Erich Kunz kam am 20. Mai 1909 in Wien zur Welt, begann zuerst ein Studium an der Hochschule für Welthandel, fand aber sehr bald den Weg zur Opernbühne. An der Wiener Musikakademie wurde er Schüler von Theodor Lierhammer (Gesang) und Kammersänger Hans Duhan (dramatischer Unterricht). 1933 fand sein Debüt als Opernsänger im Stadttheater von Troppau statt, es folgten als nächste Stationen Plauen und Breslau. Im Jahre 1941, also mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde er an die Wiener Staatsoper verpflichtet, der er fortan ohne Unterbrechung angehörte.
Ein Künstler jener Generation, deren beste Sängerjahre in eine Zeit fallen, die von Not und Bedrängnis gekennzeichnet waren. Das untergehende „Dritte Reich“ mit all seinen Schrecken, der Zerstörung des Wiener Opernhauses im Jahre 1945, das allmähliche Auferstehen aus Schutt und Vernichtung, die zehnjährige Etappe, in der sich die Wiener Oper in Ausweichquartieren (Theater an der Wien, Volksoper, Redoutensaal) behelfen musste – das alles waren wichtige Begleiterscheinungen in der Karriere des Sängers. Trotz allem – und vielleicht sogar gerade deshalb – war dies eine große Ära der Wiener Opernkunst. Es ist nämlich erwiesene Tatsache, dass das Wiener Opernleben in Zeiten der Not und Entbehrung stets einen bedeutenden Aufschwung erlebt hat, während es in Zeitabschnitten der Prosperität der Gefahr der Verflachung ausgesetzt war. Es ist kein Zufall, dass gerade Wolfgang Amadeus Mozart, dieser Verkünder der höchsten Humanität, in diesen Jahren in völlig neuem Sinn interpretiert und verstanden wurde.
Erich Kunz, der bereits 1940 als Gastsänger an der Staatsoper erschienen war, vermochte sich sehr bald zu den wichtigsten und erfreulichsten Erscheinungen der damaligen Wiener Opernszene zu entwickeln. Mit seiner durch und durch individuellen Komik, seiner angenehmen Bassbaritonstimme und dem besonderen Charme seiner Persönlichkeit eroberte er sich rasch eine bevorzugte Position beim Wiener Opernpublikum. Es ist oft mit Recht gesagt worden, dass Erich Kunz selbst dann, wenn er ohne Singstimme zur Welt gekommen wäre, den Weg zum Theater gefunden hätte. Denn abgesehen von seinen stimmlichen Qualitäten muss er zu den besten Komikern und Volksschauspielern gezählt werden, die Wien jemals hervorgebracht hat.
Viele Jahre hindurch galt er als der denkbar beste Interpret von Mozartrollen wie Papageno, Figaro, Guglielmo und Leporello. In der Auffassung vieler Beurteiler hat er in diesen Partien bis jetzt noch keinen gleichwertigen Nachfolger gefunden. Es muss hier allerdings auch angemerkt werden, dass das Wiener Opernleben der Kriegs- und Nachkriegsjahre viel intimer, herzlicher und freundschaftlicher war, als in späteren Epochen. Es gab damals noch nicht den mechanischen Drill heutiger Inszenierungskunst, die Darsteller konnten ihre künstlerische Individualität voll und ganz entfalten – sich selbst und dem Publikum zur Freude.
Dazu kam noch ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl, ein völliges aufeinander Abgestimmtsein, welches den Aufführungen einen so vollkommenen und unverwechselbaren Charakter verlieh.
Erich Kunz war in erster Linie Mozartsänger, doch hat er auch in zahlreichen anderen Bereichen hervorragende Leistungen vollbracht. So war er ein hochgeschätzter Beckmesser in Richard Wagners Meistersingern (er hat diese Partie auch mehrmals bei den Bayreuther Festspielen gesungen), ein glänzender Gianni Schicchi, Doktor Bartolo im Barbier von Sevilla, Baculus im Wildschütz und so weiter. Auch in zahlreichen Operetten (Wiener Blut, Die Fledermaus, Der Zigeunerbaron, und andere) ist er mit Erfolg aufgetreten, und er galt auch als einer der berufensten Interpreten des Wienerliedes.
Was die stimmlichen Qualitäten des Sängers betrifft, so darf man Erich Kunz in unparteiischem Urteil nicht zu den Besitzern großer, glänzender Stimmen rechnen. Seine stimmlichen Naturgaben waren gut – jedoch nicht außerordentlich. Um so größere Bewunderung verdient es, dass der Künstler trotzdem zu so hoher internationaler Bedeutung – Erich Kunz hat in fast allen großen europäischen Opernhäusern gastiert, er sang auch an der Metropolitan Opera New York, dem Teatro Colon in Buenos Aires, bei den Festspielen in Glyndebourne – vordringen konnte. Er hat das Beste aus den vorhandenen Mitteln gemacht, durch Schule und Kultur ersetzt, was ihm an äußerlichem Glanz mangelte.
Im Zeitalter der nach kurzer Wirkungszeit rasch verblassenden Stimmen wirken Erscheinungen wie Erich Kunz wie mahnende Beispiele. Der Künstler hat niemals Überscheitungen seines Fachs gewagt, ist stets den Bufforollen treu geblieben – und die ungewöhnlich lange Dauerhaftigkeit seiner Stimme hat die Richtigkeit dieser Praxis bewiesen.
Ein hervorstechendes Merkmal des Sängers war stets seine hohe und unfehlbare Musikalität. In diesem Punkt überragt Erich Kunz auf alle Fälle die meisten seiner Rollennachfolger. In seinen Tonaufnahmen findet man immer eine erfrischende Reinheit der musikalischen Gestaltung vor, jeder Ton wird exakt angeschlagen, niemals verfällt er in die heute sehr verbreitete Gewohnheit, im Parlando oder im dramatischen Affekt die musikalische Linie zu überschreiten. Ein bekannter Prüfstein für die Genauigkeit der Tongebung ist der dreimalige Ruf „Papagena!“ in Papagenos Schlussarie aus der Zauberflöte, der von vielen Sängern nur vage, verschwommen, ungenau, von Erich Kunz hingegen mit instrumentaler Reinheit wiedergegeben wird.
Diese Verbindung von Komödiantik und künstlerischer Gewissenhaftigkeit hat Erich Kunz zu den höchsten Stufen seiner Sängerlaufbahn geführt. Er zählt zu den absoluten Klassikern der Wiener Opernkunst. Erich Kunz verstarb am 8. September 1995 in Wien.
(Redaktionelle Mitarbeit: Clemens Höslinger)
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