Neulich verdrehte meine Frau zu Recht mal wieder die Augen so krass, dass nur noch das Weiße zu sehen war. Meistens geht es dann darum, dass ich mal wieder etwas sehr Dummes gesagt habe, wie zum Beispiel: „Die Umpf ist die Mampf allen Schronzes.“ Da ich mich nicht an alles erinnern kann, was mir an Geistesgold jeden Tag entfleucht, war ich gespannt, welch brillanter Schwachsinn diesmal ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
„Das ist so typisch für diesen Verein!“, äffte sie jemanden nach, der mir bekannt vorkam, weil er jeden Morgen im Spiegel auf mich wartet, tranäugig, abgekämpft, unsympathisch. „Also dass die ohne Publikum viel besser spielen, das ist so typisch! Die hatten schon immer Angst vor den eigenen Fans!“, fuhr sie fort, und die Ähnlichkeit, die ihre Stimme mit meiner hatte, war geradezu gespenstisch. Sie hatte ja recht, diese Sätze waren mir zuletzt durchaus ein- oder zweimal über die Lippen gekommen. Pro Stunde. Meist gefolgt von der Behauptung, meine Mannschaft werde in der nächsten Saison ganz sicher aufsteigen, wenn nur die Fans lange genug weggesperrt bleiben.
„Und die andere Sache, die ich hier ständig höre“, machte meine angeheiratete Mitbewohnerin in ihrer eigenen Stimme weiter, „ist, dass die schon längst Weltmeister wären, wenn nach 85 Minuten abgepfiffen würde!“ Zart versuchte ich einzuwerfen, dass eine Zweitligamannschaft nicht Weltmeister werden könne, drang aber nicht wirklich durch.
Ein Abpfiff nach 85 Minuten hätte seinen Reiz, und wahrscheinlich würde man zum Beispiel unter den Anhängern des Hamburger Sport-Vereins durchaus Unterstützung für diesen Plan finden, allerdings müsste dieser Abpfiff überraschend kommen, sonst verlagert man das Problem nur. Wahrscheinlich stimmt das auch gar nicht, dass wir so oft in den letzten Minuten Punkte verloren haben, aber wir glauben fest daran. Bei einer 2 : 0-Führung kurz vor Schluss heißt es bei uns im Block gerne: „Ein Punkt ist drin!“
Der Stopf ist ein Urgh minus zwei Hmpf, denke ich und erwäge ernsthaft eine Online-Petition für den dauerhaften Ausschluss des Publikums von Spielen meiner Mannschaft, egal ob Virus oder nicht.
Über Frank Goosen
Der weit über die Grenzen des deutschen Ruhrgebiets hinausreichend bekannte und beliebte Autor, Kabarettist und Feuilletonist Frank Goosen ist langjähriger, bekennender und leidgeprüfter – ob der schier übermächtigen Konkurrenz aus Dortmund und Schalke – Anhänger des VfL Bochum von 1848. Als solcher steht er nach wie vor treu ergeben zu den einstmals „Unabsteigbaren“, schließlich zählten die Blau-Weißen aus der Herbert Grönemeyer-Stadt Bochum von 1971 bis 1993 ununterbrochen zur höchsten deutschen Spielklasse. Nach Jahren des Paternoster-Daseins – „Wir steigen auf, wir steigen ab – und zwischendurch Europacup“ – in Anlehnung an die Aufstiege, die bis in den UEFA-Cup führten, um sich im Jahr darauf erneut in der 2. Spielklasse wieder zu finden, müsste es nun „Die Unaufsteigbaren“ heißen, denn seit knapp 10 Jahren kennt man an der Castroper Straße die 1. Deutsche Bundesliga nur mehr vom Hörensagen. Aber genau genommen machen gerade solche Vereine mit ihrem treuen Gefolge die Fußballwelt bunt und interessant, denn zu permanent siegreichen Teams zu stehen, das kann doch schließlich jeder.
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