“Und wenn Sie durch einen dummen Zufall – Weihnachten steht ja auch immer schneller ins Haus, als man es sich wünschen könnte – mal vergessen haben sollten, einen Baum besorgt zu haben, dann ist aber was los, da fliegen die Weihnachtsstollen aber tief, kann ich Ihnen sagen.

Und so war es bei uns letztes Jahr. Durch irgendeinen vermaledeiten mentalen Engpass hatte ich an die Weihnachtsbaumbesorgung einfach nicht mehr gedacht. Jetzt war es aber Heiligabend, kurz nach 17 Uhr und wir hatten im Endeffekt keinen Baum.”

„Und nun?“, wollte sie wissen. „Was schlägst Du vor? Übermorgen kommt die Familie. Wie willst Du denen denn erklären, dass wir keinen Baum haben? Die kommen immer wegen unseres Baums.“

„Ach. Und ich dachte, die kämen wegen uns. – Wäschespinne“, sagte ich.

„Wie bitte?“

„Wir nehmen die Wäschespinne aus dem Garten, drehen sie um, malen sie grün an, bisschen schmücken, steht der Weihnachtsbaum da wie eine Eins.“

Geworden ist es dann ein Baum aus einer Ersteigerungsplattform im Internet. Der nicht an die Weihnachtsbaumbesorgung gedachte erhielt ein gutes Stück um € 207,09 um 22.11 Uhr. Abzuholen am ersten Weihnachtstag bis 12 Uhr in Paderborn. Gut, von Duisburg aus nach Paderborn sind es über 160 Kilometer. Und dort am Christtag einen Baum um dieses Geld zu besorgen ist wohl nicht der Weisheit letzter Schluss. Was also getan? Den Baum nach der paderbornschen Abholung selbst ins Internet gestellt und an eine süddeutsche Zahnstocherfabrik verscherbelt …

“Die rettende Idee lag in den netten Nachbarn. Diese hatten nämlich ihre Wohnung über und über mit Weihnachtszeug zugestellt. Man könnte fast meinen, dass die Wohnung um das Weihnachtszeug herum gebaut worden ist. Auf jeden Fall waren die von Heiligabend weg bis Neujahr bei ihren Eltern an der Nordsee. Und wir hatten die Wohnungsschlüssel. Man kennt das ja, wenn mal was passiert, wenn was passiert … Und von wegen Fische im Aquarium füttern, die Katze versorgen, Blumen gießen, etc.

Nicht lang nachgedacht, man ist da rein und da stand er. Mitten im Wohnzimmer. Ein wunderbar gewachsener, kerzengerader, dichter, voller, toller Weihnachtsbaum. Ein perfekter Baum. Einen besseren hätte man nicht finden können. Aber, so dachte man, was soll der da alleine stehen, wo doch Weihnachten ist. Die sind eh nicht da. Also, den Baum schwupsdiwups geschnappt, durchs Treppenhaus, ab in die Wohnung. Und er passte, haargenau ins Wohnzimmer. Wunderbar, der Besuch konnte kommen.

Aber eine neue Problematik tat sich auf. Der Baum, er nadelte. Mehr, und mehr und immer mehr. Man verstand es nicht. So schön er noch in Nachbars Wohnung war, so kahler wurde er nun bei seinem neuen Besitzer. Er nadelte die ganze Zeit. Permanent, immer während, andauernd. Dies ging soweit, dass man sich nicht getraute, durch das Zimmer zu gehen, denn bei jedem kleinen Windstoß verlor er zahlreiches Nadelkleid. An Lüften war gar nicht erst zu denken.

Und es kam wie immer: Eltern sitzen da, Onkel Rudi versucht mithilfe des Cognacs seinen beträchtlichen Alkoholspiegel weiter aufzufüllen. Zweieinhalb Flaschen hatte er schon. Die restlichen anderthalb sind dann der pure Genuss. Neffe und Nichte sitzen gelangweilt in einer Ecke, sagen nichts, hängen den Anwesenden eine Mordsvisage an und vermitteln einem das Gefühl, alles falsch zu machen.

Onkel Hartmut sitzt in einer Ecke, umklammert auf seinem Schoß die Keksdose und frisst das ganze Spritzgebäck weg. Der Hausherr zeigt Verständnis: „Hätte ich noch gegen den Russen gekämpft, würde ich vermutlich auch die Keksdose umklammern.“

Lediglich Tante Frieda steht in einer Mischung aus Begeisterung und purem Entsetzen vor dem wunderhübschen Baum. Die Hände vors Gesicht geschlagen, die Augen weit aufgerissen, laut rufend: „Mein Gott, ist der schön. Nee, was ist der schön. Also so einen schönen Baum hattet Ihr ja noch nie. Ein wahres Prachtexemplar von einem Baum. Aber nadelt der nicht? Was ist das überhaupt für ein gutes Stück? Fichte? Nee, Tanne? Könnte aber auch Nordmann … Aber die nadeln doch immer so. Wartet mal, hat er nicht gerade eben genadelt? Da, ich sehe es doch. Wusste ich es doch – er nadelt. Jetzt schon. Wäre ja auch ein Wunder, wenn er nicht nadeln würde.“

Der nadelt wie Sau, wenn man aber über minus 9 Dioptrien hat, dann kann einem schon mal das eine oder andere Detail entgehen.

Irgendwann sind sie aber auch alle wieder weg. Natürlich nur, wenn sie satt sind. Dankenswerterweise gibt´s so was wie das normale Sättigungsgefühl. Denn wenn´s das nicht gäbe, würden sie wahrscheinlich jahrelang bleiben und immer nur fressen und saufen. So sind sie aber gegen kurz vor Mitternacht alle weg.

Und Weihnachten liegt hinter uns und wir hatten unsere Ruhe.”

Dies und noch eine ganze Menge mehr rund um Weihnachten und das Fest des Völlegefühls, der Übelkeit, des Streits und der Missgunst, einmal mehr wunderbar feilgeboten vom großartigen Duisburger Komödianten Kai Magnus Sting, einem Wort- und Vokal-Akrobaten aller erster Güte, dem es nach wie vor noch immer nicht gelungen ist, trotz permanenter Erzählkunst für sein Publikum, sich einen Knoten in die Zunge zu plaudern.

Sensationell, dieser Herr aus dem Ruhrgebiet. Bitte hören und sehen Sie selbst:

KAI MAGNUS STING unter Weihnachtsmännern
Hör-CD, Gesamt-Dauer 77 Minuten
RD 2733311
ISBN 978-3-938781-53-1
LC 02831
www.kaimagnussting.de

Bitte beachten Sie auch diese Kai Magnus Sting Hör-CD’s.

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