Neulich habe ich einem guten Freund, der sich nicht für Fußball interessiert, dabei zugeguckt, wie er Wäsche aufhängte. Ich weiß, dieser Satz wirft eine Menge Fragen auf: „Du hast Freunde, die sich nicht für Fußball interessieren?“ – Es ist nur einer. – „Und Du redest mit dem?“ – Wenn ich das nicht tun würde, wäre er nicht mein Freund. – „Aber er interessiert sich nicht für Fußball, warum solltest Du mit ihm reden? Und ihm beim Wäscheaufhängen zugucken? Ist das was Sexuelles?“ – Sorry, ich muss meinen Zug erwischen!
Genauer gesagt interessiert sich dieser Freund nicht für das Spiel an sich. Er kennt auch nicht das leicht perverse, schmutzige Hochgefühl, das dich überkommt, wenn deine Mannschaft 90 Minuten lang Mist gespielt hat und durch ein Glückstor doch noch gewinnt. Natürlich ist es bedenklich, dass solche dreckigen Erfolge einen bisweilen mehr zufrieden stellen, als ein brillant herausgespielter Kantersieg. Ich meine, aus welchem schwarzen Loch in meiner Seele kommt das?
Mein Freund sagt immer, er interessiere sich durchaus für das ganze Drumherum, das Verhalten der Leute auf den Rängen, die irrationale Sehnsucht nach dem Ruhm, den die Spieler auf dem Rasen stellvertretend für einen selbst erringen sollen, das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit, die erotiknahe Körperlichkeit in Momenten des Glücks, die allgemeine Enthemmtheit. Verstehe ich alles nicht. Einmal habe ich diesen Freund zu einem Spiel mitgenommen, und als wir in der 80. Minute 0 : 3 hinten lagen, wies er mich auf einen Typen Mitte 60 hin, der mit blau-weißem Schal und Vereins-Käppi da saß und sehr konzentriert Zigaretten drehte, in denen er nicht nur Tabak unterbrachte. „Schau mal“, sagte mein Freund, „der guckt gar nicht mehr auf den Platz!“
Nur nebenbei: Sätze, die mit so einem gepflegt süddeutsch angehauchten „Schau mal“ beginnen, ignoriere ich normalerweise nicht mal. Zumal im Stadion die korrekte Gesprächs-Eröffnung „Ey“ gewesen wäre. Da ich den betreffenden Selbstdreher flüchtig kannte, gab ich wahrheitsgemäß an: „Der hat schon alles gesehen. Das meiste davon zweimal.“
Jedenfalls habe ich neulich diesem Freund dabei zugesehen, wie er eine schwarze Socke mit einer gelben Klammer auf der Leine befestigte. Seitdem ist sein Kontakt in meinem Telefon gesperrt.
Über Frank Goosen
Der weit über die Grenzen des deutschen Ruhrgebiets hinausreichend bekannte und beliebte Autor, Kabarettist und Feuilletonist Frank Goosen ist langjähriger, bekennender und leidgeprüfter – ob der schier übermächtigen Konkurrenz aus Dortmund und Schalke – Anhänger des VfL Bochum von 1848. Als solcher steht er nach wie vor treu ergeben zu den einstmals „Unabsteigbaren“, schließlich zählten die Blau-Weißen aus der Herbert Grönemeyer-Stadt Bochum von 1971 bis 1993 ununterbrochen zur höchsten deutschen Spielklasse. Nach Jahren des Paternoster-Daseins – „Wir steigen auf, wir steigen ab – und zwischendurch Europacup“ – in Anlehnung an die Aufstiege, die bis in den UEFA-Cup führten, um sich im Jahr darauf erneut in der 2. Spielklasse wieder zu finden, müsste es nun „Die Unaufsteigbaren“ heißen, denn seit knapp 10 Jahren kennt man an der Castroper Straße die 1. Deutsche Bundesliga nur mehr vom Hörensagen. Aber genau genommen machen gerade solche Vereine mit ihrem treuen Gefolge die Fußballwelt bunt und interessant, denn zu permanent siegreichen Teams zu stehen, das kann doch schließlich jeder.
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