Die Zeit vergeht, das Leben rennt und die Erinnerung verblasst. Uns ist es jedoch – gerade auch als online-Agentur – nach wie vor ein stetes Anliegen, an große Österreicher zu erinnern.
Am 21. Juli 1927 kam in Wien der spätere Kammerschauspieler Michael Janisch als jüngerer Bruder von Peter Janisch zur Welt. Peter (* 1924, † 2015) reüssierte als Schauspieler, Regisseur und jahrzehntelanger Festspielintendant in Niederösterreich. Michael hatte aufgrund seines damaligen jungen Alters kein Glück, er wurde nämlich als Jugendlicher sehr wohl noch in die Deutsche Wehrmacht und somit in den Zweiten Weltkrieg ein- und hineingezogen. So wurde seine ab dem Jahre 1943 begonnene Schauspiel-Ausbildung als 16-jähriger am, für seine spätere Laufbahn nur förderlichen, Max Reinhardt-Seminar vorerst zwar unterbrochen, nach der Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft konnte er diese Ausbildung jedoch mit großem Erfolg abschließen.
Michael Janisch startete seine Schauspiel-Karriere als „jugendlicher Liebhaber“ in der Mozartstadt Salzburg am dortigen Landestheater. Über das für zahlreiche junge Schauspieler immer schon als Sprungbrett dienliche Linzer Landestheater hieß es ab 1949 für den 22-jährigen zurück nach Wien, sein eigentlicher Berufsweg am Wiener Burgtheater konnte demnach beginnen. Dem Burgtheater, jenem berühmten Haus am Wiener Ring, hielt er knapp 40 Jahre hindurch die Treue. Michael Janisch war dort universell einsetzbar und spielte kleine und große Rollen, verkörperte die Figuren von Franz Grillparzer, Fritz Hochwälder, Johann Nestroy, Lope de Vega, Ferdinand Raimund, Arthur Schnitzler oder William Shakespeare derart mit Bravour, sodass er sehr bald schon zum gern gesehen Darsteller und Liebling des Wiener Publikums aufstieg. 1968 wurde er 41-jährig feierlich in den „Adelsstand“ eines Kammerschauspielers erhoben.
Michael Janisch spielte Theater mit Leib und Seele, neben den Engagements in Wien war er auch anhand der Salzburger Festspiele, als auch an zahlreichen anderen Bühnen – beispielsweise den Münchner Kammerspielen, am Münchner Residenztheater, sowie anhand unzähliger Tourneen in Deutschland, der Schweiz und in den Niederlanden – zu sehen. Mit dem Amtsantritt des Bremers Claus Peymann als Burgtheater-Direktor im Jahre 1986 schien auch die Zeit von Michael Janisch an diesem Haus für ihn abgelaufen zu sein. Nach sagenhaften 38 Jahren „an der Burg“ verließ Janisch dieses Haus im September 1987, „…aufgrund vorhandener Unstimmigkeiten und gravierender Auffassungsunterschiede mit Claus Peymann.“, wie er 1987 anhand eines oepb-Interviews Erwin H. Aglas mitteilte.
Was folgte war die Karriere zwar ohne „greifbares“ Publikum, dafür jedoch vor der Kamera. In zahlreichen Rollen brillierte Janisch für die deutschsprachige Film- und Fernseh-Industrie. Für die im Jahre 1958 gedrehte Friedrich Dürrenmatt-Verfilmung des Streifens „Es geschah am hellichten Tag“ mit Schauspiel-Größen wie Berta Drews, Siegfried Lowitz, Heinz Rühmann und anderen hätte er, Janisch, die Rolle des verdächtigen „Geschäftsmannes Schrott“ spielen sollen. Aus, wie er 1987 beim oepb-Interview aus dem Nähkästchen der Erinnerungen plauderte, ihm unerklärlichen Gründen sagte er für diese Rolle jedoch ab. Der unvergleichliche Gert Fröbe sprang für ihn ein, übernahm kurzerhand die Rolle und ging als gefürchteter Kindermörder in die Filmgeschichte ein.
Rollenangebote hatte Janisch jedoch immer wieder genug aufzuweisen, er spielte sich quasi schauspielerisch durch sein ganzes Leben. „Fad war mir nie!“, so ein Janisch-Zitat anlässlich des erwähnten oepb-Interviews 1987 als 60-jähriger Jubilar, dessen Film- und TV-Laufbahn noch nicht am Zenit war.
Für das große und breite Publikum wurde Michael Janisch als rauer, grimmiger, aber auch sympathisch grantelnder Wiener „tatort“-Kommissar Michael Fichtl bekannt, der in zahlreichen tatort-Folgen diesen heute ausgestorbenen Typ eines Wiener Polizisten so herrlich detailgetreu verkörperte. Grau melierte Haare, schwarze Lederjacke – die später einem Trenchcoat weichen musste – Zigarette, Waffe – von der er jedoch selten bis nie Gebrauch machte – sowie eine harte Gangart Verdächtigen gegenüber. Diese Rolle schien Michael Janisch förmlich auf den Leib geschneidert zu sein. War er in den allerersten Wiener tatort-Folgen mit dem Titel „Oberinspektor Viktor Marek“ – gespielt und geschrieben vom unvergessenen Fritz Eckhardt – noch auf der anderen Seite des Gesetzes beheimatet, so wurde er später unter den Fittichen des ebenso unvergleichlichen Kurt Jaggberg, der die Rolle des Oberinspektors Kurth Hirth verkörperte, die ausführende und stets völlig unbürokratisch zur Stelle gewesene Hand des Wiener Sicherheitsbüros. Janisch alias Fichtl musste sich die Nacht in irgendwelchen Puffs der Wiener Unterwelt um die Ohren schlagen, kannte den Wiener Prater und die damals dort herumstöckelnden Strich-Katzen allesamt persönlich, ging am „Gürtel“ und den dortigen Etablissements ein und aus, wusste von den berühmt-berüchtigten „Stoß-Spielern“ nicht nur deren Spitznamen und hatte überall lauschende „Ohren“ und „Vöglein“ sitzen, die ihm im Zuge von Ermittlungen hin und wieder auch wichtige Hinweise zwitscherten. Michael Janisch war als Inspektor Fichtl, der im Laufe der Jahre zum Oberinspektor avancierte, die absolut perfekte Besetzung des Wiener Polizisten der 1980er und 1990er Jahre.
Viele Jahre später schlüpfte zwar Wolfgang Böck alias „Trautmann“ in eine ähnlich angelegte Rolle des typischen „Wiener Kieberers“, dessen Erfindung auf den Drehbuchautor und Schriftsteller Ernst Hinterberger zurückging. Der „Trautmann“ konnte jedoch dem „Fichtl Michl“ als Ur-Vater dieser mürrischen Polizisten-Figur nie das Wasser reichen, so sehr sich Böck auch bemühte. Dieser Umstand lag gewiss auch darin, dass Wolfgang Böck als gebürtiger Linzer bei weitem nicht jenes typisch Wienerische im Blut trägt, wie es eben Michael Janisch in sich trug. Der Trautmann glich eher einem einfach gestrickten und hölzernen Polizei-Ermittler. Der Fichtl hingegen hatte das gewisse Etwas, den Wiener Charme der Nachkriegsgeneration. Diesen Herrschaften konnte man – egal ob hüben oder drüben auf der Gesetzesseite stehend – wahrlich nie böse sein.
Dem jedoch noch nicht genug – auch an zahllosen Hörspielen wirkte der vielseitig begabte und universell einsetzbare absolute österreichische Top-Schauspieler mit. Für seine jahrzehntelangen Leistungen wurde Michael Janisch unter anderem mit der Jugendkunstmedaille der Stadt Wien, dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse und dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.
Michael Janisch galt übrigens auch als absoluter Kenner, Beobachter und Anhänger der österreichischen Fußball-Szenerie. Er war gern gesehener Gast bei der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft und besuchte die jeweiligen Matches, wie es eben die Schauspiel-Karriere zuließ. Auf die Frage, ob er selbst denn auch einen Verein hätte, antwortete er: „Ich gehe seit 1933 auf den Platz. Mein Verein war immer die Austria (Anm.: FK Austria Wien), aber auch die Vienna (Anm.: First Vienna FC) und die nicht nur wegen dem Franz Antel taugt mir!“ Auf die nächste Frage, wie sich zwei „Nobel-Vereine“ denn vertragen würden, meinte er trocken: „Ach was, der Waldbrunn (Anm.: Ernst Waldbrunn) war auch Wacker- (Anm.: SC Wacker Wien) und Vienna-Fan – und das stets gleichzeitig. Wenn die gegeneinander spielten, hoffte er immer auf ein Remis!“
Man kann gar nicht sagen, dass es um ihn still geworden wäre, denn Michael Janisch „schauspielerte“ bis zum Schluss. Umso überraschender war dann die Nachricht von seinem plötzlichen Ableben am 29. November 2004.
Ende November 2004 begab er sich zu einer Herz-Überprüfung ins Wiener AKH. Routinemäßig – so hieß es. Aus der Routine-Überprüfung wurde eine Herz-OP, anhand dieser Komplikationen auftraten. „Direktion und Ensemble des Burgtheaters trauern um einen kostbaren Ensemblespieler und einen überaus liebenswerten Kollegen.“ – so hieß es in seiner Ablebens-Aussendung der Burg.
Michael Janisch spielte und verkörperte über 150 Rollen und verfügt auch heute noch über eine große Anhänger-Schar. Wenn er beispielsweise als „Fichtl“ aus dem Fernseh-Apparat grantelt, so echt, so wahrheitsgemäß und so authentisch, dann möchte man es gar nicht glauben, dass dieser großartige Schauspieler bereits knapp 20 Jahre tot ist. Auf dem Wiener Südwest-Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
Link zu sämtlichen Oberinspektor Fichtl-Tatorten des ORF Wien;