Einem gängigen Klischee nach müssen Künstler leiden, um große Kunst zu erschaffen. Dementsprechend wollte der Moderator Jörg Thadeusz in einem Radio-Interview neulich von mir wissen, wie sich denn schlechte Ergebnisses meines Vereins auf die künstlerische Produktion auswirken. Sinngemäß antwortete ich, dass ich mich an schlechte Ergebnisse meines Vereins meist schon fünf Minuten nach Abpfiff nicht mehr erinnern könne. Würde ich nicht ständig darauf angesprochen, könnte ich so etwas tatsächlich komplett verdrängen. Das habe ich von meiner Omma gelernt. Die hatte in Bezug auf Fragen ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit einen Satz von Hans-Dieter Hüsch verinnerlicht: „Watt ich nich kenn´, datt krieg` ich auch nicht!“
Wenn tiefes Leid Voraussetzung für große Kunst wäre, hätte ich nach der 0 : 3-Niederlage meines Vereins in Sandhausen eigentlich innerhalb weniger Tage ein Epos raushauen müssen, gegen das die Buddenbrooks wie ein Heftchenroman der Bainca-Reihe gewirkt hätten. Tatsächlich hätte meine kreative Verarbeitung dieses erneuten Traumas nicht einmal für einen Tweet gereicht, bestand sie doch eigentlich nur aus: „Hä?“
Im Umkehrschluss müssten ja auch künstlerisch arbeitende Anhänger erfolgreicher Vereine unter dem Eindruck ihrer von Triumph zu Triumph eilenden Mannschaft komplett verstummen. Der hochgeschätzte Kollege Fritz Eckenga, der mit einem gewissen Starrsinn an seiner Sympathie für einen schwarz-gelben Verein in der Nachbarschaft festhält – nein, es ist NICHT der DSC Wanne-Eickel! – liefert allerdings die von ihm bekannte Hochqualitätsprosa und Prädikatslyrik auch dann ab, wenn sein Verein die Tabelle der Fußball-Bundesliga anführt. Die Pokalniederlage gegen Bremen wird er eher als beruhigend empfunden haben, weil die Menschen in unserer Gegend überhaupt nur ein gewisses Maß an positiver Energie ertragen können.
Wie sich schlechte Ergebnisse auf meine Laune auswirken, ist eine ganz andere Frage. Dazu verweigere ich die Aussage, um mich nicht selbst zu belasten, und untersage hierzu auch jeden Kontakt zu den Mitgliedern meiner Familie.
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Der deutsche Kabarettist und Autor Frank Goosen ist – so wie übrigens Herbert Grönemeyer auch – glühender Anhänger des VfL Bochum. Als solcher hört er es sehr gerne, dass sich der Verein das Ziel gesetzt hat, ständig unter die Top 25 der Deutschen Fußballvereine zu gelangen und dort auch dauerhaft zu verweilen – mit anhaltender Tendenz nach oben versteht sich. Im Moment wäre der Ruhrpottverein an 26. Stelle, denn der Tabellenplatz 8 in der 2. Deutschen Fußball-Bundesliga (Stand 18. Februar 2019) wirft diese Position auf. Darüber hinaus schlingert das Schiff „Verein für Leibesübungen“ derzeit durch sehr unruhiges Gewässer, denn die letzten drei Niederlagen en suite brachten große Teile der Anhängerschaft in Rage. Auch jene 12 Tore, gleichbedeutend mit dem 2. Platz in der Torjägerliste, des Österreichers Lukas Hinterseer klingen für den Moment zwar sehr schön, hätten aber bei genauerem Zielwasser zu noch mehr Volltreffern und damit naturgemäß zu einem üppigeren Punkte-Polster verholfen. Das nützt alles freilich nichts und das hohe Ziel „Aufstieg in die Bundesliga“ der einstigen „Unabsteigbaren“ von der Castroper Strasse muss wohl auf das nächste Jahr verschoben werden.