Foto: Krankenhaus der Elisabethinen Linz
Foto: Krankenhaus der Elisabethinen Linz

10. November 2012

Immer mehr Menschen leiden an einer krankhaft verminderten Pumpleistung des Herzens. In Österreich sind es rund 300.000, europaweit über 28 Millionen, die Tendenz ist stark steigend. In den USA rechnen Experten in den nächsten 20 Jahren sogar mit einer Zunahme der Herzinsuffizienzfälle um 25 Prozent, was dort zu einem dramatischen Anstieg der  Kosten für diese Erkrankung, mit über 77 Milliarden Dollar, führen wird. Fortschritte und neuen Entwicklungen bei der Behandlung von Herzschwäche wurden beim Kongress Herzinsuffizienz Update 2012 am Linzer Elisabethinen Krankenhaus diskutiert. „Die Zunahme der Krankheitsfälle hängt paradoxerweise zum Teil mit den Fortschritten der Medizin zusammen.“, berichtet Tagungsorganisator Oberarzt Dr. Christian Ebner (Elisabethinen Krankenhaus, Linz), Leiter der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft aus der Praxis: „Viele Menschen, die früher an einem Infarkt gestorben wären, überleben heute, wenn auch mit der Folge einer bleibenden Herzinsuffizienz. Auch der demografische Wandel ist mitverantwortlich für die vielen Neuerkrankungen. Während etwa vier Prozent der erwachsenen Bevölkerung insgesamt von Herzschwäche betroffen sind, steigt diese Zahl bei den Über-80jährigen auf zehn Prozent an.“ Typische Symptome wie Kurzatmigkeit, Atemnot oder Leistungsabfall würden oft fälschlicherweise als Alterserscheinung interpretiert und nicht adäquat behandelt, warnt er: „Dadurch geht nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen verloren, sondern auch wertvolle Zeit für die Therapie. Unbehandelt kann Herzschwäche dramatische Folgen haben und endet oft fatal. Je früher die Patienten eine geeignete Therapie bekommen, desto eher kann sich ihr Zustand stabilisieren und verbessern.“

Hohe Sterblichkeit müsste nicht sein
Herzinsuffizienz ist eine sehr schwere Erkrankung, die mit hoher Sterblichkeit einhergeht. 50 Prozent der Patienten mit dieser Diagnose sterben innerhalb von vier Jahren, über 50 Prozent der Betroffenen mit schwerer Herzinsuffizienz sterben binnen eines Jahres. Bei Menschen mit Herzschwäche kommt es sechs- bis neunmal so häufig zu einem tödlichen Herzstillstand wie bei Gesunden. „Die hohe Mortalität müsste nicht sein, denn inzwischen gibt es viele wirksame Therapien.“, so der Experte. Doch nicht immer würden sie in ausreichendem Maß eingesetzt.

Aktualisierte Behandlungs-Leitlinien berücksichtigen neue Erkenntnisse
Ein wichtiges Thema auf dem Linzer Herzkongress sind die neuen Behandlungsempfehlungen der Europäischen Kardiologengesellschaft, die einige Änderungen gegenüber den bisherigen Diagnose- und Therapiestrategien bringen. „Die neuen Leitlinien betonen die Bedeutung des Herz-Ultraschalls zur Diagnosestellung“, berichtet Dr. Christian Ebner. „Das ist eine wichtige Botschaft, denn dabei handelt es sich um die derzeit sicherste Diagnosemethode.“ Auch im Hinblick auf die medikamentöse Therapie gibt es Neuerungen: „Insgesamt untermauern die neuen Leitlinien die Notwendigkeit einer optimierten medikamentösen Therapie.“, fährt der Oberarzt fort. „Betont wird auch die Wichtigkeit des gleichzeitigen frühen Einsetzens von ACE-Hemmern und Betablockern, ohne eine Substanzgruppe zu favorisieren.“ MR-Antagonisten wie Spironolacton oder Eplerenon sollen nicht erst bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz zum Einsatz kommen, sondern bereits in früheren Stadien. Neu ist auch die Empfehlung, bei Patienten mit einer Herzfrequenz von mehr als 70 bis 75 Schlägen pro Minute und einem stabilen Herzrhythmus, oder bei Personen, die Beta-Blocker nicht vertragen, Ivabradin einzusetzen. „Für erfreulich halte ich die Empfehlung, implantierte Resynchronisations-Geräte bereits in einem früheren Krankheitsstadium einzusetzen.“, so OA Ebner. „Wichtig ist auch, dass die Alternativen zur Herzklappenoperation, also Klappenreparaturen via Katheter, ausdrücklich empfohlen werden, wenn das Risiko einer Operation zu hoch wäre. Denn dies trifft für immer mehr ältere Herzschwäche-Patienten zu.“ Die neuen Leitlinien nennen ausdrücklich auch Medikamente, die Herzschwäche-Patienten nicht einnehmen sollten: Dies betrifft unter anderem Anti-Rheumatika (NSAR), Schmerzmittel vom Typ COX-2-Hemmer, Diabetes-Medikamente vom Typ der Glitazone und, mit Ausnahmen, Kalzium-Antagonisten. „Hieß es vor wenigen Jahren noch, Herzschwäche-Patienten sollen sich möglichst wenig bewegen, so haben sich auch hier die Empfehlungen klar gewandelt.“, so Dr. Christian Ebner. Und er fährt fort: „Körperliche Bewegung führt zu einer Verbesserung der Belastbarkeit und der Symptome. Allerdings sollte vor Trainingsbeginn ärztlicher Rat eingeholt werden.“

Genetische Unterschiede beeinflussen Therapieerfolg
In der pharmakologischen Behandlung von Herzinsuffizienz nehmen Betablocker eine prominente Rolle ein. „Durch ihren Einsatz lässt sich die Sterblichkeit um 30 Prozent oder mehr senken.“, berichtet Doz. Dr. Deddo Mörtl, Oberarzt am Landeskrankenhaus St. Pölten. Umso mehr staunte die Fachwelt darüber, dass der Beta-Blocker Bucindolol nicht bei allen Menschen gleichermaßen seine Wirkung entfaltet. Inzwischen erhärtet sich der Verdacht, dass Unterschiede in den Genen über Wirken oder Nichtwirken des Medikaments entscheiden. „Diese Polymorphismen oder Genvarianten stellen nur minimale Abweichungen dar, sie bewirken aber, dass bis zu 20 Prozent der Menschen weniger von einer Arznei profitieren als der Rest.“, erklärt der Experte. Für die Therapie von Herzinsuffizienz-Patienten habe das aktuell zwar noch keine klinische Relevanz: Gentests kämen nicht zum Einsatz. Auch stecke die Pharmakogenetik, also die Entwicklung von maßgeschneiderten Arzneien je nach Genotyp, noch in den Kinderschuhen.

Hoffnungsgebiet Genmedizin
Doz. OA Dr. Mörtl betont jedoch, wie hilfreich mehr Wissen darüber wäre, warum bei manchen Patient richtliniengetreue Behandlung gar nicht greift, während sie bei anderen die Lebenserwartung verdoppelt: „Bei Herzinsuffizienz bekämpfen wir nicht nur Beschwerden wie Atemnot, wo wir sehr rasch merken, ob ein Medikament wirkt. Wir kämpfen vor allem gegen die hohen Sterberaten. Darum wüssten wir bei den einzelnen Patient gerne von Anfang an, ob die lebensverlängernde Therapie greift oder nicht. Wenn uns die Pharmakogenetik hilft, das Versagen mancher Therapieformen bei bestimmten Menschen vorherzusagen, könnten frühzeitig Alternativen in die Wege geleitet werden – etwa eine Herztransplantation.“

Noch spielen pharmakogenetische Erkenntnisse keine Rolle in den Spitälern und Praxen. Die größte Herausforderung steht noch bevor, nämlich die korrekte Identifizierung von genetischen Subgruppen, die keinen Benefit aus der richtlinienkonformen Behandlung ziehen. Dennoch sehen Experten in der Pharmakologenetik einen der hoffnungsträchtigsten Wege, um die medikamentöse Versorgung von HI-Patienten maßgeblich zu verbessern und damit ihre Überlebenschancen deutlich zu erhöhen. Eine im Oktober 2012 erschienene Studie aus den USA mit über 1.000 Patienten bestätigt, dass auf Basis genetischer Untersuchungen vorhergesagt werden kann, ob sie deutlich oder gar nicht von Bucindolol profitieren. „Wenn die Forschung weiter erfolgreich verläuft, können wir in Zukunft unseren Patienten eine individuelle, nach genetischen Gesichtspunkten maßgeschneiderte Therapie anbieten.“, so Dr. Deddo Mörtl.

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