Das Bild ist reine Fiktion, dennoch in vielen Haushalten in Österreich leider traurige Wirklichkeit. Foto: © Engin Akyurt from Pixabay

Das Gewaltschutzzentrum OÖ berät und unterstützt Personen, die in der Familie/im sozialen Umfeld von Gewalt betroffen sind, sowie Stalkingopfer. Es bietet Hilfestellung zur Erhöhung der Sicherheit, informiert bei Betretungs- und Annäherungsverboten, einstweiligen Verfügungen und bietet Prozessbegleitung in Straf- und Zivilverfahren an. Weitere Aufgaben sind Gewaltprävention im Rahmen von Schulungen, Öffentlichkeits-, Kooperations- und Vernetzungsarbeit.

Statistik

Im Jahr 2021 betreute das Gewaltschutzzentrum OÖ 2.972 Klient*innen. Davon wurden 2.135 Klient*innen durch die Exekutive aufgrund eines Betretungs- und Annäherungsverbo- tes überwiesen.

Im 1. Halbjahr 2022 kam es sowohl bei den Betretungs- und Annäherungsverboten als auch bei der Klient*innenanzahl zu einer massiven Steigerung. Es wurden 1.184 Betretungs- und Annäherungsverboten ausgesprochen, im 1. Halbjahr 2021 waren es 980, die Gesamtzahl der Klient*innen betrug 1.825 im Vergleich zu 1.538 im 1. Halbjahr 2021. Diese massive Steigerung ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine verunsichert sehr viele Menschen, was bei einem Teil zu einer erhöhten Aggressivität und Gewaltbereitschaft führt. Als Folge der Pandemie arbeiten wieder viel mehr Frauen in Teilzeit oder haben ihren Arbeitsplatz aufgegeben, da die Kinderbetreuung wieder auf sie zurückgefallen ist. Große Einkommensunterschiede führen zu einem Machtungleichgewicht in einer Beziehung, das ist wiederum ein Faktor der Gewalt an Frauen begünstigt. Andererseits holen sich mehr Betroffene Hilfe, da häusliche Gewalt nicht mehr ein so großes Tabuthema ist. Der Umstand, dass es seit kurzem auf jeder Polizeidienststelle eine*n Präventionsbeamt*in gibt, der/die besonders auf häusliche Gewalt geschult ist, wirkt sich ebenso positiv aus.

81% der Opfer sind Frauen und diese sind wiederum zu 98% der Gewalt von Männern ausgesetzt. Männliche Opfer waren zu 75% ebenso Opfer von männlicher Gewalt.

Sonja Ablinger: „Die meisten Betroffenen erleben Gewalt durch ihre Ehemänner bzw. Lebensgefährten (37%) und durch ihre Ex-Ehemänner/Ex-Lebensgefährten (14%).“

64% der Opfer waren österreichische Staatsbürger*innen, 15% EU-Bürger*innen. 57% der Täter*innen waren österreichische Staatsbürger*innen, 13% EU-Bürger*innen. Die Klient*innen des Gewaltschutzzentrums OÖ zeigten im Jahr 2021 1.668 Gewaltdelikte an (Körperverletzung 702, gefährliche Drohungen/Nötigungen 642, beharrliche Verfolgung = Stalking 88, Vergewaltigungen 36, sexueller Missbrauch 23, fortgesetzte Gewaltausübung 57, versuchte/r Morde/Totschlag 5).

Vertragserweiterung

Im Rahmen einer Vertragserweiterung mit dem BMI und dem Frauenministerium konnte das Gewaltschutzzentrum OÖ personell aufgestockt werden. Es kamen jedoch zusätzliche Aufgabengebiete hinzu. Dazu zählen u.a. die Kooperation mit den Beratungsstellen für Gewaltprävention, die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen und Follow-Up Kontakte mit Klient*innen.

Kooperation mit den Beratungsstellen für Gewaltprävention

Nach einem Betretungs- und Annäherungsverbot müssen Gefährder*innen nun eine verpflichtende Beratung im Ausmaß von sechs Stunden in Anspruch nehmen. Aufgrund einer bereits langjährigen Kooperation mit NEUSTART im Rahmen der opferschutzorientierten Täterarbeit funktioniert die Zusammenarbeit auch im neuen Setting sehr gut. Ziel ist es, durch den Austausch das Risiko für die Opfer besser einschätzen zu können und somit den Opferschutz zu verbessern. Problematisch ist jedoch, dass die Beratungsstelle für Gewaltprävention für die Kooperation die Zustimmung des/der Gefährder*in benötigt. Aus unserer Erfahrung wissen wir aber, dass gerade besonders gefährliche Täter*innen diese nicht geben, weshalb es hier im Sinne des Opferschutzes dringend einer Änderung bedarf.

Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen bei Hochrisikofälle

Mit 2021 wurden die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen bei Hochrisikofällen eingeführt. Als Hochrisikofall gilt ein Fall dann, wenn die Gefahr eines Tötungsdelikts oder schwerster Gewalt vorliegt. Bei den sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen sollen alle befassten Einrichtungen und Behörden an einem Tisch zusammenkommen und sämtliche Informationen austauschen, welche für die Gefährdungseinschätzung relevant sein können. Mögliche Teilnehmer*innen sind neben der Exekutive, die Kinder- und Jugendhilfe, die Beratungsstelle für Gewaltprävention, das Gewaltschutzzentrum oder auch die Staatsanwaltschaft . Ebenso werden weitere mögliche Sicherheitsmaßnahmen besprochen. Jede Person, Einrichtung oder Behörde kann eine Fallkonferenz bei der Sicherheitsbehörde anregen. In Oberösterreich wurde unter der Ägide von Univ. Prof. Dr. Rudolf Keplinger, Leiter des Rechtsbüros der LPD OÖ, zur besseren Implementierung der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen ein Koordinationsteam ins Leben gerufen. Dieses soll ein einheitliches Vorgehen und eine professionelle Abwicklung der Fallkonferenzen im gesamten Bundesland gewährleisten und die einheitliche Definition des Begriffes „Hochrisikofall“ sicherstellen.

In Oberösterreich haben im 1. Halbjahr 2022 17 sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen stattgefunden. In 16 Fällen hat das Gewaltschutzzentrum OÖ teilgenommen. Schon allein die Zahl zeigt, wie gut diese Möglichkeit angenommen und für wie wichtig diese befunden wird. Leider macht es auch sichtbar, wie viele Opfer, und zwar fast ausschließlich Frauen, in Gefahr sind, ermordet zu werden oder schwerste Gewalt zu erleben.

Mag.a Eva Schuh: „Die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen sind deshalb so wichtig, weil erst durch die Zusammenschau, dh wenn alle relevanten Tatsachen zusammengetragen werden, die Gefährdung für ein Opfer genauer eingeschätzt werden kann. In Hochrisikofällen ist es essenziell, dass jede Einrichtung oder Behörde am aktuellen Stand ist und koordiniert vorgegangen wird. Ebenso gibt es unterschiedliche Ansätze, wie das betroffene Opfer ganz gezielt in der jeweiligen Situation noch besser geschützt werden kann, z.B.: individuelle sicherheitstechnische Maßnahmen in der Wohnung.“

Projekt PERSPEKTIVE:ARBEIT

Das Projekt unterstützt gewaltbetroffene Frauen beim (Wieder-) Einstieg in den Arbeits- markt bzw. beim Joberhalt. Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist eine der essenziellen Voraussetzung, um sich aus der Gewaltbeziehung lösen zu können. Gewaltbetroffene Frauen sind vielfach von Multiproblemlagen betroffen, welche die Arbeitssuche massiv erschweren. Neben psychischen und physischen Belastungen aufgrund der Gewalt sind vor allem Betreuungspflichten, mangelnde Ausbildung und Berufserfahrung sowie starke Existenzängste große Hürden mit denen Frauen zu kämpfen haben. Sie benötigen daher ein umfassenderes Unterstützungsangebot. Speziell in Zeiten der Pandemie, wo viele Frauen vermehrt sämtliche Betreuungsarbeiten übernommen haben, ist es besonders wichtig sie auf dem Weg zu einem eigenständigen und finanziell unabhängigen Leben zu unterstützen. Seit April 2020 wird das Projekt vom AMS OÖ finanziert. Im letzten Förderjahr wurden 137 Frauen betreut und beim Einstieg in ein Dienstverhältnis am ersten oder zweiten Arbeits- markt, einer Weiterqualifizierung (z.B: Deutschkurs) oder einer längerfristigen Ausbildung (z.B: Pflegekraft) unterstützt. 2021 wurde dem Projekt PERSPEKTIVE:ARBEIT der Frauenpreis der Stadt Linz verliehen.

Quelle: Gewaltschutzzentrum Oberösterreich

Das Gewaltschutzzentrum OÖ ist eine gesetzlich anerkannte Opferschutzeinrichtung nach dem Gewaltschutzgesetz im Auftrag des BMI und BKA – BM für Frauen, Familie und Jugend. Wir bieten rechtliche und psychosoziale Beratung und Unterstützung von Gewaltopfern im sozialen Nahraum und Opfern von Stalking, sowie Prozessbegleitung. Die Beratung ist freiwillig, kostenlos und vertraulich.

Weitere diesbezügliche Artikel finden Sie bei uns bitte hier;

www.gewaltschutzzentrum.at

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