Die Vorfreude im Lager des FK Austria Wien vor der Europapokal-Heimspiel-Premiere in einer Gruppenphase – zuletzt war man in einer solchen im Herbst 2013 in der Champions-League vertreten – war riesengroß. Der Vorverkauf für das Dreier-Abo, welches für sämtliche drei Heimspiele Gültigkeit hat, verlief mit 11.500 verkauften Stück relativ gut. Die gestern Abend dann letzten Endes erschienenen 16.509 Zuschauerinnen und Zuschauer sorgten für eine einigermaßen ordentliche Kulisse, gleichbedeutend für den zweitbesten Besuch in einem Europa-League-Heimspiel seit dem 8. November 2007. Damals pilgerten 20.100 Besucher gegen Girondins Bordeaux in den Wiener Prater. Mit dem FC Viktoria Pilsen traf man in Runde Zwei auf den tschechischen Meister, der seinerseits das erste Spiel zu Hause mit einem 1 : 1 gegen den AS Roma bestritt. Die Austria gewann in Bukarest gegen Astra Giurgiu mit 3 : 2 und war vor der gestrigen Begegnung Tabellenführer der Gruppe E. Und – es lag so eine eigenartige Stimmung, im positiven Sinne, über dem Oval. Man war im Lager der Veilchen guter Dinge und mit dem Belgier Didier Dheedene, der in den FAK-Legenklub aufgenommen wurde, sowie Tomas Jun via Grußbotschaft von der Vidiwall als prominente Daumendrücker von Ex-Veilchen vergangener Jahre im Rücken konnte eigentlich nicht mehr viel schief gehen.
2. Runde / Gruppenphase UEFA Europa League 2016/17 / Donnerstag, 29. September 2016, 21.05 Uhr / Wiener Prater-Ernst Happel-Stadion, 16.509 Besucher, Referee John Beaton (Schottland)
Die nunmehr 15jährigen Viola Fanatics – die Ultra-Gruppierung der Wiener Austria besteht seit 2001 – hatte ganze Arbeit geleistet. Mit tausenden Fähnchen und einem riesigen Transparent – „AUCH IN EUROPA ZÄHLT NUR EIN TEAM – ZERLEG´ DIE GRUPPE, AUSTRIA WIEN!” – über die ganze Stadionkurve wurden die violetten Lieblinge begrüßt und eine akustische Welle ins Stadion geschmettert, die es bei Austria-Spielen leider nur sehr selten gibt. Auch aus Pilsen waren etwa 2.000 Fans angereist, sodass sich farblich ein herrliches Bild für einen stimmungsvollen Abend bot.
Es waren jedoch zuerst die Pilsener, die das Heft in der Hand hielten. Die Austria hatte gegen das aggressive Anfangs-Pressing der Tschechen wenig entgegenzusetzen und ein ordentlicher Spielaufbau kam in der Phase des Beginns von Seiten des FAK nicht auf. Pilsen stand gut, war aber in den Angriffsbemühungen nicht vorhanden. Der echte und einzig nennenswerte Abschluss durch Tomas Horava in Minute 15 passierte aus einem schlecht geklärten Ball von Christoph Martschinko. Der daraus folgende Volley war für Torhüter und Austria-Kapitän Robert Almer kein Problem.
Ganz anders die Austria, die mehr und mehr ins Spiel fand und dem Gegner nun ihr Spiel aufzwingen wollte. Es folgten sehenswerte Ballstafetten über mehrere Stationen, bei denen Pilsen oft nur hinterher hecheln konnte. Das lautstarke Publikum ging begeistert mit, stand immer wieder auf und spendete Szenen-Applaus. In der 19. Minute dann der Torschrei! Eine Hereingabe von Alexander Grünwald fand ohne weitere Berührung den Weg ins Tor, weil jedoch Larry Kayode aus Abseitsposition in Richtung des Balles sprang, verweigerte Schiedsrichter John Beaton diesen Treffer.
Beide Mannschaften tasteten sich behutsam weiter ab, wobei die stete Gefahr mehr von Seiten der Heimischen ausging. Die Viktoria Pilsen-Hintermannschaft stand gut und viele versteckte kleine Fouls unterbanden mehr und mehr den Spielfluss der Austria. Absolut pünktlich und ohne jedwede Nachspielzeit ging es nach 45 Minuten in die Kabinen.
Die zweite Hälfte begann damit, dass Pilsen begann, Zeit zu schinden. Die Abschläge von Torhüter Matus Kozacik dauerten gefühlte Ewigkeiten und im Spielaufbau des tschechischen Meisters tat sich nichts. Die Austria lief sich immer wieder in Abseits-Positionen fest, oder aber verzettelte sich mit Einzel-Aktionen. Die beiden pfeilschnellen violetten Turbos Lucas Venuto und Larry Kayode wurden immer wieder von den Beinen geholt.
Dann in der 60. Minute eine Freistoß-Flanke von Raphael Holzhauser: Der aufgerückte Verteidiger Petar Filipovic verfehlte mit seinem Kopf die violette Führung denkbar knapp. Kurz darauf erneuter Torjubel im weiten Rund, doch abermals hatte das schottische Schiedsrichter-Gespann etwas dagegen. Larry Kayode erzielte mit einem satten Schuss das vermeintliche 1 : 0, Beaton sah den Nigerianer – zu Unrecht – aus Abseits-Position los starten. In der 71. Minute fand Pilsen durch Tomas Poznar wieder einen gefährlichen Abschluss vor. Sein Kopfball nach einem vorgetragenen Eckball wurde jedoch zur sicheren Beute von Robert Almer. Es war dies im übrigen der einzige Ball, den Almer gestern Abend halten musste.
Dann die Schlussphase: Das Stadion stand Kopf, die Zuschauer hielt es nicht auf den Sitzen und die Stimmung, permanent und immerfort vorgetragen aus der Fan-Kurve, schwappte mehr und mehr auf alle Besucher über. Die Austria-Mannschaft dankte den Chorälen der Begeisterung mit weiteren Sturm-Läufen bis zur Erschöpfung. Der jedoch bereits erwähnte und geschickt aufgezogene Pilsen-Abwehrriegel stand eines Felsen in der Brandung gleich und lies kein Durchkommen zu. Zwei Freistöße von Grünwald und Holzhauser in den Minuten 88 und 89 sausten knapp am Tor vorbei, die 3minütige Nachspielzeit brachte nichts mehr ein. Das 0 : 0 schmeichelte den Tschechen, die nun zwei Zähler aus zwei Spielen aufweisen. Die Austria verlor die Tabellenführung der Gruppe E an den AS Rom, die ihr Spiel gegen Astra Giurgiu mit 4 : 0 bestritten. Die Römer, als auch die Wiener Violetten verbuchten aus zwei Spielen 4 Punkte und teilen sich die Plätze 1 und 2.
Positiv aus Sicht der Austria war, erstmals nach langer Zeit wieder „Zu Null“ gespielt zu haben. Weiters wurde dem Publikum ein gutes Spiel geboten, denn trotz keiner Tore, war es eine ordentlich geführte Partie. Die Austria kann auf diesem Erlebnis weiterhin aufbauen und hat nun am kommenden Sonntag, 2. Oktober 2016, 19 Uhr, Wiener Praterstadion gegen den Aufsteiger SKN St. Pölten die Möglichkeit, den Schwung in die heimische Meisterschaft mitzunehmen.
FAK-Coach Thorsten Fink meinte nach dem Spiel, mit der Leistung seiner Mannschaft zufrieden gewesen zu sein. „Wir haben hinten nichts zugelassen und in der zweiten Halbzeit ein reguläres Tor erzielt. Jetzt gilt es, auch in der Meisterschaft wieder voll zu punkten, um in der Tabelle weiter nach oben zu gelangen.“
Und Pilsen-Trainer Roman Pivarnik meinte, dass die Austria so auftrat, wie er sich das vorgestellt hatte. Die Stimmung im Stadion war toll und zum aberkannten Tor könne er nichts sagen, er müsse erst die TV-Bilder sehen.
Die Austria war im übrigen gestern Abend der einzige österreichische Vertreter, der zumindest ein Unentschieden erreichte, denn weder Salzburg (1 : 3 gegen den FC Schalke 04), als auch RAPID (0 : 1 gegen Athletic Club Bilbao) konnten punkten.
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