Die VfL Bochum-Fans hinter dem Tor in der Ostkurve des Ruhrstadions. Auch wenn es mit dem VfL in den letzten Jahren mehr bergab, denn bergauf geht, stehen sie eisern zu ihren Blau-Weißen. Foto: oepb
Die VfL Bochum-Fans hinter dem Tor in der Ostkurve des Ruhrstadions. Auch wenn es mit dem VfL in den letzten Jahren mehr bergab, denn bergauf geht, stehen sie eisern zu ihren Blau-Weißen. Foto: oepb

Geburtstag! 45 Jahre 2. Deutsche Bundesliga! Feiern wir damit nicht so etwas wie ein ungewolltes Kind, eines, das im Reagenzglas gezeugt wurde, als Ersatzteillager für das kranke Erstgeborene? Eigentlich möchte doch niemand in die 2. Liga. Von oben sowieso nicht, weil sich das anfühlt wie der kleine Tod (nicht zu vergleichen mit dem, was man gemeinhin darunter versteht), und von unten ist sie nur Durchgangsstation, letzte Etappe im Aspera, bevor man zu den Astra kommt (beim FC. St. Pauli allerdings in jeder Hinsicht ligenunabhängig).

Ich bin jetzt gerade in meinem VfL-Jahr, das heißt, ich war schon mal 13 und bin jetzt 53, gehöre also einer Generation an, die von der Existenz einer 2. Liga überhaupt erst im Sommer 1993 erfahren hat. 22 Jahre lang ging es gegen richtige Gegner, also aus Städten, von denen man auch außerhalb eines geographischen Spezialstudiums schon mal gehört hatte. In den folgenden Jahren war diese Liga für uns dann mehr so ein Müdigkeitsbruch oder eine weiche Leiste, eher ein Adduktoren-Problem, als eine ernsthafte Verletzung. Klar, es war lustig, in Gemeinden zu spielen, die kein eigenes Auto-Kennzeichen hatten und wo nicht wenige Zuschauer das Spiel von ihrem Balkon aus verfolgen konnten, hatte aber doch nichts mit Fußball zu tun, sondern war mehr ein 34 Spiele lang anhaltender Witz, über den man allenfalls schmunzeln konnte.

Nicht wenige Bochumer weigerten sich, sich die Namen der Gegner auch nur für 90 Minuten einzuprägen. Wir waren Schindlers Kiste, der blau-weiße Fahrstuhl, und das war schon schlimm genug.

Dass es für galoppierende Arroganz irgendwann aufs Fressbrett gibt, ist allgemein bekannt, und als wir nach dem letzten Abstieg im Jahr darauf durch diese Lebensversicherung für heruntergekommene Erstligavereine (auch Relegation genannt) trotz 65 Punkten nicht wieder aufstiegen, war erst mal Ende Gelände. Plötzlich hieß der Angstgegner nicht mehr Bayern, sondern Aue. Nach der traumatischen 1 : 6-Niederlage im Schneegestöber hinter den sieben Bergen des Erzgebirges im Oktober 2012 sagte mir einer, der dabei war, er hätte lieber sechs Jahre Durchfall als noch einmal so ein Spiel erleben zu müssen.

Ich selbst begab mich mal an einem nasskalten Februartag in ein süddeutsches Zweitligastadion und hatte dabei das Gefühl, mich im Termin geirrt zu haben, fand doch offenbar eine Dreiviertelstunde vor dem vermuteten Spielbeginn nur eine Stadionführung für etwa 50 Einheimische statt.

Und bei Heimspielen gegen Paderborn (wo sind die eigentlich hin?) bekommst du plötzlich Kurznachrichten aus dem Stadion von Rot-Weiß Essen, die du erst mal gar nicht begreifst: „Bei uns sind mehr.“ Das fühlt sich alles falsch an.

Aber den Tiefpunkt hast du erreicht, wenn du in dieser ungewollten Klasse auch noch immerfort gegen den Abstieg spielst. „Zweite Liga, tut schon weh!“, trällern die Bochumer Domspatzen regelmäßig aus der Ostkurve des Ruhrstadions, aber auch: „Scheißegal, Bochum olé!“ Nee, das ist eben nicht egal. Es tut immer nur weh. Und deshalb „Kein Happy Birthday 45 Jahre 2. Liga!“

Über Frank Goosen

Der weit über die Grenzen des deutschen Ruhrgebiets hinausreichend bekannte und beliebte Autor, Kabarettist und Feuilletonist Frank Goosen ist langjähriger, bekennender und leidgeprüfter – ob der schier übermächtigen Konkurrenz aus Dortmund und Schalke – Anhänger des VfL Bochum von 1848. Als solcher steht er nach wie vor treu ergeben zu den einstmals „Unabsteigbaren“, schließlich zählten die Blau-Weißen aus der Herbert Grönemeyer-Stadt Bochum von 1971 bis 1993 ununterbrochen zur höchsten deutschen Spielklasse. Nach Jahren des Paternoster-Daseins – „Wir steigen auf, wir steigen ab – und zwischendurch Europacup“ – in Anlehnung an die Aufstiege, die bis in den UEFA-Cup führten, um sich im Jahr darauf erneut in der 2. Spielklasse wieder zu finden, müsste es nun „Die Unaufsteigbaren“ heißen, denn seit knapp 10 Jahren kennt man an der Castroper Straße die 1. Deutsche Bundesliga nur mehr vom Hörensagen. Aber genau genommen machen gerade solche Vereine mit ihrem treuen Gefolge die Fußballwelt bunt und interessant, denn zu permanent siegreichen Teams zu stehen, das kann doch schließlich jeder.

https://frankgoosen.de

Noch mehr über Frank Goosen lesen Sie bei uns bitte hier;

www.vfl-bochum.de

www.bundesliga.de

 

 

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