Ernst (links) und Otto Melchior spielten gemeinsam zwischen 1946 und dem Winter 1953/54 für den FK Austria Wien. Foto-Collage: © oepb

In unserer unregelmäßigen Serie über einstige Brüder-Paare in der Österreichischen Fußball-Bundesliga (siehe bitte Gerald & Erwin Fuchsbichler, Erich & Norbert Hof, sowie Kurt & Wolfgang Nagl) möchten wir heute an die Gebrüder Ernst und Otto Melchior erinnern, die beide aus Kärnten vom Villacher Sportverein kommend in der Österreichischen Bundeshauptstadt gelandet sind, um beim FK Austria Wien Karriere zu machen.

Fußballerische Anfänge in Kärnten

Sie waren vier Brüder, die Melchiors aus dem Eisenbahnerviertel in Villach-Lind, wobei der zweitälteste, der Ernstl, jener Bursche war, der das meiste Talent mitbrachte. Bereits als 12-jähriger stürmte er in der VSV-Schülermannschaft und von dort weiter hinein bis ins Jugendteam. Mit 15 Jahren erfolgte sein Debüt in der Kampfmannschaft des Villacher SV.

Zweiter Weltkrieg, 2. Liga – Nationalteam

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich im Jahre 1938 kam es auch zu einer Neueinteilung des Fußballs in der nunmehrigen „Ostmark“. Aus den frisch ins Leben gerufenen Bezirksklassen (gleichbedeutend mit der 2. Leistungsstufe) konnten sich damals erstmals auch Vereine aus den Bundesländern für die höchste ostmärkische Liga qualifizieren. Der Villacher SV war in der Bezirksklasse Süd zugegen, trat dort gegen Kärntner und Steirische Vereine an und belegte den vierten Platz. Im Jahr darauf, 1939/40, spielten die beiden Bundesländer ihre Meister wieder in verschiedenen Ligen aus. Villach wurde, wie in den Jahren 1941, 1942 und 1943 Meister der 1. Kärntner Klasse, scheitere allerdings immer an und in den Aufstiegsspielen. Und in diese Jahre hinein stürmte sich auch Ernst Melchior, der es aus der zweiten Leistungsklasse kommend bis in die Nationalmannschaft geschafft hatte.

Die Wiener Violetten gingen als „Erster Meister einer gesamtösterreichischen Fußball-Meisterschaft 1949/50“ in die Geschichtsbücher ein. Stehend von links: Ernst Melchior, Fritz Kominek, Adolf Huber, Ernst Stojaspal und Lukas Aurednik; Bildmitte von links: Leopold Mikolasch, Kapitän Ernst Ocwirk und Siegfried Joksch; Hockend von links: Otto Melchior, Fritz Nikolai, sowie Fritz Kleibl. Foto: oepb

Teamdebüt gegen – no na – die Ungarn

Man kennt den alten Witz, in dem sich Graf Bobby neugierig erkundigt, welches Länderspiel denn am Sonntag ansteht und er von Graf Rudi prompt die Antwort erhält: Österreich – Ungarn. Darauf Graf Bobby: „Ja, aber gegen wen?“ 137mal spielte – gerechnet ab 1902 – Österreich gegen Ungarn bis heute. Dem 85. Aufeinandertreffen dieser beiden Fußball-Nationen drückte ein Debütant aus der zweiten Leistungsstufe kommend seinen Stempel auf: Ernst Melchior! Am 14. April 1946 kam der 25-jährige zu seinem ersten von insgesamt 36 A-Länderspielen mit 16 Toren für Österreich. Vor 60.000 Zuschauern im Wiener Praterstadion beim 3 : 2-Erfolg erzielte er nicht nur den 2 : 2-Ausgleich, er warf sogar einen Outball beinahe ins gegnerische Tor. Auch den dritten Treffer zum Erfolg legte er mustergültig für Karl Decker auf. Ein neuer Stern am Fußball-Himmel war aufgegangen.

Wien rittert um Melchior

Spätestens ab jenem Zeitpunkt des Länderspieles gegen die Ungarn war vielen Vereinen klar, sich die Dienste dieses Melchiors sichern zu wollen. In Kärnten war er bereits berühmt. Alsbald sollte er jedoch auch die Wienerinnen und Wiener, zumindest diejenigen, die Violette waren, verzaubern. Letzten Endes machte nämlich die Austria das Rennen um Ernst Melchior, um den sich auch RAPID sehr vehement bemüht hatte. Im Paket nahm der Ernstl, der Stürmer war, seinen um zwei Jahre jüngeren Bruder Otto, der auf der Position des Verteidigers spielte, mit nach Wien.

Kein Caspar, aber zwei Melchior und ohne Balthasar

Ernst Melchior I (* 26. Juni 1920) und Otto Melchior II (* 21. Juni 1922) wurden nicht am 6. Jänner, dafür aber im Sommer 1946 zu waschechten Austrianern. Beide reisten mit all ihrem Hab und Gut nach Wien und bezogen im 7. Bezirk (W-Neubau), in der Westbahnstrasse 31 ihre Wohnung. Für beide war der Sprung aus dem beschaulichen Stadterl Villach ins nach wie vor nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahr zuvor arg zerbombte Wien kein leichter, dennoch drückten beide der violetten Fußball-Geschichte ihren Stempel auf.

Der zukünftige “Gesamt-Österreichische Fußballmeister” FK Austria Wien feiert Silvester 1949/50. Im Hintergrund Ernst und Otto Melchior, vorne mit Zigarre – Austria-Gönner Fritz Kment. Foto: © oepb

Bezeichnung „Gscherter“ als Ritterschlag

Ernst „Ossi“ Ocwirk harmonierte prächtig mit Namensvetter Ernst Melchior und Adolf „Dolfi“ Huber schuf die Räume als dirigierender Mittelstürmer. Es war ein sagenhaftes Zusammenspiel und die unwiderstehlichen Läufe durch die gegnerischen Reihen des Melchior I erfreuten nicht nur seine Mitspieler, sondern auch das seinerzeit noch sehr zahlreich vorhandene Austria-Publikum. Zwischen durchschnittlich 14.356 Besuchern in der Saison 1946/47 bis hin zu 18.700 im Schnitt 1949/50 und 1951/52 pilgerten damals zu den Meisterschaftsspielen des FAK. Erst 1957/58 fiel mit 8.500 Zuschauern erstmals wieder nach 11 Jahren der Schnitt unter die 10.000er Marke. Die Leute waren begeistert, denn die Angriffsreihe mit „Melchior I – Stroh – Huber – Stojaspal – Aurednik“ suchte in jenen Jahren seinesgleichen. Modelltischler Ocwirk wusste das und niemand im Hause Melchior war böse, als der „Ossi“ den Melchior I „nurmehr“ als den „Gscherten“ titulierte.

Otto Melchior

Stets im Schatten des „Gscherten“ stand Melchior II, aber als Verteidiger war er auch mehr für die grobe Arbeit zuständig, um die Bälle nach abgefangenen Angriffen des jeweiligen Gegners wieder rasch nach vorne für die eigenen Reihen zu bugsieren. Aber Otto Melchior war auch das, was man als vereinstreu bezeichnen konnte. 10 Jahre lang trug er den violetten Dress – selbst noch zu einer Zeit, als sein Bruder bereits längst in Frankreich als Legionär tätig war – und kam dabei auf 155 Liga-Spiele für die Wiener Violetten.

Der typische „Ernst Melchior“! Mit Kraft, voller Wucht und den Ball nie aus den Augen lassend hinein ins Heiligtum des Gegners. Der 1. FC Kaiserslautern konnte 1953 in Lied davon singen. Foto: © oepb

Gemeinsam je 5 Titel mit der Austria

Melchior I und II waren dabei, als die Wiener Austria 1948/49, 1949/50 und 1952/53 Fußballmeister wurde. 1947/48 und 1948/49 holten beide auch die Cup-Trophäe mit dem FAK. Und – die Austria war 1949/50 der erste Fußballmeister einer gesamtösterreichischen Meisterschaft, mit den Villacher Gebrüdern Melchior.

Goldtor zu Glasgow

Österreichische Fußballgeschichte ereignete sich am Mittwoch, 13. Dezember 1950. Ernst Melchior gelang in seinem 24. Länderspiel in der 26. Spielminute nicht nur das 1 : 0 für Österreich gegen Schottland, jener 1 : 0-Triumph vor 70 Jahren ging auch als erster Sieg eines kontinentaleuropäischen Teams auf der britischen Insel in die Geschichte ein. 100.000 Zuschauer im Hampden Park trauten ihren Augen nicht, denn Österreichs Keeper Walter Zeman, der von nun an nur mehr als „Der Tiger von Glasgow“ gerufen wurde, brachte die Schotten reihenweise zum Verzweifeln.

Vorstellig beim 1. FC Kaiserslautern

Am 9. September 1953 traf im Zuge eines Freundschaftsspiels der österreichische Meister, die Wiener Austria, im mit 25.000 Zuschauern gefüllten Praterstadion auf den Deutschen Meister, den 1. FC Kaiserslautern, der in seinen Reihen die Brüder Fritz und Ottmar Walter, Horst Eckel, Werner Liebrich und Werner Kohlmeyer hatte, die im Jahr darauf Fußballweltmeister werden sollten. „Wer ist schon dieser Melchior?“ gab sich Kohlmeyer vor dem Match siegessiecher gegenüber deutschen Journalisten. Die Austria jedoch begegnete der auch heute noch allgegenwärtigen deutschen Überheblichkeit mit einem großartigen Spiel.

Zur Halbzeit stand es 5 : 0 für die Violetten. Das sehenswerteste Tor gelang Ernst Melchior – eh kloar. Nach einem spektakulären Solo überspielte er auch noch den Tormann und wartete knapp vor der Torlinie auf den bereits geschlagenen Keeper, der mit einem Hechtsprung den letzten Rettungsversuch unternahm. Das Publikum tobte, als Melchior I den Ball unter den Händen des Torhüters hindurch über die Linie lupfte. 9 : 2, so der Endstand aus violetter Sicht. Nach dem Schlusspfiff eilte Ernst Melchior schnurstracks auf Kohlmeyer zu, streckte diesem die Hand entgegen, machte einen Diener, lächelte fröhlich und meinte kurz: „Gestatten – MELCHIOR!“ Und der DFB-Kapitän des kommenden Weltmeisters Fritz Walter offenbarte zerknittert: „Wofür braucht die Austria überhaupt ein System. Bei solchen perfekten Klasseleuten!“ 

Freundliche Begrüßung der beiden Kapitäne vor dem Spiel FK Austria Wien gegen den 1. FC Kaiserslautern (9 : 2). Ernst Ocwirk (links, FAK) beim Wimpeltausch mit dem Pfälzer Spielführer Fritz Walter am 9. September 1953. Foto: © oepb

Top-Marke Ernst Melchior

Zwischen 1946 und 1954 absolvierte Melchior I 158 Meisterschaftsspiele für die Wiener Austria, anhand dieser ihm 122 Tore gelangen. Es gab keine Saison, in der er nicht zweistellig traf. Ernst Melchior aber auch sein Bruder Otto wurden zu einer Marke, die eng mit der Geschichte des FK Austria Wien verbunden ist.

Legionär in Frankreich

Am Sonntag, 15. November 1953 betritt Ernst Melchior sein letztes Spiel in Wien. Vor 25.000 Zuschauern verabschiedete er sich im Praterstadion vom Austria-Anhang mit einem 0 : 0 gegen den SC Wacker Wien. Beim FC Rouen schlug er von nun an seine Zelte auf. Später, 1958/59, wechselte er noch zum FC Nantes. In sechs Auslands-Jahren in Frankreich brachte es der „alternde“ Vollblutstürmer auf 193 Ligaspiele mit 86 Toren.

Der Spieler wird zum Trainer

Dem Fußballsport auch nach der aktiven Laufbahn noch eng verbunden, sattelte Ernst Melchior um und wurde Coach. Als solcher besaß er vier internationale Trainer-Lizenzen. Besiktas Istanbul, Fortuna Düsseldorf, Club Africain aus Tunesien, Jeunesse Esch, sowie gleichzeitig das Luxemburgische Nationalteam, darüber hinaus den FC Rouen, die WSG Radenthein, sowie SV Rapid Lienz – so lauteten seine Stationen.

Mit einem Remis unsterblich

Der 27. Oktober 1971 sollte einmal mehr in die Ernst Melchior-Geschichte eingehen. Luxemburg trotzte der Jugoslawischen Nationalmannschaft ein mehr als beachtliches 0 : 0-Unentschieden im Rahmen der EM-Qualifikation für 1972 ab. Melchiors Credo vor dem Spiel zu seinem Team lautete: „Lasst Euch nicht nervös machen, sollen die doch nervös werden.“ Dieses Ergebnis gilt bis heute als einer der allergrößten Erfolge in der luxemburgischen Verbandsgeschichte und Ernst Melchior hat als Trainer seinen Fix-Platz darin für die Ewigkeit.

Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Ernst Melchior, hier in charmanter Begleitung, war, was den Fußballsport anlangt, stets ein Getriebener. Ihm ordnete er alles unter, dem Fußball widmete er seine ganze Kraft und Leidenschaft, bis zuletzt. Foto: © oepb

Lebensabend in der Wahlheimat

Frankreich blieb bis zuletzt für den „Gscherten“ aus Villach-Lind, der auszog, um im Fußballsport zu reüssieren, seine Wahlheimat. Nach einer schweren Erkrankung verstarb Ernst Melchior I am 5. August 1978. Heute wäre er 100 Jahre alt!

Otto Melchior II blieb auch nach der Fußballer-Laufbahn beim FAK in und mit Wien eng verbunden, wo er im Dezember 1993 verstarb.

Geblieben ist aber bis heute eine Geschichte um ein Brüderpaar aus Kärnten, das dem Fußballsport seinen Stempel aufgedrückt hatte. Beide, Ernst und Otto Melchior geraten allerdings leider mehr und mehr in Vergessenheit …

Quelle: Redaktion. www.oepb.at

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