Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 erschien in Österreich nicht nur die Zukunft, sondern auch die eigene nationale Identität höchst unsicher. Darauf reagierte die österreichische Filmindustrie: Mit neuen Filmen vermittelte sie dem Publikum auf unterhaltsame Weise die Eigenarten und Vorzüge des „Österreichischen“. Die unmittelbare Vergangenheit berührte das Kino kaum. Stattdessen bot es dem Publikum Ablenkung durch lustige Verwechslungskomödien, schwungvolle Melodien und Bilderbuchlandschaften. Der historische Kostümfilm übersprang Krieg und Nationalsozialismus und ließ Österreichs glorreiche Vergangenheit in der Habsburgermonarchie wiederaufleben und Österreich damit in neuem – altem – Glanz erstrahlen.
„Jedes Jahr begleiten uns Kostümfilme durch das weihnachtliche Fernsehprogramm. Sie sind leichte Unterhaltung, hatten zu ihrer Entstehungszeit aber auch eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Diesen Zusammenhang zeigen wir in einer neuen Web-Ausstellung auf.“, sagt Monika Sommer, Direktorin des Haus der Geschichte Österreich / hdgö. „Das Kino der Nachkriegszeit erreichte hunderttausende Menschen und beeinflusste damit die österreichische Identität weit wirkungsvoller als jedes Regierungsprogramm. In der Bewerbung des ‚Österreichischen‘ schlug man mehrere Fliegen mit einer Klappe. Hier verbanden sich die Zielsetzungen der politischen Eliten auf ideale Weise mit den Interessen der Filmindustrie und den Sehnsüchten der Menschen.“ Die heimische Filmindustrie stellte sich nur zu gern in den Dienst des nationalen Identitätsprojekts. Sie war durch alliierte Exportverbote vom größten Absatzmarkt Deutschland abgekoppelt und gleichzeitig bemüht, von der eigenen Mitwirkung in der nationalsozialistischen Filmwirtschaft abzulenken.
Erotik, Kostüme, Ironie und die Opfer-Frage
Anhand von Filmausschnitten berühmt gewordener Werke greift das hdgö vier Aspekte auf, die der Einordnung der heimischen Nachkriegsfilme dienen.
Starke Frauen im Nachkriegskino zeigt zunächst selbstbewusste Frauen, die sich weder von Männern noch von Geldnot abhalten ließen, ihre Ziele zu erreichen. Solche emanzipatorischen Vorbilder verschwanden bald wieder von der Leinwand. In „Die Fiakermilli” tauchten sie noch einmal auf, mit Erni Mangold in einer der erotischsten Szenen des österreichischen Kinos.
„Die Fiakermilli”, Regie: Arthur Maria Rabenalt, A 1953
„Rendezvous im Salzkammergut”, Regie: Alfred Stöger, A 1948
Tanzen statt schießen hieß es für österreichische Soldaten. Der Kostümfilm ersetzte die belastete Wehrmachtsuniform durch die makellose blaue K.-u.-k.-Uniform und verwandelte den Uniformträger in einen sanftmütigen, musikalischen Genius. Der österreichische Soldat schwärmt für Mehlspeisen und Musik, Gewalt und Töten sind ihm wesensfremd.
„Kaiserwalzer”, Regie: Franz Antel, A 1953
„Die Deutschmeister”, Regie: Ernst Marischka, A 1955
Österreich – Immer Opfer? Nach 1945 wies Österreich jegliche Mitschuld an Krieg und Holocaust von sich und präsentierte sich als „erstes Opfer“ der Aggression durch Hitler-Deutschland. Johannes Alexander Hübler-Kahlas ironische Komödie „Die Welt dreht sich verkehrt” greift diese Opferthese auf und verfolgt ihre historischen Wurzeln bis in die Keltenzeit. „Der Engel mit der Posaune” hingegen thematisiert die Beteiligung von ÖsterreicherInnen am Holocaust.
„Die Welt dreht sich verkehrt”, Regie: Johannes Alexander Hübler-Kahla, A 1947
„Der Engel mit der Posaune”, Regie: Karl Hartl, A 1948
Schuldig oder nicht schuldig? Diese Frage sparte das österreichische Kino weitgehend aus. Doch es gab Ausnahmen, wie ein Filmausschnitt aus Eduard von Borsodys „Die Frau am Weg” belegt. Der Film zeigt die unmenschliche Haltung eines österreichischen Grenzbeamten auf, der sich auf seine Pflicht beruft.
„Die Frau am Weg”, Regie: Eduard von Borsody, A 1948
Web-Ausstellung „Österreich als filmischer Sehnsuchtsort“
Quelle: Haus der Geschichte Österreich / HdGÖ
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Das Haus der Geschichte Österreich
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