermeer ist der Höhepunkt geballter zivilgesellschaftlicher Kraft in der Geschichte der Zweiten Republik. Die Kundgebung hat es geschafft, dem Heldenplatz eine neue Bedeutungsschicht zu geben: Als Platz der Zivilgesellschaft, die als laute und selbstbewusste Akteurin am zentralen Platz der Republik ihre Meinung kundtut und Österreich mitgestalten will. Zum dreißigjährigen Jubiläum wollen wir gemeinsam Erinnerungen und Objekte zu diesem Ereignis sammeln, bevor sie verloren gehen. Unsere Web-Ausstellung entsteht und wächst durch die Beiträge von Besucher*innen, die uns die Geschichte des Lichtermeers aus ihrer persönlichen Perspektive erzählen.“
Konkret fragt das Museum um Fotos, Videos oder der Aufnahme von Gegenständen, die an dieses Ereignis erinnern. Sehr willkommen sind auch Beiträge von Menschen, die damals neu nach Österreich gekommen sind oder schon länger in Österreich gelebt haben und von Hass und Rassismus betroffen waren – unabhängig davon, ob sie an der Veranstaltung teilgenommen haben. Unter diesem Link können bestehende Beiträge besichtigt und eigene hochgeladen werden. Beim Hochladen kann das Objekt auch der Sammlung des HdGÖ angeboten werden. Gleichzeitig zur Veröffentlichung sind Beispiele dafür auch schon direkt in der Hauptausstellung des Museums zu sehen. Im Foyer des HdGÖ zeigt eine Vitrine physische Erinnerungsstücke an das Lichtermeer.
Zum Lichtermeer 1993
Den konkreten Anlass für das Lichtermeer bildete das von der FPÖ im Herbst 1992 angekündigte Volksbegehren „Österreich zuerst“. Es forderte einen Einwanderungsstopp und Gesetze, die Migrant*innen diskriminierten. Entwickelt wurde die Veranstaltung dagegen mit dem Untertitel „Ereignis der wunderbaren Art“ von einer kleinen Personengruppe, der es gelang, eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung in Gang zu setzen. Sie wurde von Einzelpersonen und Gruppierungen aus nahezu allen politischen Lagern getragen – etwas völlig Neues in der politischen Kultur Österreichs.
Die Bewegung beschränkte sich nicht allein auf die Kritik am Volksbegehren: Sie thematisierte migrant*innenfeindliche und rassistische Tendenzen in der Gesellschaft allgemein und kritisierte die Verschärfung der Gesetzeslage speziell für Migrant*innen während der rot-schwarzen Bundesregierung. Aus der Veranstaltung ging der Verein SOS Mitmensch hervor, der seither für die Durchsetzung von Menschenrechten eintritt. Als bis heute größte Demonstration der Zweiten Republik setzte das Lichtermeer ein wichtiges Zeichen. Allerdings wurden viele Forderungen des FPÖ-Volksbegehrens in den folgenden Jahren dennoch umgesetzt, vor allem von anderen Parteien.
Quelle: Haus der Geschichte Österreich / HdGÖ
Foto 1 und 3: Lukas Beck für das HdGÖ
Foto 2: Bernhard Hachleitner für das HdGÖ
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Das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ)
Das Haus der Geschichte Österreich ist das erste zeitgeschichtliche Museum der Republik und organisatorisch an die Österreichische Nationalbibliothek angebunden. Angesiedelt am geschichtsträchtigen Heldenplatz in der Neuen Burg, bietet das HdGÖ in seinen Ausstellungen Einblicke in die wichtigsten politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts bis ins Heute. Außergewöhnliche Objekte, teils noch nie gezeigte Dokumente und interaktive Medienstationen machen Zeitgeschichte für Klein und Groß erlebbar – in historischen Räumen mit zeitgemäßer Architektur und Gestaltung. Viele Fragen und Themen der österreichischen Zeitgeschichte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft werden in Themenführungen, Workshops und Veranstaltungen diskutiert. Für alle, die unterwegs oder zu Hause neugierig auf Geschichte sind: Eigene Web-Ausstellungen, aktuelle Schwerpunktthemen und interaktive Bildersammlungen bieten unter www.hdgoe.at immer wieder Neues aus der Vergangenheit.