Eines der immer wiederkehrenden Klischees über Alfred Polgar ist es, dass er ein „Meister der kleinen Prosa“ war. Die Worte „Meister“ und „Prosa“ treffen zu, das „klein“ ist ein Missverständnis, denn klein war an Alfred Polgar nichts und „kurze Prosa“ wäre eine weit zutreffendere Charakterisierung.
Polgar wurde am 17. Oktober 1873 in Wien als Sohn eines Musikers geboren und war in der Stadt lange Jahre publizistisch tätig, bis er im Jahre 1925 als Theaterkritiker nach Berlin übersiedelte. Seine Sammlungen von Feuilletons (Was ist ein Feuilleton? Ein Feuilleton ist zum Beispiel: „Ein Wassertropfen, in dem sich der Kosmos spiegelt!“) gehören zu den Kostbarkeiten deutscher Prosa, seine gesammelten Theaterkritiken, die unter dem Titel „Ja und Nein“ erschienen sind, zu den Standardwerken der Theaterliteratur zwischen den beiden Kriegen und des Theaters überhaupt. Die Eleganz seiner Sprache und der leicht skeptische Ton der Feuilletons Polgars wurde oft limitiert, ohne dass es auch nur einem einzigen seiner Nachahmer gelungen wäre, in seine Nähe zu kommen.
Aus dem nationalsozialistischen Deutschland emigrierte Polgar zurück nach Österreich und 1940 über die Schweiz und Frankreich nach den USA. Nach dem Krieg kehrte er nach Europa zurück und lebte in Zürich, Wien und München. Am 24. April 1955 verstarb er in Zürich. Er war gegen sich selbst wesentlich kritischer als anderen gegenüber und seine Meisterfeuilletons wurden von Auflage zu Auflage geändert, geschliffen und verfeinert, bis das entstand, was Franz Blei einmal Polgars „Filigranit“ nannte.
Vor 1933 erschienen die Sammlungen „An den Rand geschrieben“, „Orchester von oben“, „Ich bin Zeuge“, „Schwarz auf Weiß“, „Bei dieser Gelegenheit“, „Hinterland“, „Ansichten“ und „Standpunkte“, sowie die vier Bände Theaterkritiken unter dem Titel „Ja und Nein“. Neue Auswahlen erschienen 1945 nach dem Kriege.
Egon Friedell, geboren am 21. Jänner 1878 in Wien, aus dessen humoristischem Schaffen auf dieser CD einige Auszüge gebracht werden, gehört zu den vielseitigen Talenten, die der an vielseitigen Talenten nicht gerade arme Wiener Boden hervorgebracht hat. Historiker und Humorist, bewies er in seinem Hauptwerk, der in den letzten Jahren neu aufgelegten und phantastisch erfolgreichen „Kulturgeschichte der Neuzeit“, dass sich Witz und Geschichte, ernste historische Forschung mit brillanter, geistreicher Formulierung verbinden lässt. Friedell betätigte sich erfolgreich als Dramatiker – seine „Judastragödie“ erlebte im Wiener Burgtheater 1923 ihre Erstaufführung, Übersetzungen und Bearbeitungen von seiner Hand wurden an vielen Bühnen gespielt. Er war Schauspieler am Theater in der Josefstadt und an den anderen Bühnen Max Reinhardts und schrieb mit Alfred Polgar eine große Anzahl humorvoller Bühnenszenen, von denen „Goethe“ die bekannteste ist und in der Zwischenkriegszeit an vielen Kabaretts und Theatern gespielt wurde. Daneben ebenfalls mit Polgar, „als Lemberg noch in unserem Besitz war“, wie Polgar sich ausdrückte, die Einakter „Die Musteroperette“, „Sherlock Holmes in der Parterrewohnung“, „Der Kabarett-Gedanke“, „Die zehn Gerechten“, „Die Wohltäter“, „Der Freimann“ und noch viele andere mehr.
Egon Friedell feierte im Jänner 1938 noch seinen 60. Geburtstag, in der Presse und Öffentlichkeit hoch geehrt. Nur zwei Monate später, am 16. März des gleichen Jahres, beendete er durch Selbstmord sein Leben, da er sich den neuen Verhältnissen, die in Österreich im März 1938 geschaffen wurden, nicht mehr gewachsen sah. Es ist überliefert, dass unmittelbar nach dem politischen Anschluss Österreichs an „Hitler-Deutschland“ zwei SA-Männer auf der Suche nach dem „Jud Friedell“ waren. Dieser erwartete bereits seine Verhaftung und war darob derart verzweifelt, dass er aus dem Fenster sprang. Dabei rief er den unten am Haus im 18. Wiener Gemeindebezirk noch vorbeischlendernden Passanten zu, sie mögen doch bitte zur Seite springen, denn er springe jetzt – um niemanden zu verletzten. Er, der gläubige Christ, starb an der neuen Zeit, die er in seiner Kulturgeschichte nicht gemeint hatte.
Alexander Roda Roda wurde am 13. April 1872 in Puszta Zdenci in Slowenien als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. Jusstudium in Wien, Berufsoffizier bis 1902, dann Schriftstellerei und Reisen, ab 1906 in München und später, ab 1938 in Amerika. Humorist, Satiriker, Verfasser von satirischen Romanen, Lustspielen und grotesk-persiflierenden Anekdoten.
Felix Salten schrieb über Roda Roda: „Roda Roda ist denn auch auf eine ganz besondere Art österreichisch, ist so köstlich gemischt aus allen Farbstoffen der gegensätzlichen Nationalitäten, aus allen Merkmalen der verschiedenen Länder, wie kein anderer. Das heutige Österreich mag größere Dichter hervorgebracht haben, aber niemals wieder wird diesem Boden eine Individualität erwachsen wie Roda Roda. Sein Wesen enthält noch alles vereinigt, was früher eigentlich den Begriff „österreichisch“ ausgemacht hat. Besinnen wir uns, wie Roda Roda bisher eingeschätzt wurde, und stellen wir uns eigentlich vor, wie anders, um wie viel höher er gewertet würde, wenn er ein Franzose wäre und in Übersetzungen zu uns gelangte. Man wäre bereit, lachend und bewundernd diesen prächtigen Gascogner zu verehren, als Spaßmacher unter den Dichtern, als Dichter unter den Spaßmachern, als ein wundervoll moussierendes Temperament, als eine stark gefärbte, aber doch als eine starke Menschlichkeit. So erinnere ich jetzt daran, wie viele Gestalten, Zusammenhänge, Umstände er in seiner knappen, handfesten Kunst zu dauerndem Leben bewahrt hat.“
Alexander Friedrich Ladislaus Roda Roda verstarb am 20. August 1945 in New York / USA.
Fritz Muliar, Schauspieler und Kabarettist, später auch Regisseur (* 12. Dezember 1919 in Wien, † 4. Mai 2009 in Wien) liest anhand dieser 60minütigen Hör-CD aus „Die österreichische Seele“. Aufgenommen wurden die Texte im Herbst 1961, sowie im Jänner 1962.
Erschienen ist diese herrliche CD, einmal mehr, bei PREISER RECORDS WIEN, jenem österreichischen Tonträger-Unternehmen, für das gelebte Geschichte zu bewahren, keine leere Worthülse darstellt.
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