V.l.: Reinhard Linke (Moderation), Widerstandskämpferin Käthe Sasso, Matthias Pacher (Geschäftsführer Museum Niederösterreich). Foto: Museum NÖ
V.l.: Reinhard Linke (Moderation), Widerstandskämpferin Käthe Sasso, Matthias Pacher (Geschäftsführer Museum Niederösterreich). Foto: Museum NÖ

Ab 10. September 2017 ist das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich geöffnet. Bereits jetzt, am 22. Juni 2017 war die in Niederösterreich lebende Widerstandskämpferin Käthe Sasso erster Gast im Zeitzeugenforum „Erzählte Geschichte“. Im Gespräch mit Reinhard Linke zog die 91-Jährige das interessierte Publikum über zwei Stunden in den Bann ihrer Erzählungen und stand dabei auch Rede und Antwort. „Tragt es weiter an die nächsten Generationen, damit ihr vor Faschismus warnen könnt, wenn wir nicht mehr weiter reden können“, war ihre unmissverständliche Botschaft.

Frau Klassenvorstand, Sie haben ein neues Abzeichen!“ Stolz verkündete im März 1938 ihre Lehrerin daraufhin, dass ihr Mann und sie immer schon für den Anschluss gewesen wären. Auf die Frage, wo denn drei ihrer Klassenkameradinnen, ihre Schulkameraden seien, bekam sie ungehalten zur Antwort: „Jüdische Fratzen haben bei uns keinen Platz, setz dich!“ Bereits in der Schule stellte die von ihren Eltern zur Demokratieliebe erzogene Käthe Sasso unangenehme Fragen. Mit zwölf Jahren ging sie in den Widerstand und schloss sich 1941 der Widerstandsgruppe Gustav Adolf Neustadl an. Ein Spitzel ließ die Gruppe auffliegen.

Aus dieser Zeit der gefürchteten Gestapo-Verhöre stammt Käthe Sassos berühmtes Zitat: „Erschlagt mich, ich verrate nichts!“ Mit vielen der laut offiziellen Angaben 1.200 „Köpfler“ (Anm. Geköpften) verband sie eine innige Beziehung. Aus der Todeszelle erreichte sie etwa einmal ein Laib Brot mit den Worten „Ihr braucht es notwendiger als wir“. Diese Verbindung gab ihr auch die Kraft, rund 70 Jahre für die Anerkennung der Widerstandskämpfer als Opfer zu kämpfen. Lobende Worte fand Käthe Sasso in diesem Zusammenhang für die damalige Innenministerin und heutige NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Dank ihr wäre die Gruppe 40 am Wiener Zentralfriedhof nun eine Gedenkstätte, über der die Rot-Weiss-Rote Fahne wehe.

Auch in der grausamen Welt des Konzentrationslagers Ravensbrück gaben kleine Akte der Solidarität den Mut zum Weiterleben. So konnten sie etwa 1944 auf Anregung von Rosa Jochmann eine Weihnachtsfeier für die Kinder von Auschwitz organisieren, auch wenn sich von vielen danach die Spur verliert. Als ein 4 ½ Monate altes Baby in der Obhut von Käthe Sasso starb, dachte sie kurz an Selbstmord. Die Ohrfeige einer Freundin mit den Worten „Wegen dir sollen wir Strafe stehen?“ hielt sie am Ende davon ab, in „den Zaun zu gehen“ und durch einen Stromschlag zu sterben.

Auf dem Todesmarsch im April 1945 gelang ihr mit viel Glück die Flucht, der Empfang in Wien war allerdings alles andere als freundlich. In einer voll besetzten Straßenbahn ließ die Schaffnerin die Straßenbahn anhalten und Käthe Sasso aussteigen, weil sie als Geflüchtete aus einem Konzentrationslager kein Geld für einen Fahrschein hatte. Aber selbst Sätze wie „So schlimm kann es ja nicht gewesen sein, du lebst ja noch“ hielten sie nicht davon ab, sich bis zum heutigen Tag für die Aufarbeitung der Geschichte und die Anerkennung der Widerstandskämpfer als Opfer des Nationalsozialismus einzusetzen.

Beim nächsten Zeitzeugenforum „Erlebte Geschichte“ am Mittwoch, den 13. Dezember 2017 um 18 Uhr im Museum Niederösterreich spricht Reinhard Linke mit dem Regisseur Wolfgang Glück.

www.museumnoe.at

 

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