Janis Joplin, die natürlich auch 1969 beim allerersten Open-Air-Festival der Welt, in Woodstock auftrat, war eine kleine Frau mit einer großartigen Stimme. Ihr Blues, der genau genommen nur Schwarzen Künstlern zugezählt wurde, war in der damaligen Zeit für eine Weiße Interpretin schier unmöglich. Foto: GoodTimes

Kein anderes Metier ist schnelllebiger, als jenes der Musikbranche. Wer gestern noch hip und und up do date war, kann morgen schon vergessen sein. Es war und ist immer schon ein stetes Kommen und ein noch viel schnelleres Gehen gewesen und nur wirklich die Größten blieben übrig. Doch was ist heute modern, klingt gut, berührt und ist interessant? Gibt es die wahrlichen Größen der Musikbranche noch, oder anders gefragt, kommt vielleicht doch noch etwas nach … irgendwann? Diese Frage sollte eine Jede / ein Jeder für sich selbst beantworten.

Wenn eine Künstlerin jedoch, die lediglich 27 Jahre gelebt hatte, auch noch über 50 Jahre nach ihrem Tod rezensioniert wird, dann hat die Kleine in ihrem nur kurzen Leben wohl nicht alles falsch gemacht.

LEBEN

Das Mittelschichtkind Janis Joplin aus Port Arthur im US-Bundesstaat Texas war nie in Gefahr, in den Boondocks einer „low income neighorhood“ zu verkommen. Ihren verträumten Jugendhobbies Poesie und Malerei hätte sie gemütlich als Chefsekretärin oder Uni-Dozentin weiter frönen können. Doch ausgerechnet die behütete Sicherheit des spießigen Bürgertums war ihr suspekt, ja beinahe zuwider. Schon 1960, als 17-jährige, verließ Janis Joplin ihren Heimathafen, um in den Bars und Beisln von Austin bis Houston aufzutreten und zu singen. Bereits 1963 gelangte sie in die aufstrebende LSD-Bucht von San Francisco und schlug sich dort zwei Jahre lang mit sporadischen Vokalspots und vielerlei Erfrischungen durch. Dies ging solange gut, bis Janis der Mut verließ und sie wieder in ihr texanisches Nest heimkehrte, wo am Ende lediglich der Blues der Hausfrau auf sie wartete. Nach einem halben Jahr hatte sie erneut genug und war 1966 wieder in San Francisco mit Big Brother And The Holding Company gab es für sie nun kein Halten mehr.

SUBSTANZ

Die schreiende und kreischende, flehende, weinende und lachende kleine Frontfrau Janis Joplin sang sich 1968 vor Big Brother And The Holding Company in der Bay Area mit Erma Franklins Top Ten Hit „Peace Of My Heart“ förmlich um den Verstand. Spätestens heute wirkt jedoch deren Live-Dokument „Cheap Thrills“ dünn, baßlos und uneinheitlich. Janis Joplin merkte das auch: mit BB&HC-Gitarrist Sam Andrew gründete sie die Kozmic Blues Band, deren Namen sie als Single in die Top 50 schrieb. Aber bereits ihr nächstes Album-Projekt begann sie mit einer weiteren Formation, der Full Tilt Boogie Band, deren Session für „Pearl“ sie nicht mehr vollenden sollte. Posthum erschien das Album mit ihrer wohl bekanntesten Nummer „Mercedes Benz“ – als profilierte Komponistin galt die Joplin allerdings nicht: Hinter der sicher begabten Interpretin von Kristoffersons „Me And Bobby Mc Gee“ oder adaptierter Slogans wie „Try (Just A Little Bit Harder)“ verbarg sich eine zutiefst unsichere, verletzliche und einsame alte Kindfrau, welche den Gegensatz zwischen öffentlichen Liebesbeweisen und Backdoor-Blues, zwischen Sex und Liebe weder vorausgesehen noch verkraftet hatte und auch darüber hinaus keine kreative Ader besaß, um Vakuum und Verzweiflung zu kanalisieren.

EINFLUSS

War Janis Joplin tatsächlich auch so einzigartig, wie beispielsweise der im gleichen Jahr 1970 viel zu früh verschiedene Jimi Hendrix, oder fehlte ihr zum künstlerischen Überleben nicht die traurige Verruchtheit einer Billie Holiday, deren „Summertime“ sie mit ähnlichem Schmerz, aber viel zu theatralisch sang? Wäre Janis Joplin selbst zur guten Komponistin gereift, oder  musste sie weiter, wie etwa Joe Cocker, Fremdmaterial mit der ihr eigenen Charakteristik interpretieren? Hätte ihr das brutale Business whiskyselige Oldienächte erspart? Die schottische Janis jedenfalls, Maggie Bell, versank in die Anonymität, trotz Top-Produktionen mit Hilfe des Led Zeppelin und R.E.M. Arrangeurs John Paul Jones. Und weitere Konkurrentinnen mit Rausch und Sandpapier-Stimmen? Bonnie Raitt konnte auch im Bourbon-Brand solo auf Club-Bühnen überleben – Charisma und Slide Guitar brachten sie immer durch – und die Entgiftung gab ihr 1989 Kraft für ein Comeback! Elkie Brooks, nicht erst seit Vinegar Joe mit Robert Palmer „Rock´n´Roll Gypsy“ zeigte sich in 50 Jahren Showbusiness stets wandlungsfähig, schränkte ihren Cognac-Konsum ein und transportierte Jazz, Blues und Pop im geschlitzten Abendkleid genau in jene Mittelschicht, der die kleine, große Janis Joplin entfliehen wollte. Aber – Lady Brooks interpretiert Janis Joplin „Mercedes Benz“ in den Theatern Großbritanniens heute noch.

ES IST SO TRAURIG ALLEIN ZU SEIN

Janis Joplin hatte die schöne Stimme ihrer Mutter geerbt und war ein natürliches Talent. Sie besaß eine traditionelle und hübsche Sopranstimme. Sie konnte genau auf der Tonart singen und die richtigen Noten treffen. Sie dachte wahrscheinlich, dass jeder das tun könnte. Sie sang im Kirchenchor, sie sang im Glee Club. Aufgeschrieben in der „Texas Monthly“  in einem Beitrag über Holly George-Warrens Buch „Janis Joplin – Her Life and Music“ (2019), malen diese Worte das Bild einer zerbrechlichen Sechsjährigen, die in Port Arthur, Texas, behütet aufwachsen könnte, um einmal eine große Sängerin zu werden. Dann stünde sie auf den Bühnen dieser Welt, hätte bezaubernde Pop-Songs in den Singlecharts, zeichnet sich durch eine Show mit  Liedern von Burt Bacharach aus, bekäme eine eigene TV-Sendung und ginge mit Elvis Presley nach Las Vegas. Nichts von dem geschah. Als sie oben ankam, realisierte sie es leider nie ganz. Darum suchte sie weiter eine ständige Bestätigung dafür, dass sie die Beste war, dass sie geliebt und dass sie gebraucht wurde. Das zeigt sich in all ihren Aufnahmen, von den frühesten in Austin bis zu den letzten im Studio. Sie war zäh, das hört man in fast allen ihren Songs, aber sie war nicht hart genug, um die öffentliche mit der privaten Janis zu versöhnen. Sie war letztendlich nicht in der Lage, etwas für ihr Leben zu tun, außer ihr Innerstes über die Bühne zu ergießen. Das Publikum war ihre einzige, ihre wahre und große Liebe. Die kleine, große Janis Joplin (* 19. Jänner 1943, † 4. Oktober 1970) rauschte durch die Hölle, schrie sich irgendwann den Schmerz aus der Seele und verstarb mit nur 27 Jahren an einer Überdosis Heroin … weil es wohl so – und nicht anders – ihre Bestimmung war.

Janis Joplin´s inbrünstig vorgetragener Blues bleibt allerdings – und das bis in die heutige Zeit hinein – UNERREICHT!

Quelle: oepb & GoodTimes

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