„Es lebe der Zentralfriedhof, und alle seine Tot´n, der Eintritt ist für Lebende heut ausnahmslos verbot´n. Weil der Tod a Fest heut gibt, die ganze lange Nacht. Und von die Gäst ka anziger a Eintrittskarten braucht.“
So die erste Strophe der Hymne auf einen Friedhof des Austro-Barden Wolfgang Ambros, geschrieben von Joesi Prokopetz, des Jahres 1974, aus Anlass der ersten 100 Jahre des Wiener Zentralfriedhofes.
„Der Tod, das muss ein Wiener sein.“, so dichtete bereits in den 1950er Jahren der österreichische Komponist und Sänger Georg Kreisler. Und beide behielten mit ihren Ausführungen wohl insofern Recht, da gerade der Wiener Zentralfriedhof – und das nicht nur an Allerheiligen und zu Allerseelen – vermehrt in das Bewusstsein der Wiener – und auch der Österreicher – rückt und gerückt wird.
Denn wo, bitte schön, auf dieser Welt wäre es sonst noch möglich, mit dem Privat-PKW gegen eine Gebühr von derzeit EUR 4,00 die leider schon fußmarode „Jetti-Tant“ quasi direkt ans Familiengrab zu kutschieren, oder aber eine Buslinie, in diesem Fall die Nr. 11, innerhalb des gesamten Areals benützen zu können?
Umso interessanter demnach, der Geschichte dieses Gottesackers, weit draussen vor der Toren der Wiener Stadt, einmal geschichtlich auf den Zahn zu fühlen.
Die Wiener Chronik weiß über die Entstehung folgendes zu berichten:
Eröffnung des Zentralfriedhofs am 1. November 1874
Kalendergerecht am Allerheiligentag wird der neue, ausserhalb des Stadtgebiets liegende Zentralfriedhof eröffnet. Doch die Heiligen sind bei der liberalen Stadtveraltung nicht gerne gesehen. Da der Friedhof allen Konfessionen offen steht, will man ihn nicht nach einem bestimmten Ritus einweihen und eine gemeinsame Feier aller Glaubensgemeinschaften lehnt die katholische Kirche ab. Empört wird geklagt, dass man „uns Katholiken mit Dieben, Mördern, Selbstmördern und Konfessionslosen gemeinsam verscharren will.“
Diese Auseinandersetzung führt zu einer Groteske: Schon am 31. Oktober fährt der Domdechant auf den Friedhof hinaus, stellt 4 Kreuze und 17 Kerzen auf und vollzieht fast wie ein Verschwörer die Weihe. Diese Justament-Aktion prangert die „Neue Freie Presse“ an und verurteilt die „Engherzigkeit der Religionsparteien.“ Doch die Wiener, die „a schene Leich“ (eine(n) attraktive(n) Tote(n)) lieben, sind mit der betonten Nüchternheit und Weltlichkeit unzufrieden. „Der Dornbacher Bahnhof der Pferdeeisenbahn ist im Vergleich ein monumentaler Prachtbau!“, klagt das „Illustrierte Volksblatt“ über die schlichten Friedhofsgebäude, die der Schweizer Architekt Alfred Friedrich Bluntschli geplant hat.
Erst um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert, nach mehreren Erweiterungen, erhielt der nun zirka 2 Quadratkilometer große Friedhof einen würdigen Rahmen. 1905 wurde das Hauptportal vollendet, 1908 begann der Bau der großen Kirche – nach Plänen von Max Hegele – heute Karl Lueger-Gedächtniskirche. Dazwischen liegen die teilweise sehr aufwendigen Ehrengräber, durch die sich Wien mit den zu Lebzeiten oft so ungeliebten Künstlern versöhnte.
Seit 1876 dient der Zentralfriedhof auch den Juden als letzte Ruhestätte. Der Teil beim ersten Tor mit seinen kaum noch gepflegten Prunkgrabstätten erinnert an die Tatsache, dass von den Familien, die diese Gräber anlegten, wohl kaum eine die Zeit des Holocaust überstanden hat. Der neue Teil beim vierten Tor wird auch heute noch belegt.
Das Wiener Krematorium
Als Folge der Auflösung zahlreicher innerstädtischer Friedhöfe und deren Umwandlung in Parkanlagen entschließt sich die Gemeinde Wien im Jahre 1922 den Zentralfriedhof zu erweitern. Der neue Friedhof entsteht auf dem Gelände des „Neugebäudes“, einer bis in 16. Jahrhundert zurück gehenden Schlossanlage gegenüber dem Zentralfriedhof. Das Zentrum bildet das von Clemens Holzmeister erbaute Krematorium. Die Feuerbestattung gilt als Ausdruck eines proletarischen Lebensgefühls, als eine symbolhafte Befreiung des Menschen aus den Zwängen der katholischen Kirche. „Proletarisch gelebt, proletarisch gestorben und dem Kulturfortschritt entsprechend eingeäschert!“, so lautet die Maxime der „Flamme“, des Arbeiterbestattungsvereins.
Der 71er
Übrigens, der 71er transportiert sie alle! Gemeint ist die Tramway Nr. 71 der Wiener Linien, die man lebendig, aber auch deren weniger, nämlich unlebendig, benützen kann. Diese Straßenbahn unterscheidet sich im Alt-Wiener Jargon von den anderen Linien in der simplen Tatsache, dass man mit dem 71er auch dann noch fahren kann, wenn man bereits tot ist. Für den gelernten „Weana“ nämlich ist der Satz „Er ist tot“ viel zu brotlos, während dessen der Verlust eines geliebten Menschen mit dem Faktum: „Er ist mit dem 71er gefahren“ viel mehr Noblesse enthält. Der 71er rattert an vier Toren des Zentralfriedhofs vorbei, jenem unausgesprochenen Stolz der Stadt, dem nachgesagt wird, „halb so groß wie Zürich, aber doppelt so lustig“ zu sein.
Bitte die Öffnungszeiten genau beachten
Da die Größe von heutzutage über 2,5 Quadratkilometern, zwischen Simmeringer Hauptstraße 234-246 und der Ostbahn gelegen, und die Vielzahl an bestatteten Persönlichkeiten gerne zum Aufspüren, Aufsuchen, Erinnerung und Innehalten einlädt, kommt es hin und wieder auch schon einmal vor, dass man am Friedhofsareal eingesperrt werden kann. Um Schlag 18 Uhr schließen sich die Tore. Man sollte demnach pünktlich bei den Ausgängen sein, denn ansonsten kann einen wohl nur mehr die Wiener Berufsfeuerwehr aus dieser misslichen Lage befreien. „Gefangen auf dem Zentralfriedhof“ – es gibt wohl bessere Szenarien …
Alle Fotos und Quelle: oepb
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