Am 21. Februar 1998 – demnach vor 25 Jahren – verstarb mit Karl „Vogerl“ Geyer der einstige „Eisenbahner-Profi“ in Sachen Fußballsport, der zu Lebzeiten stets großen Wert darauf gelegt hatte und nie müde wurde, immer wieder zu betonen, dass er um satte 12 Jahre älter als sein geliebter FK Austria Wien ist. Karl Geyer kam am 24. März 1899 in Wien zur Welt, die Wiener Austria gründete sich als Wiener Amateur-Sportverein am 15. März 1911.
Seine ersten Fußball-Schuhe zerriss der 14-jährige Karl, dessen Eltern in der Dresdner Straße eine Fleischhauerei betrieben hatten, bereits vor dem Ersten Weltkrieg beim SC Donaustadt, der im zweiten Wiener Gemeindebezirk beheimatet war. Im Jahre 1913 existierte eine Vorgabe, wonach Kinder erst mit der Vollendung des 14. Lebensjahres einer Vereinigung – Singen, Schwimmen, Tanzen, Turnen, Fußball, etc. – beitreten dürfen. Vorher jedoch nicht. Mit 17 Jahren dann der Einzug zum Militär. Nach 18 Monaten Soldatendasein in der k.u.k.-Armee und gleichzeitigem Dienst an der Isonzofront im „Großen Krieg“ – heute als Erster Weltkrieg bekannt – wurde er Eisenbahner und begann seine Tätigkeit in der Zahlstelle des Nordbahnhofes in der Innstraße. Und Eisenbahner ist er sein ganzes Leben lang geblieben. „Auch als Fußball-Profi war ich zuallererst Sportler und Eisenbahner!“, so Karl Geyer anhand eines oepb-Interviews Jahrzehnte später.
Als er eines schönen Tages am Straßenbahnerplatz in der Engerthstraße als Mittelstürmer sämtliche 6 Tore für die Donaustädter erzielte, wurden natürlich die größeren Vereine in Wien auf ihn aufmerksam. Der WAF lockte mit mehr Geld als der WAC, doch Geyer entschied sich für den Prater-Klub: „Das hatte folgenden Grund. Zum WAF hinaus nach Hütteldorf hätte ich mit der teuren Tramway fahren müssen, zum nahe gelegenen Wiener AC konnte ich ganz einfach zu Fuß gehen, oder mit dem Radl hinfahren und mir so das Geld sparen.“, so Karl Geyer in seinen Erinnerungen an seine fußballerischen Anfangsjahre.
Zu Ostern des Jahres 1919 reisten die Amateure (heutige Austria) und der Wiener Athletiksport Club (Wiener AC) gemeinsam auf einem Donauschiff nach Budapest, wo die Amateure gegen die sogenannten „33er“ und die WACler gegen MTK Budapest anzutreten hatten. „Das gesellige Beisammensein der Amateure hatte mir gewaltig imponiert. Die blieben auch vor und nach einem Match beisammen und trafen sich im Ringcafe, wo ihr Klublokal war.“, schwelgte Karl Geyer in seinen Erinnerungen. Und er ergänzte: „Während die vornehmen Amateure im Speisesaal dinierten, öffneten wir vom WAC unsere Jausenpackerl irgendwo an Deck. In Budapest stiegen die Amateure im teuren „Royal-Hotel“ ab, wir logierten in einer düsteren Herberge. Und anhand der Rückfahrt fuhren wir per Bahn III. Klasse Schnellzug, die Amateure „überholten“ uns mit der II. Klasse Balaton-Express. Von da an wusste ich, wo ich hinwill.“
Als dann ein gewisser Fritz Kraus, der als Zolldeklarant mit Geyers Dienststelle auf dem Wiener Nordbahnhof öfters zu tun hatte und der darüber hinaus auch noch ein Klub-Funktionär der Amateure war, wieder einmal vorbeikam und ihm, dem Geyer Karl einen Vereinswechsel vorschlug, sagte dieser sofort zu. Mangels Freigabe nahm Karl Geyer auch eine sechsmonatige Karenzfrist und Stehzeit in Kauf. Anhand eines Freundschaftsspiels in der Schweiz setzte man dennoch Karl Geyer ein. Vorsichtshalber wählten die Funktionäre der Amateure einen Decknamen für den Neuzugang: Auf dem Blankett stand – wohl in Anlehnung an seinen richtigen Namen – ein Aktiver namens „Vogerl“. Von da an war der Karl „Vogerl“ Geyer geboren.
Und nun sollte es mit dem 20-jährigen Karl steil bergauf gehen. Der junge und konditionsstarke Stürmer avancierte inzwischen auf Läufer und technisch versierter Allrounder. Bei den Amateuren, die damals ihre Heimspiele in der Auhofstraße in Ober Sankt Veit austrugen, wurde er zum Stammspieler. 1924 und 1926 wurden die Amateure Meister, 1921, 1924, 1925 und 1926 auch Cup-Sieger. Für das Double 1924 – also Gewinn von Meisterschaft und Cup – gab es vom Verein für jeden Spieler eine goldene Uhr. Dieses Präsent hegte und pflegte er bis ins hohe Alter.
Auch die Österreichische Nationalmannschaft rief. Am 26. März 1921 debütierte Karl „Vogerl“ Geyer vor 40.000 Zuschauern auf der Simmeringer Had gegen Schweden. Österreich trennte sich vom Königreich freundschaftlich mit einem 2 : 2. In Summe sollten es „nur“ 17 A-Länderspiele für Österreich werden. Geyer traf in der heimischen Meisterschaft mit der Austria auf den First Vienna FC. Nach einem unglücklichen Zusammenprall mit dem Döbling-Akteur Friedrich „Fritz“ Gschweidl und einer damit einhergehenden Knieverletzung, wurde die Laufbahn des 29-jährigen Karl Geyer im Jahre 1928 jäh beendet.
Auf sein schönstes Länderspiel angesprochen, erinnerte sich Geyer stets an den 10. April 1927, als Österreich vor 45.000 Zuschauern auf der Hohen Warte den „Erbfeind“ Ungarn mit 6 : 0 in die Schranken weisen konnte. Als Siegesprämie gab es 300 Schillinge. Und die Mitspieler trugen Kapitän Josef „Pepi“ Blum auf, dem Hugo – gemeint war Verbandskapitän Hugo Meisl – noch einen Hunderter pro Nase herauszureißen. „Der ÖFB sollte uns lieber eine Goldmedaille stiften.“, meinte Karl Geyer. Und er fuhr fort: „Wer es nötig hat, kann diese dann auch immer noch im Pfandleihhaus versetzen oder gar verkaufen.“, sprachs und verwies in den späten 1980er Jahren mit sichtlichem Stolz darauf, dass er seine immer noch hat.
Nach Abschluss seiner aktiven Laufbahn kehrte Geyer zum Prater-Klub Wiener AC zurück. Der WAC verzeichnete eine Reihe von Jahren mit guten sportlichen Erfolgen. 1931 wurde man Cup-Sieger und qualifizierte sich auch für den Mitropa-Cup. Nach tollen Ergebnissen in der Vorrunde gegen Budapester und Prager-Teams, stand dem WAC im Mitropa-Cup-Finale eine Wiener Partie, nämlich die Vienna, gegenüber, verlor jedoch beide Finalspiele. 1933 zerfiel die komplette WAC-Mannschaft und die Spieler zogen in sämtliche Himmelsrichtungen von dannen. Geyer zog als Trainer weiter zum SV Donau Wien, zum SC Wacker Wien und später zum unterklassigen SC Diana.
Mit den politischen Unruhen in Österreich, dem Anschluss im März 1938 an Hitler-Deutschland hieß es auch für Karl „Vogerl“ Geyer Abschied aus seiner geliebten Wiener Stadt zu nehmen. Da er mit einer Jüdin verheiratet war, konnte das Ehepaar aus Wien nur fliehen. Im norwegischen Bergen fand man eine neue Heimat. Aber nur für kurze Zeit, denn 1939 kehrte er nach Wien zurück und manövrierte – wenn man so will – die Austria, die in jenen Jahren kurzzeitig sogar SC Ostmark hieß, durch die turbulenten Kriegsjahre.
Nach 1945 reichte er den FAK-Trainer-Stab an Heinrich „Wudi“ Müller weiter, denn sein Weg führte ihn zum ÖFB. „Meine Bedingung damals war, niemals fliegen zu müssen. Zu meinem Erstaunen wurde das beim ÖFB akzeptiert.“, so Karl „Vogerl“ Geyer über seinen Einstieg beim Österreichischen Fußball-Bund. Und so war er Jugendreferent beim ÖFB, als auch Bundeskapitän und Teamchef (von 3. September 1955 bis 21. April 1956). Karl „Vogerl“ Geyer betreute auch jene Jugend-Auswahl-Mannschaft um die späteren Nationalspieler Walter Glechner, Horst Nemec und Walter „Schani“ Skocik, die 1957 durch einen sensationellen 3 : 2-Erfolg über Spanien auf dem berüchtigt heißen Madrider Boden Jugendeuropameister wurden.
Bis ins hohe Alter bereiste Karl „Vogerl“ Geyer stets und gerne die Welt. Kurioserweise jedoch nie mit dem Flugzeug. Der überzeugte Eisenbahner reiste per Bus, per Schiff und natürlich mit der Bahn. Kanada, Mallorca, Sizilien, Malta, Griechenland, Kreta, die Schweiz, die Türkei, aber auch Monte Carlo waren seine bevorzugten Destinationen. „Ich hab´ meine Prinzipien, von denen ich nie abgegangen bin. Ich bin noch nie in meinem Leben mit einem Flugzeug geflogen und war auch als Fußballprofi in erster Linie Sportler und Eisenbahner.“
Karl „Vogerl“ Geyer verstarb am 21. Februar 1998 beinahe 99-jährig in Wien. Er blieb bis zum Schluss ein Mahner und wollte für den Fußballsport hierzulande immer nur das Beste. Stets auf die Jugend zu setzen und diesen dafür die allerbesten Trainer zur Seite zu stellen, das blieb bis zuletzt sein allergrößter Wunsch.
Anbei einige Zitate von Karl „Vogerl“ Geyer:
Zum Thema “Wunderteam“:
„Wir haben in den Zwanziger-Jahren gesät, was in den Dreißiger Jahren geerntet wurde.“
Zum Thema Fußball im Allgemeinen:
„Der Wiener Fußballer ist ein Genie, aber auch eine Kanaille.“
„Burschen, geht´s raus auf den Platz und spielt Euer Spiel. Wenn es Euch gelingt, dem Gegner Euer Spiel aufzuzwingen, dann werdet Ihr den Platz wahrscheinlich als Sieger verlassen.“
Zum Thema Herzensangelegenheit “FK Austria Wien“:
„A wie AUSTRIA. Alles Schöne fängt mit A an!“
„Bei der Austria war immer der dunkle Anzug im Koffer mit und auf dem Rasen gab es ein standesgemäßes Motto: Tore nie gewaltsam zu erzielen.“
„Ich habe nie verstanden, warum die Austria in den 10. Bezirk gezogen ist. Nichts gegen die Arbeiter-Familien dort, aber die „Noblen“ von der Austria in einem Arbeiterbezirk, das kann auf Dauer nicht gut gehen.“
Quelle: Redaktion www.oepb.at
Mehr über die Österreichische Fußball-Bundesliga lesen Sie bei uns bitte hier;
Und über den ÖFB – wie gewohnt – bei uns bitte hier;