„BITTE KOMMT ALLE WIEDER!“ – so ein noch immer unter dem Eindruck der Stimmungs-Euphorie von 31.500 Zuschauern gestandener FK Austria Wien-Stadionsprecher Erwin Gruber am fortgeschrittenen Abend des 14. September 2017 unmittelbar nach der 1 : 5-Heimpleite im Europacup gegen den AC Milan. Es gab zwar gegen die Mailländer eine gehörige Tachtl auf´s violette Dachl, aber die Zuschauer und Fans standen wie ein Mann hinter ihrem violett-weißen Team. Ein nachblubbernder und anhaltender Eindruck der „Austria-Familie“. Nun, der geneigte AUSTRIANER würde nicht als solcher gelten, wäre er gestern Abend doch tatsächlich wieder erschienen. Es war ein Bundesliga-Spiel im trauten Familienkreis vor 4.424 Besucherinnen und Besuchern im weiten Rund des Wiener Praterstadions. Ein Königreich für Kinder, die herrlich viel Platz zum „Fangen spielen“ vorgefunden hatten. Als Gegner kam mit dem SKN St. Pölten nicht nur der Tabellenletzte nach Wien, die Hauptstädter von Niederösterreich wurden im Übrigen von Neo-Coach Oliver Lederer im Zuge seiner Antritts-Pressekonferenz unter der Woche auch als „schlafender Riese“ tituliert. Ein sensationeller Ausspruch, der bei näherer Betrachtung patentiert gehört. Dieser sich bereits im September im tiefen Winterschlaf befindliche „schlafende Riese“ brachte die beachtliche Kulisse von knapp 50 Anhängern nach Wien mit. Selbst im Vorjahr lockte der damals aktuelle Aufsteiger aus NÖ anhand von 4.825 (Herbst 2016), als auch von 5.426 Zuschauern (Frühjahr 2017) keine Austria-Fan-Massen anhand beider Heimspiele hinter dem Ofen hervor. Vorbei demnach die Zeit, als tausende St. Pöltner ihrem VSE St. Pölten – so hieß der Vorgänger-Verein – beispielsweise im Herbst 1988 eifrig nachreisten und die jeweiligen Sportplätze und Stadien in Wien – der Sportclub-Platz, als auch das Horr-Stadion mit weit über 10.000 Besuchern – ausverkauft waren.
8. Spieltag tipico-Bundesliga / Sonntag, 17. September 2017, 19 Uhr / Wiener Prater – Ernst Happel-Stadion, 4.424 Besucher, Schiedsrichter Dieter Muckenhammer (aus Oberösterreich)
Das beste an einer deftigen Pleite ist, dass man bereits im nächsten Spiel wieder alles einigermaßen gerade rücken kann. Ein Umstand, der gerade auf den Fußballsport sehr zutreffend ist. Die Wiener Austria hatte gestern Abend die Möglichkeit, mit einem vollen Erfolg wieder Tabellen-Dritter zu werden. Und die Wiener Veilchen nützen diese ihre sich bietende Chance auch – und das sehr eindrucksvoll.
Die Austria kam gut in die Partie, baute über den Kapitän Raphael Holzhauser im Gleichklang mit Tarkan Serbest einerseits, sowie Abdul Kadiri Mohammed andererseits immer wieder ihre Angriffs-Bemühungen auf und ließ dem SKN St. Pölten nur wenig Gestaltungsfreiraum. Einzig und alleine Damir Mehmedovic prüfte nach 10 Minuten mit einem Schuss FAK-Keeper Osman Hadzikic. Besagter Holzhauser, dem Zuzuschauen eine wahre fußballerische Freude bereitet, knallte nach 14 Minuten munter darauf los, knapp über das Tor. Wenige Minuten später ein herrlicher „Lupfer“ von Holzhauser über Freund und Feind hinweg auf Felipe Pires, der seinen Bewacher Michael Huber zwar abschütteln konnte, an Christoph Riegler im SKN-Tor jedoch – noch – scheiterte. Dann die 23. Minute im Spiel und das heiß ersehnte 1 : 0: David de Paula bedient wunderschön Kevin Friesenbichler und dieser hebt den Ball mit sehr viel Gefühl über den herauseilenden Riegler hinweg zur Austria-Führung ins Tor.
Die Austria im Herbst 2017, wäre aber auch nicht die Austria, wenn die Abwehr einmal auf ihrem Posten gestanden hätte. Roope Riski nutze gewisse Verständigungsprobleme zwischen Kadiri und Hadzikic und spitzelte den Ball ins Austria-Tor. 1 : 1 nach 25 Minuten. Kurz darauf rettete Kadiri auf der Linie in aller höchster Not. Das etwaige 1 : 2 wäre in dieser Phase jedoch auch nicht unverdient gewesen.
Dann wieder die Hausherren. Unterstützt und frenetisch angefeuert aus den Fan-Blöcken C und D wurde Violett mehr und mehr Spielbestimmender. Einen Holzhauser-Freistoß konnte Riegler abwehren, ebenso hatte der St. Pölten-Torhüter bei einem Ibrahim Alhassan Abdullahi Kopfball knapp über die Latte Glück. In der ersten Minute der Nachspielzeit der ersten Spielhälfte die Austria-Führung: Friesenbichler scheiterte noch im St. Pöltner Abwehrbeinen-Gewirr, während Pires das Leder trocken in die Maschen schlenzte – 2 : 1 in Minute 46.
Nach Seitenwechsel das gewohnte Bild: Die Austria am Ball, St. Pölten sehr gut verteidigend und für die violetten Angriffsversuche ein steter Unruheherd. Dann erhielt Michael Ambichl seinen Auftritt: Zuerst sauste sein Schuss noch über die Austria-Tor hinweg, nach einer anderen Aktion flog er mit glatt ROT vom Platz. Der St. Pöltner hatte David de Paula derart derb „über die Klinge springen lassen“, dass Schiedsrichter Dieter Muckenhammer sofort den Platzverweis aussprach. Und genau in jene Phase des Spiels hinein – Austria-Führung, ein Mann mehr am Platz, der Gegner ist Tabellenletzter – taten sich die Veilchen schwer, die Vorentscheidung herbeizuführen. Dieser Umstand trat ein, da St. Pölten sehr gut und dicht gestaffelt stand, die violetten Angreifer mehr als nur abgeschirmt waren und sich wenig Bewegung im Spiel ergab. Dabei heraus kam ein Hin- und Her-Ballgeschiebe, stets den freien Mann oder ein Loch im Abwehrblock von St. Pölten suchend. Dieser Umstand zog sich ein wenig dahin, was natürlich wieder einige Austria-Zuschauer dazu veranlasste, mit Pfiffen ihren Unmut ob des Dargebotenen kundtun zu müssen. Dass man mit derartigen Missfallens-Kundgebungen das eigene Team, das noch dazu ohnehin sehr jung ist, nur aus dem Tritt bringen kann, das vergisst der „geneigte“ Austria-Anhänger dann immer wieder sehr gerne.
Holzhauser ist mit seinen 24 Lenzen Routinier genug, um sich dennoch dadurch nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Immer wieder forderte er den Ball und trieb die Seinen nach vorne. Bei diesem fußballerischen Anblick erinnert man sich gerne an Herbert „Schneckerl“ Prohaska, der vor über 30 Jahren einen ähnlichen Spielstil an den Tag gelegt hatte. Auch er hatte damals mit Pfiffen zu kämpfen, wenn es einmal nicht so gelaufen war.
Zuerst hieß es aber noch ein bisserl zittern. Manuel Martic donnerte in der 66. Minute einen wuchtigen Schuss an die Stange, Hadzikic wäre machtlos gewesen. Doch dann spielte nur mehr der FAK. Jinhyun Lee – er beerbte de Paula – setzte einen Paß von rechts auf links und Pires, der in den Strafraum spielte. Michel Huber rutschte in den Ball, spielte diesen mit der Hand und erhält „Gelb-Rot“. St. Pölten war damit nur noch mit 8 Feldspielern präsent. Den verhängten Elfmeter verwandelte Holzhauser sicher zum 3 : 1. Auch unter den Zuschauern beim Elfmeter war übrigens Trainer Thorsten Fink, der sich in seiner Anfangszeit als Austria-Coach bei Strafstößen stets gerne umgedreht hatte, um nicht hinsehen zu müssen. Das 3 : 1 in der 79. Minute war die Entscheidung.
Zwei Minuten später das 4 : 1. Alhassan auf Pires auf rechts, dessen Hereingabe Friesenbichler mit dem Kopf verwertete. Und Christoph Monschein, der für Friesenbichler im Anschluss kam, hatte auch noch seinen Torerfolg. Pires servierte der Austria-Neuerwerbung den Ball und dieser Traf mit dem Schlusspfiff zum 5 : 1. Die Austria hatte somit den Turnaround – wenn man so will – nach der Europapokal-Pleite ganz toll geschafft. Und Erwin Gruber verabschiedete sich und die Seinen vom abwandernden und leider einmal mehr nur spärlichen Publikum zum Schluss noch mit den einschneidenden Worten, „dass man die eigene Mannschaft doch bitteschön nicht auspfeifen sollte!“ Ein Beispiel, dass durchaus Schule machen könnte.