Es war ein sehr ereignisreiches Leben, aus welchem uns Erni Mangold in ihrer so typischen nonchalanten Art erzählt. Zehn Jahre musste man die einstige Weggefährtin von Helmut Qualtinger, Peter Patzak, O.W. Fischer oder Gustaf Gründgens überreden, bis sie endlich ihre Biografie „Lassen Sie mich in Ruhe“ schrieb. Ein halbes Jahr plauderte sie immer wieder mit der Autorin Doris Priesching, und meint dazu: „Es ist etwas Wunderbares, ohne Schnörksel, ohne Trallala daraus geworden. Ein Freund hat mir gesagt, das Buch liest sich so, als würde man mit mir telefonieren.“
Eine dicke Strickjacke, die langen Haare streng zurück gebunden, so kennt man sie, die Erni Mangold. Man konnte sie als exzentrische Lisi in der Komödie “Altweiberfrühling” bewundern. Aufmüpfig, unkonventionell, emanzipiert. Ganz so, wie sie eben selber ist. Das Buch lässt sich so herrlich leicht lesen, ist interessant, lustig und so geradlinig wie die Erzählerin selbst. “Sie ist eine richtige Bissgurn, aber eine ganz große Schauspielerin”, meinte etwa Bühnenkollege Heinz Petters zärtlich über sie. Und es kam kein Widerspruch von ihr …
Erni Mangold ist dagegen. Das war sie immer schon. Gegen Männer, die Frauen als Freiwild betrachten, gegen hochmütige Professoren und alle, die sie in eine Schublade stecken wollen. Gegen Konventionen und verlogene Moral. Gegen Schminke und Büstenhalter. Sie kam 1927 im Wirtshaus ihrer Großeltern in Großweikersdorf beim Sauschlachten zur Welt. Ihre Mutter war 22 Jahre alt und hatte schon sieben Abtreibungen hinter sich. 18 war die Mutter, Tochter eines reichen Bauern, als sie den um 17 Jahre älteren Bad Ischler Heinrich Goldmann heiratete und ihren Beruf als Pianistin aufgab. „Später warf sie das meinem Vater vor. Die Ehe wurde zur Strindberg-Ehe“.
Erni liebte ihren Vater. Er war Lehrer, Direktor und Maler. „Er erzog mich „goetheatinisch“. „Er wollte aus mir eine wohlerzogene Bildungsbürgerin machen.“ Ihre Mutter mochte sie nicht, nicht weil sie Erni schlug, sondern weil sie keine Liebe zeigen konnte. Bis zu ihrem 14. Lebensjahr hat Erni Mangold an das Christkind geglaubt. Mit 15 war sie die jüngste in der Schauspielschule Krauss. Nachdem sie mit ihren Eltern nach Wien übersiedelte, entwickelte sich ihre Leidenschaft zur Oper. Herbert von Karajan machte ihr den Hof, sie ging mit ihm aus – und gab ihm einen Korb. „Er war damals schon sehr eitel, eine Persönlichkeit ohne Zweifel, allerdings sehr klein, so überhaupt nicht mein Männertyp.“
Erni Mangold war in inniger Freundschaft mit Helmut Qualtinger verbunden. Sie verstanden sich politisch, kulturell und menschlich sehr gut. Er prägte sie als Mensch und Künstlerin. An seiner Seite genoss sie die Freiheit im zerbombten Nachkriegs-Wien: “Wir waren Schmuddelkinder und hielten uns gern in den Ruinen der Stadt auf. Wir waren happy, dass alles kaputt war, denn nun müsste etwas Neues nachkommen. Erst später hatten wir gemerkt, dass damit nicht zu rechnen war. Wir wuschen uns nie, nachts badeten wir in irgendwelchen Brunnen in Wien und soffen Rum.“ Und sie studierte eine Philosophie. „Wir waren zynisch und wir haben alle philosophiert“. Ohne BH zu gehen, war damals ein Skandal. Erni Mangold trägt bis heute keinen.
Ihr Zuhause damals: das „Cafe Gutruf“ bei der Peterskirche im 1. Wiener Gemeindebezirk. “Unsere Schmähsüchtigkeit, gepaart mit Zynismus, war dort berühmt”, erinnert sie sich. “Wir hatten große Gedanken … oder gar keine. Mit einem Wort: Wir waren gerne böse und haben sehr viel getrunken.” Gustaf Gründgens engagierte sie ans Hamburger Schauspielhaus. Anfang der 1950er-Jahre wird sie als junges, hübsches Blondchen auch für den Film entdeckt. Erni Mangold spielt u. a. in “Abenteuer im Schloss” und in “Lavendel – Eine ganz unmoralische Geschichte”. Sie ist die hörige Geliebte des Hellsehers “Hanussen” (1955) im gleichnamigen Film mit O. W. Fischer. Viele damalige Zeitgenossen erkannten sehr bald die Qualität ihres Widerstandes. Gustaf Gründgens, Karl-Heinz Stroux, Rainer Werner Fassbinder, Erich Neuberg, Peter Patzak, Werner Schwab und Xaver Schwarzenberger gehörten dazu.
“Ich war immer ein Sexbömbchen, also wurde auf Sex reduziert und das hat mich schon sehr geärgert.” Mit 19 Jahren verlor sie ihre Unschuld. Als sie mit Heinz Reincke verheiratet war, war Sex ein wichtiges Thema für die „Sinnliche Natur“. Von ihnen und all den anderen erzählt Erni Mangold in ihrer lesenswert weil mitunter immer wieder äußerst heiteren Biografie „Lassen Sie mich in Ruhe“.
Seit 1984 lebt Erni Mangold in Gars am Kamp in einem Waldviertler Haus. Sie pendelt im Jahr an die 30.000 Kilometer. Unermüdlich steht sie auf der Bühne oder vor der Kamera und das seit 70 Jahren. „Ich bin ein Leistungsmensch.“ sagt sie über sich. Man kennt Erni Mangold aus TV-Produktionen („Der Bockerer“, “Kaisermühlen-Blues”, “Kottan ermittelt”) ebenso, wie aus Kinofilmen („Drei Herren“ u.a.). Auf Theaterbühnen spielte und brillierte sie – vor Corona – in der Josefstadt. Von “Ruhe-Stand” könne bei ihr keine Rede sein, es gäbe genug Anfragen für neue reizvolle Rollen.
Am heutigen 26. Jänner begeht die im Jahre 1927 geborene Erni Mangold ihren 94. Geburtstag. Und sie ist aktiv wie eh und je. Die Schauspielerin fühlt sich – gemäß eigener Aussage – nicht ihrem Alter gemäß. Sie meint, dass sie biologisch viel jünger sei und ihr Geist nach wie vor quirlig ist. Aber sie muss lernen, auf den Körper zu hören, wenn dieser eben ab und an ein bisserl zum Bremsklotz wird. Und, Erni Mangold hat immer noch eine ganze Menge zu erzählen …
“Aber jetzt – jetzt lassen wir Sie in Ruhe!”
Lassen Sie mich in Ruhe – Erinnerungen von Erni Mangold
287 Seiten, 80 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Gebunden, Deutsch
Aufgezeichnet von Doris Priesching,
Amalthea-Verlag ISBN: 978-3-99050-063-7
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