Hans Weigel (* 1908, † 1991) war bereits frühzeitig sehr kurzsichtig. Dies
führte dazu, dass er oft mit zwei Brillen anzutreffen war. Foto: privat

„Ich wollte Theaterkritiken immer so schreiben, dass sie auch von Leuten gelesen werden, die keine besondere Liebe zum Theater haben!“, so der Kritiker, Übersetzer, Schriftsteller, Autor und noch vieles andere mehr Hans Weigel zu Lebzeiten.

Und so verfasste er pointiert und witzig, oft gar voll mit bissigem Spott, doch meist sehr treffend seine zahlreichen Kritiken. Dies brachte ihm bei den Schauspielern, die seine Kritik fürchteten, naturgemäß nicht nur Freunde ein. Hier ist auch eine nette Anekdote überliefert. Aber dazu später;

Hans Weigel wurde vor 110 Jahren, am 29. Mai 1908, als Sohn und einziges Kind von Regina und Eduard Weigel in Wien geboren. Seine Schwester Alice, die einige Jahre zuvor geboren wurde, war nach wenigen Tagen nicht mehr am Leben. Die Familie lebte im 5. Wiener Gemeindebezirk. Weigel besuchte das Akademische Gymnasium, inskribierte zunächst Jus in Hamburg, wo er auch im Jahre 1927 seine ersten literarischen Versuche unternahm. 1928 kehrte er in seine Heimatstadt Wien zurück. Zunächst arbeitete er in einem Buchverlag, in den 1930iger Jahren wurde er zum Mitautor an Wiener Kleinkunstbühnen. Bis zu seinem 30. Lebensjahr war er neben seinen zahlreichen Tätigkeiten Autor für diese Kleinkunstbühnen, ehe er 1938 – der politische Anschluss-Umbruch in Österreich veranlasste ihn zu diesem Schritt – in die Schweizer Emigration ging, wo er für Kabaretts, sowie als Verlagslektor arbeitete. Im Jahre 1945 kehrte Weigel nach Österreich zurück und begann 1946 seine Tätigkeit als viel beachteter Theaterkritiker, unter anderem für das „Neue Österreich“ und den „Kurier“.

Er verfasste Bühnenwerke wie „Axel an der Himmelstür“, oder „Barabbas“, das 1946 seine Premiere am Theater in der Josefstadt hatte. Es folgten Buchveröffentlichungen unter anderem: „O du mein Österreich“, „Masken, Mimen und Mimosen“; „Flucht vor der Größe“, „Wien für Anfänger“, „Tausendundeine Premiere“, „Lern dieses Volk der Hirten kennen“, „Gerichtstag vor neunundvierzig Leuten“, sowie „Das Abendbuch“. Weiters verfasste Weigel Biografien über Josef Meinrad, Attila Hörbiger, Johann Nestroy und Karl Kraus. Bekannt wurde er auch als Übersetzer Moliéres und als Bearbeiter Nestroys. Viele Jahre lang, bis zum seinem Ableben am 12. August 1991 in Maria Enzersdorf bei Wien, war Hans Weigel mit der bekannten Schauspielerin und Regisseurin Elfriede Ott liiert.

Berühmt wurde Hans Weigel neben seinen spitzfindigen und gefürchteten Theaterkritiken auch als Förderer junger österreichischer Autoren. So gilt er beispielsweise als Entdecker von Ingeborg Bachmann. Durch die 1951 bis 1954 herausgegebene Anthologiereihe „Stimmen der Gegenwart“ bot er jungen Schriftstellern ein Publikationsforum. Als überzeugter Anti-Kommunist hatte Hans Weigel den so genannten Brecht-Boykott an den Wiener Bühnen der 1950iger Jahre mitzuverantworten. Als Sprachkritiker sah er sich in der Tradition österreichischer sprachskeptischer Autoren – „Die Leiden der jungen Wörter“, 1974. Mit kritischem Witz wandte er sich bereits damals gegen die allerorts Einzug gehaltene moderne Sprachverwahrlosung und verteidigte all das, was für ihn die kulturelle Identität Österreichs ausmachte.

Hans Weigel wurde im Laufe seines 83-jährigen Lebens zu einer Art Wiener Institution und entfesselte mit seinen Polemiken und Kritiken heftige Diskussionen. Als Auszeichnungen erhielt er unter anderem das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse, den Johann Nestroy-Ring, den Großen Tiroler Adler, sowie den Ehrenring der Stadt Wien.

Pfeife, Buch und Brille – so kannte man Hans Weigel. Foto: privat

Der Theaterkritiker, der eine Watschen bekam

Hans Weigel war am 13. April 1956 unterwegs in sein Stamm-Café, das Café Raimund in Wien. Am Weg dorthin über die Straße begegnete er Käthe Dorsch, die ihn ob einer, seiner, Kritik die Dorsch betreffend, als „Dreckskerl“ und „Schmierfink“ bezeichnete. Dem nicht genug, holte die kritisierte und in ihrer Ehre verletzte Schauspielerin auch zu einer schallenden Ohrfeige aus, sodass Weigel, der extrem kurzsichtig war, die lebensnotwendige Brille vom Kopf sauste. Hans Weigel, der die Schauspieler über alle Maßen liebte, war verdutzt und bass erstaunt zugleich, wusste aber auch, dass er diesen Umstand nicht auf sich sitzen lassen könne. Folglich kam es zum Prozess, der für die Wiener zum Großereignis avancierte. Umso mehr, da die Zeugenaussage von Burgtheatermimen Raoul Aslan zum Höhepunkt führte, der für Weigel die „Todesstrafe“ forderte. „Und wenn das nicht ginge, dann wenigstens die Verbannung nach Deutschland.“ Nun, Käthe Dorsch wurde zu einer Schmerzensgeldstrafe von 500 Schilling (€ 36,34), oder im Falle einer Nichteinbringung zu drei Tagen Arrest verurteilt.

Hans Weigel erzählte Jahre später dazu selbst: „Die Käthe Dorsch, mit der ich ansonsten sehr gut war, hatte ja ein bisserl eine pathologische Schlagfertigkeit gehabt. Sie war quasi eine Wiederholungstäterin, denn dem Berliner Kritiker Harich widerfuhr das Gleiche wie mir. Und einem weiteren Journalisten, der sie irrtümlicherweise um ein Jahr älter gemacht hatte, verpasste sich auch einen Schlag ins Gesicht.“ Und selbst, wenn der Schlag einen Moment lang schmerzhaft gewesen sein mag, Weigel hätte wohl nichts besseres passieren können, denn nun war er über Nacht genauso berühmt, wie die große Schauspielerin.

Elfriede Ott erinnert sich heute noch sehr lebhaft an die für sie wundervollen Jahre mit Hans Weigel. Foto: privat

Elfriede Ott erinnert sich:

Wie kann man von einem Menschen erzählen, der so vielfältig war in seinen Interessen, in seinen Einfällen, der so ernsthaft und so ungeheuer witzig war, ein Meister des Ad-hoc Witzes (Aussprüche, in der Sekunden geboren, wurden zu Lach-Witzen), der literarisch so bewandert war und trotzdem jede Art von Unterhaltungsartistik bewundert und verstanden hat, der Mozart und Schubert in sich hatte und die Werger und den Fendrich gewertet hat, und, und, und … Von allen Seiten kommen seine Gedanken wieder, kommt nach wie vor die Erinnerung an ihn. Er wird zitiert, er wird „verwendet“, aber niemand kann ihn richtig einordnen – in seiner Liebe, seinem Zorn, seiner Ablehnung, seiner Härte, seiner Großzügigkeit, seinem Fleiß, oder gar seiner Schweigsamkeit. Du hast mir beigebracht, dass das Leben ganz mit dem gefüllt sein muss, zu dem man bestimmt ist: „Was ist schon dieses Herumleben?“ Wir haben eigentlich immer gearbeitet. Ob in den spärlichen Urlaubstagen mit der Schreibmaschine auf den Knien, auf Almen zwischen den Kühen, oder am Meer. Entweder miteinander oder ein jeder für sich. Und das alles sind nur Tautropfen gegenüber der Flut seiner Bücher, seinen Texte und Kritiken, seiner Vorwörter, Essays und Aufsätze – und seiner Post. Die Korrespondenz, die täglich viel seiner kostbaren Zeit beanspruchte, seine ständige Präsenz für alle, die ihn brauchten. Für mich war er immer da. Wo immer ich mich aufhielt, er wartete auf mich – in Kaffeehäusern, im Auto, auf Parkbänken, zu Hause – immer schreibend, aber immer auf mich eingestellt, auch in schwierigsten Zeiten. Was aber freute Dich? Die Orden und Auszeichnungen! Dies war für Dich die Bestätigung, dass Deine Angriffe, die Du Dein Leben lang gegen alle möglichen Institutionen gerichtet hattest, als das anerkannt wurde, was sie waren – die Liebe zu Deiner Heimatstadt. Wien war ganz einfach das Zentrum Deiner Seele.“

Quelle: Redaktion www.oepb.at

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