Ein Fußballverein aus Wien / Der FK Austria im Nationalsozialismus 1938-1945. Erschienen bei böhlau. ISBN: 978-3-205-20781-8
Ein Fußballverein aus Wien / Der FK Austria im Nationalsozialismus 1938-1945. Erschienen bei böhlau. ISBN: 978-3-205-20781-8

Der FK Austria Wien – kurz FAK – ist seit jeher ein Repräsentant der österreichischen Bundeshauptstadt Wien und darüber hinaus der Republik Österreich. Dieser Klub kann bis heute mit Fug und Recht von sich behaupten, Österreichs Rekord-Titelträger in Sachen Fußballsport hierzulande zu sein. Man liebt diesen Verein, oder man hasst ihn – egal und einerlei gilt für die „Veilchen“ nicht.

Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland in den März-Tagen des Jahres 1938 wurde der komplett aus Juden bestehende FAK-Vorstand vertrieben. Dieser Umstand sollte jahrzehntelang dazu dienen, die Austria als „Juden-Verein“ zu titulieren. Dazu war in den 1970er und 1980er Jahren gerne – vornehmlich lautstark von der West-Tribüne des Ing. Gerhard Hanappi-Stadions – der Ruf „Juden kusch“, oder „Judenschweine“ zu hören. Die RAPID-Fans „begrüßten“ so ihren ewigen Rivalen AUSTRIA anhand der zahlreichen Stadt-Derbys. Auch die LASK-Fans bliesen in das gleiche Horn. Der nach einer sechsjährigen Durststrecke durch die Niederrungen der 2. Liga getingelte frisch gebackene Aufsteiger aus Linz war im Juli 2007 zu Gast im Franz Horr-Stadion. Teile der dem Vernehmen nach im rechten Lager stehenden schwarz-weißen Linzer entrollten auf der Ost-Tribüne ein Transparent mit der Aufschrift „SCHALOM“. Diese an sich gängige Begrüßungsformel aus dem Hebräischen diente weniger einem Akt der Höflichkeit, sondern war vielmehr eine Anspielung auf die Geschichte des FAK.

Nachdem 1938 also der Vorstand mit Schimpf und Schande verjagt wurde und die Mannschaft selbst für den Augenblick unverändert blieb, arrangierten sich Teile der Aktiven mit dem neuen System. Hans Mock war Mitglied der SA, Karl Sesta erhielt eine Hammerbrot-Filiale und Matthias Sindelar wurde nach dem Ende seiner Laufbahn Cafetier. Beide Geschäfte, also die Brot-Filiale, als auch das Kaffeehaus waren „arisiert“, worden. Vormals jüdischen Besitz zu enteignen, um diesen somit den deutschen Volksgenossen zugänglich zu machen, stand damals an der Tagesordnung. Nun obliegt es uns, der Nachkriegsgeneration, unsere Großeltern zu verstehen, oder aber zu verteufeln, sollten diese damals einen Nutzen für sich selbst aus dem neuen System gezogen haben.

Die Austria am Weg zum SC Ostmark. Hier eine Spielszene aus den späten 1930er Jahren am WAC-Platz im Wiener Prater. Der Schuss von Josef Molzer (Austria), ganz rechts wird vom Wiener AC-Keeper und dessen Verteidigung geblockt. Foto: oepb
Die Austria am Weg zum SC Ostmark. Hier eine Spielszene aus den späten 1930er Jahren am WAC-Platz im Wiener Prater. Der Schuss von Josef Molzer (Austria), ganz rechts wird vom Wiener AC-Keeper und dessen Verteidigung abgewehrt. Foto: oepb

Zur Geschichte dieses Buches

Der FK Austria Wien entschloss sich im Jahre 2014, die Geschichte des Vereins sowie das Schicksal seiner Spieler und Funktionäre während der Jahre des Nationalsozialismus in Österreich 1938 bis 1945 einer wissenschaftlichen Aufarbeitung zuzuführen. Die konkrete Arbeit dafür setzte im Frühsommer 2016 ein. Nun, nach zweieinhalb Jahren Recherche-Tätigkeit liegt das Buch „Ein Fußballverein aus Wien – Der FK Austria im Nationalsozialismus 1938–1945“ vor.

Dazu Austria AG-Vorstand Markus Kraetschmer: „Wir finden es extrem wichtig, diese Zeit aufzuarbeiten, um diesen Teil der Geschichte in weiterer Folge auch in unserem Museum weiterzugeben. Die Erkenntnisse und Erzählungen sind nicht nur Teil der Austria-Geschichte, sondern auch der Stadt Wien und von Österreich. Das große Interesse und erste Reaktionen auf die wissenschaftliche Arbeit zeigen schon, dass es wichtig war, dieses Projekt umzusetzen. Ich bin sehr froh, dass uns das gelungen ist. Es ist wichtig, ein Bewusstsein für diese Thematik zu schaffen – umso mehr, da die Zeitzeugen immer weniger werden.“

Autor Johann Skocek: „Vor drei Jahren haben wir begonnen, dieses Projekt zu konkretisieren. Wir haben großes Glück gehabt, so großzügige Unterstützer zu finden. Ich freue mich, dass das Projekt von allen Seiten so gut aufgenommen wurde. Dabei ging es ganz wesentlich auch um die Verbindung des Fußballs mit der Welt außerhalb des Stadions, von der große Impulse ausgehen. Es ist letztlich eine Stadtgeschichte, eine Fußballgeschichte, eine Klubgeschichte und eine politisch-ideologische Geschichte. Das Buch soll uns auch dabei helfen, ein besseres Bewusstsein für aktuelle Gegebenheiten zu schaffen. Es ist Teil einer aktuellen, gesellschaftlichen Auseinandersetzung.“

Wunderteam-Fußballer und Austrianer Karl Sesta, fünfter von rechts, trat auch als Wahlhelfer in Wien für die NSDAP-Volksabstimmung am 10. April 1938 in Österreich in Erscheinung. Foto: oepb
Wunderteam-Fußballer und Austrianer Karl Sesta, fünfter von rechts, trat auch als Wahlhelfer in Wien für die NSDAP-Volksabstimmung am 10. April 1938 in Österreich in Erscheinung. Foto: oepb

Hannah Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus: „Fußball ist ein extrem wichtiger gesellschaftlicher Faktor und zutiefst politisch, nicht zuletzt deshalb, weil er Menschen begeistert und zusammenbringt. Wer Einfluss auf Menschen hat, trägt aber auch Verantwortung – und die Austria hat diese Verantwortung angenommen und wird ihr gerecht. Mich persönlich hat auch die Aktion der Austria mit dem Besuch des jüdischen Mahnmals sehr berührt – ich glaube, damit wurden viele Menschen erreicht. Das Gedenken – wie in diesem Buch der Austria – wird umso wichtiger, weil die Zeitzeugen immer weniger werden.“

 

oepb-Rezension:

Österreich sah sich nach 1945 gerne in der Opfer-Rolle. „Wir waren das erste Land, das Adolf Hitler noch vor Ausbruch des Krieges „überfallen und besetzt“ hat!“, so hieß es immer und so wurde es uns allen, der Nachkriegsgeneration, im Geschichts-Unterricht suggeriert. Sich seine eigene Meinung zu bilden, steht jedem Menschen frei. Fakt ist, dass Österreich, so wie genau genommen halb Europa damals, in den 1930er Jahren, arm wie eine Kirchenmaus war. Die Nachwehen nach dem „Großen Krieg“ – später als Erster Weltkrieg von 1914-18 bekannt – war jahrelang und überall zu spüren. Die Bevölkerung, zum größten Teil arbeitslos, vegetierte vor sich hin und Familienväter wussten nicht mehr, wie sie ihre Familien ernähren sollten. Dann kommt ein gebürtiger Österreicher aus Deutschland daher und ihn ihm sieht man den Allheilsbringer. Warum? Weil es plötzlich wieder Arbeit gab und somit volle Mägen für die Kinder. Und wer wusste schon im März 1938, dass im September 1939 ein Krieg ausbrechen wird? Ein Großteil der Bevölkerung war geblendet, fanatisch und somit unberechenbar geworden. Und Hitler sprach alle an – vom „einfachen“ Arbeiter bis hin zum „Gstudierten“. Er besaß die Gabe, die Massen zu begeistern und somit für seine Zwecke zu missbrauchen.

Es blieb nach dem Einmarsch der Deutschen Truppen im März 1938 in Österreich – der übrigens unblutig erfolgte – kein Stein mehr auf dem anderen. Alles wurde neu bewertet und betextet, Gegner des Regimes und Andersdenkende wurden verfolgt, vertrieben und in späterer Folge auch teilweise bestialisch ermordet. Es gab aber auch Mitbürger, die sehr bald schon Hitlers-Plan zu durchschauen glaubten. Die anfängliche Begeisterung wich und blankes Entsetzen machte sich breit. Am schlimmsten waren diejenigen, die ihre Mitbürger „verpetzten“ und denunzierten und so an die Staatsgewalt verraten hatten. Dass dies dann meist für Juden, Sozialdemokraten, Zigeuner, Kommunisten, Ausländer etc. den sicheren Tod bedeutete, dies wurde wohlwollend in Kauf genommen.

Die Gattin von Dr. Emanuel "Michl" Schwarz bemühte sich nach dem Krieg, dass der zu Unrecht entwendete Goldpokal wieder in den rechtmäßig Besitz zurückgelangt. Sammlung: oepb
Die Gattin von Dr. Emanuel „Michl“ Schwarz bemühte sich nach dem Krieg, dass der zu Unrecht entwendete Goldpokal wieder in den rechtmäßigen Besitz zurückgelangt. Sammlung: oepb

So verhielt es sich auch beim Fußballsport. Wer mit dem neuen System nicht im Gleichklang war, wurde automatisch zum Regime-Gegner und musste in den Untergrund. Oder bei Nacht und Nebel seine Heimat verlassen. Walter Nausch zum Beispiel, der ein fester Bestandteil des Österreichischen Fußball-Wunderteams war. Der gerne aus „Sir“ titulierte Austrianer war mit Margarethe Hendler, einer Jüdin, verheiratet. Folglich zog das Paar im Herbst 1938 ins Schweizer Exil. Auch der große österreichische Kabarettist Karl Farkas musste ebenso wie Friedrich Torberg und viele andere Künstler fliehen. Torberg und Farkas emigrierten in die USA, wobei sich Farkas dort von seiner Gattin scheiden ließ, um damit etwaigen Ressentiments an seiner in Wien lebenden Frau vorzubeugen.

Ähnlich verhielt es sich bei „Michl“ Schwarz. Medizinalrat Dr. Emanuel „Michl“ Schwarz war Austria´s jüdischer und legendärer Präsident bis 1938. In seine Ära fiel auch die Namens-Umbenennung von „Amateure“ auf „Austria“ im Jahre 1926, ebenso der zweimalige Gewinn des Mitropacups 1933 und 1936. Schiedsrichter Hermann Haldenwang übernahm von Schwarz die Geschicke der Austria, die von nun an als SC Ostmark auftrat. Franz Schwarz, Jahrgang 1927, erinnerte sich, dass neben Haldenwang im März 1938 auch Hans Mock in SA-Uniform bei seinem Vater vorstellig wurde, um den Goldpokal, eine Nachbildung des Mitropacups, an sich zu reißen.

Es geschah alles generalstabsmäßig Schlag auf Schlag in den turbulenten Anschlusstagen im März 1938 in Österreich und in Wien und gerade auch bei der Wiener Austria blieb nichts mehr so, wie es war. Einen Umstand rückt dieses Buch jedoch auch unumwunden in den Vordergrund, nämlich jenen, dass die Austria bis 1938 zwar teilweise von jüdischen Mitbürgern geführt wurde, Teile der Spieler allerdings mit dem neuen System kooperierten.

Die Austria war nach 1945 darum bemüht, die in alle Windrichtungen verstreuten Spieler und Funktionäre wieder unter dem violetten Band zu vereinen. Anhand dieses Briefes wollte man den langjährigen Präsidenten Dr. Emanuel Schwarz zur Rückkehr nach Wien animieren - was auch gelang. Sammlung: oepb
Die Austria war nach 1945 darum bemüht, die in alle Windrichtungen
verstreuten Spieler und Funktionäre wieder unter dem violetten Band zu
vereinen. Anhand dieses Briefes wollte man den langjährigen Präsidenten Dr.
Emanuel Schwarz zur Rückkehr nach Wien animieren – was auch gelang.
Sammlung: oepb

Eine Tatsache, die dazu führt, die Austria keineswegs als reinen Juden-Verein anzusehen. Und dennoch hielt sich sehr lange der volkstümliche Glaube, gerade auch in den Bundesländern, dass die Austria, weil gerne anhand der zahlreichen Sekretariate im Laufe der Geschichte in Kaffeehäusern ansässig und ob der steten Geldquellen, die sich immer wieder geheimnisvoll öffneten, wenn der Verein finanziell aus dem letzten Loch pfiff, eben ein Judenverein sein muss.

Somit liegt nun ein weiterer interessanter Buch-Titel dieses ruhmreichen Stücks österreichischer Fußballgeschichte vor, der einmal mehr auf die bewegte und abwechselungsreiche Vergangenheit dieses Vereins zurückblickt. Die Lektüre von „Ein Fußballverein aus Wien“ öffnet nicht nur die Augen, sondern stellt auch ein lebendiges Stück Zeitgeschichte dar, für heute und die Nachwelt.

 

Ein Fußballverein aus Wien
Der FK Austria im Nationalsozialismus 1938-1945
Von Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik, Rudolf Müllner und Johann Skocek
314 Seiten, Hardcover, zahlreich bebildert mit violettem Lesebändchen
ISBN: 978-3-205-20781-8
Zum Preis von € 30,00 (Österreich), € 29,00 (Deutschland)
Erschienen im Böhlau Verlag
www.boehlau-verlag.com
 
 
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Das Buch ist auch im GETVIOLETT-Megastore beim FK Austria Wien in der Generali Arena, 1100 Wien-Favoriten, erhältlich.

www.austria.wien

www.bundesliga.at

www.oefb.at

 

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