Im Institut für Kriegsdokumentation in Amsterdam ordnet Louis de Jong Dokumente über die deutsche Besatzung der Niederlande, 1950. Foto: Nationaal Archief / Collection Spaarnestad Photo

Zwischen 1939 und 1945 ermorden die NationalsozialistInnen sechs Millionen Jüdinnen und Juden. Das Engagement von einzelnen Menschen und Forschungsnetzwerken dokumentiert Taten und verhindert das Vergessen. Zwanzig dieser ForscherInnen würdigt die Ausstellung „Verfolgen und Aufklären: Die erste Generation der Holocaustforschung“, die von 9. Februar bis 6. April 2021 im Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) zu sehen ist.  

Die Täterinnen und Täter wollen alle Spuren ihres Verbrechens verschleiern. Die Betroffenen versuchen noch während des Mordens, dieser vollständigen Auslöschung entgegenzuwirken. Jüdinnen und Juden aus ganz Europa dokumentieren die Taten, sammeln Fakten und sichern Spuren. Sie gründen Archive und Forschungsgruppen, die nach Kriegsende ihre Arbeit fortsetzen. Sie bewahren den millionenfachen Mord vor dem Vergessen – und er bleibt nicht ohne Konsequenzen: Bücher, Gedenkstätten, Forschungsinstitute, Gerichtsprozesse und nicht zuletzt die UN-Genozidkonvention von 1948 sind Resultate ihres leidenschaftlichen Engagements. Darauf beruht zum Großteil das heutige Wissen über den Holocaust. Die Ausstellung setzt Leben und Arbeit von zwanzig dieser Pionierinnen und Pioniere der Holocaustforschung ein Denkmal.

‘Verfolgen und Aufklären‘ vermittelt neue Perspektiven auf die Situation der Überlebenden der Shoa und ihre Anstrengungen, die Erinnerung wach zu halten und zu verhindern, dass Vergleichbares noch einmal passiert. Diese Ausstellung zeigt individuelle PionierInnen ebenso wie das internationale Netzwerk, das Holocaust-Forschung überhaupt erst ermöglicht hat. Dieser länderübergreifende Blick ist uns im HdGÖ ein wichtiges Anliegen!“, so HdGÖ-Direktorin Monika Sommer. „Damit laden wir alle Geschichtsinteressierten nun auch wieder physisch ins Haus der Geschichte ein. Wir öffnen am 9. Februar gleich mit dieser neuen Ausstellung auf dem Alma Rosé-Plateau, wo wir uns vorrangig mit dem Holocaust auseinandersetzen. Der Ort ist uns Verpflichtung, denn nur wenige Schritte entfernt hielt 1938 Adolf Hitler die “Anschluss”-Rede.“

Aktives Handeln macht Aufklärung möglich

Frühe Forscherinnen und Forscher fühlen sich zum Handeln aufgerufen und sammeln noch während des Krieges eine Vielzahl an Quellen, die den Holocaust dokumentieren. In historischen Kommissionen sichern sie auch nach 1945 Beweise und treiben die Aufklärung voran. Es entstehen Archive, Forschungsstellen, Publikationen und Zeitschriftenreihen. Auf diese Weise etablieren sie die Holocaustforschung langsam als akademische Disziplin. Die breiten Materialbestände bilden das Fundament für bedeutsame Institutionen, die der Erinnerung, Erforschung und Dokumentation des Völkermords gewidmet sind.

Die PionierInnen wollen in Ansätzen Gerechtigkeit herstellen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen: Diese sollen überführt und vor Gericht gestellt werden. Überlebende sammeln deshalb Aussagen von Zeuginnen und Zeugen, aber auch Dokumente der an Morden und Deportationen beteiligten Behörden. Zum Teil dokumentieren sie das historische Geschehen direkt an den Tatorten, den Vernichtungslagern und anderen Mordstätten. So werden gerichtliche Prozesse vorbereitet.

Neue gesetzliche Grundlagen

Zugleich gibt es eine Lehre aus dem Holocaust, auf die sich alle Überlebenden einigen können: Eine derartige Katastrophe darf sich nicht wiederholen. Deshalb muss das Völkerrecht weiterentwickelt werden, um die Menschen künftig vor Staaten zu schützen, welche die eigene oder eine fremde Bevölkerung verfolgen.

Um die enormen Verbrechen überhaupt erfassen zu können, braucht es neue juristische Grundlagen: Begriffe wie Völkermord, Genozid oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit existierten bei Kriegsende noch nicht oder bedurften einer präziseren Interpretation. Zudem sollen neue Institutionen entstehen, die Völkermorde verhindern oder zumindest strafrechtlich verfolgen können. Auch diese Aufgaben sind den Überlebenden ein großes Anliegen. Die frühe Forschung zum Holocaust trägt zu Veränderungen im Völkerrecht und zur Gründung internationaler Gerichtshöfe bei.

Einblicke in Biografien

Die Ausstellung „Verfolgen und Aufklären“ würdigt zwanzig PionierInnen der Holocaust-Forschung und gibt Einblick in ihr Leben und Wirken: Rachel Auerbach, Nachman Blumental, Ilja Ehrenburg, Philip Friedman, Tuviah Friedman, Wassili Grossman, Maria Hochberg-Marianska, Louis de Jong, Filip Müller, Emanuel Ringelblum, Hersch Lauterpacht, Raphael Lemkin, Leon Poliakov, Eva Reichmann, Gerhart Riegner, Jacob Robinson, Massimo Adolfo Vitale, Alfred Wiener, Simon Wiesenthal und Joseph Wulf.

Verfolgen und Aufklären: Die erste Generation der Holocaustforschung“ ist von 9. Februar bis 6. April 2021 im HdGÖ zu sehen. Die Ausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz und des Touro College Berlin in Zusammenarbeit mit der Wiener Library London wird in Wien auf Initiative des Vienna Wiesenthal Instituts gezeigt.

Quelle: Haus der Geschichte Österreich / HdGÖ

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Das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ)  

Das Haus der Geschichte Österreich ist das erste zeitgeschichtliche Museum der Republik und organisatorisch an die Österreichische Nationalbibliothek angebunden. Angesiedelt am geschichtsträchtigen Heldenplatz in der Neuen Burg, bietet das HdGÖ in seinen Ausstellungen Einblicke in die wichtigsten politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts bis ins Heute. Außergewöhnliche Objekte, teils noch nie gezeigte Dokumente und interaktive Medienstationen machen Zeitgeschichte für Klein und Groß erlebbar – in historischen Räumen mit zeitgemäßer Architektur und Gestaltung.  Viele Fragen und Themen der österreichischen Zeitgeschichte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft werden in Themenführungen, Workshops und Veranstaltungen diskutiert. Für alle, die unterwegs oder zu Hause neugierig auf Geschichte sind: Eigene Web-Ausstellungen, aktuelle Schwerpunktthemen und interaktive Bildersammlungen bieten unter www.hdgoe.at immer wieder Neues aus der Vergangenheit.

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