Zum heutigen Geburtstag und zur Erinnerung an seinen allerletzten Long Pass, den der “Ederl” vor vier Jahren geschlagen hatte;
20. Dezember 2019: Direkt – um nicht zu sagen Volley – hinein in ein paar Tage Urlaub erreichte uns die traurige APA-Meldung, dass Eduard Krieger am 20. Dezember 2019, kurz nach der Vollendung seines 73. Geburtstages, nach längerer Krankheit in Wien verstorben sei. Urplötzlich trat er, „Der vergessene Ederl“, wieder ins Rampenlicht. Bloß hatte der Gute nichts mehr davon. Die zahlreichen Nachrufe gleichen – bei genauerer Betrachtung – wie ein Ei dem anderen. Schier jedes Medium hielt sich nibelungentreu an Wikipedia und teilte seinen Lesern die dort gespeicherten Daten mit, die nicht unbedingt immer zwingend stimmen müssen. Soviel zum Thema “fundiert recherchierter Journalismus”!
Beispielsweise jene, dass Krieger bereits am 15. Mai 1982 seine Profi-Laufbahn beendet hatte, und nicht erst, wie fälschlich bekannt gegeben 1983 (Quelle: Wikipedia) Darüber hinaus setzte nun große Trauer für einen in Vergessenheit geratenen großen österreichischen Fußballspieler ein, der zu Lebzeiten noch größere Freude daran gefunden, wenn man sich seiner erinnert hätte. Nur taten dies eben die Wenigsten.
Krieger war weder ein Phantom, noch geisterte er als U-Boot durch Wien. Er war schlichtweg ein Ex-Profi-Fußballer, der Mensch geblieben war und den man auch immer wieder einmal in seinem Heimatbezirk in Wien-Simmering antreffen konnte. Einem netten Plauscherl über die sprichwörtlich „Gute alte Zeit“ war er nie abgeneigt. Und sobald er auftaute, stellte man sehr wohl fest, dass er sehr traurig darüber war, dass ihn seine ehemaligen Vereine einfach nicht mehr einladen würden. Selbst „seine“ Wiener Austria vergaß auf ihn anlässlich seines 70. Geburtstages 2016. Und auch im Vorjahr vermisste man ihn, als der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Österreichische Nationalmannschaft von 1978, just auf den Tag genau 40 Jahre nach Cordoba, in die Hofburg einlud. Krieger war darüber derart verbittert, dass er sich irgendwann damit einfach abgefunden hatte. Und so schloss sich nun der Kreis von einem, der nach Jahren im Rampenlicht, nach zahlreichen Tiefschlägen wirtschaftlicher Natur nach der Profi-Laufbahn, heimlich, still und leise sein Leben einfach zu Ende gelebt hatte. Möge er, der große, jedoch zu Lebzeiten völlig vergessene „Ederl“ nun in einer für ihn besseren Welt residieren.
Lesen Sie hier bei uns bitte das Interview, welches wir im November 2016 mit ihm in der “Hasenleiten-Stuben” in Simmering geführt hatten:
Edi Krieger / Zum 70. Geburtstag
Edi Krieger – Eh Oh Eh …
Die LASK-Fans im Block 2 des Linzer Stadions stimmten freudig ihre Choräle an, wenn es zu einem Freistoß in Strafraumnähe des jeweiligen Gegners, oder sogar zu einem Penalty kam, denn der hier gefeierte und geforderte Aktive im schwarz-weiß gestreiften Dress war d e r Meister des ruhenden Balles.
Eduard „Edi“ Krieger war im Herbst seiner Fußballer-Laufbahn, als er im Sommer 1979 seine Zelte in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz aufschlug. Beim SK VÖEST winkte man dankend ab, der „Ederl“ sei mit seinen knapp 33 Lenzen zu alt. Der Linzer ASK hingegen, gerade eben erst wieder in die 1. Division aufgestiegen, schnappte sich den „alternden“ Star und sollte mit ihm zumindest zwei gute Spielzeiten erleben. Man war ein bisserl großkopfert beim SK VÖEST und dachte sich wohl, mit Willi Kreuz, sowie den drei Ex-Austrianern Thomas Parits, Fritz Drazan und Alberto Martinez bereits die besseren Einzelspieler in den eigenen Reihen zu haben. Nun, es kam wie es kommen musste – die erste Herbstrunde am 17. August 1979 bescherte ein Linzer Stadt-Derby.
Die Gugl platze aus allen Nähten und weit mehr als die offiziell verlautbarten 26.000 Zuschauer wohnten diesem Prestige-Duell live vor Ort bei. Edi Krieger spielte eine überragende Partie, schlug sehenswerte Passbälle und verstand sich mit der „Braunen Perle des LASK“, Helmut Köglberger, blind. Gerade das Duo Köglberger-Krieger war eine Bank des LASK. Beide kannten und schätzten sich von der gemeinsamen Zeit bei der Austria der späten 1960er und frühen 1970er Jahre her und diktierten das schwarz-weiße Spiel.
Der Underdog und Aufsteiger LASK ging somit hochverdient gegen den haushohen Favoriten SK VÖEST als 3 : 1-Sieger vom Feld. Für Edi Krieger eine Genugtuung, denn ihn als „alt“ zu bezeichnen, dieser Stachel saß doch sehr tief.
Der LASK spielte 1979/80 als Aufsteiger eine hervorragende Saison. Die Linzer „Landstraßler“ waren tabellarisch immer vorne mit dabei und punkteten auch gegen die Großen der Liga. Selbst die Wiener Austria, der spätere Meister und Cupsieger in diesem Jahr, musste gegen die Linzer Federn lassen und konnte den frechen Aufsteiger in dieser Spielzeit nicht einmal bezwingen – bei vier Versuchen wohlgemerkt.
Edi Krieger und Helmut Köglberger gaben ein geniales Paar ab, das Fußball-Österreich seinerzeit verzauberte. Dass die Linzer als Aufsteiger damals Dritter – hinter Meister Austria Wien und dem Stadt-Rivalen SK VÖEST – wurden, war eine echte Sensation. Edi Krieger hatte es allein noch einmal so richtig gezeigt, was ihn ihm steckte und was er immer noch zu leisten imstande war.
Eduard Franz Krieger, geboren am 16. Dezember 1946 in Wien, kam sehr bald schon mit dem Fußballsport in Berührung. Als waschechter Simmeringer zerriss er seine ersten „Packeln“ zuerst für den 1. Simmeringer SC, ehe er bei Waggonfabrik / SGP – dies stand für „Simmering-Graz-Pauker“ – Simmering in der 1. Klasse A anheuerte.
Diesen einstigen Werksverein gibt es heute nicht mehr, nach einer Fusion, Umbenennung, Vereinsverschmelzung etc. um die Jahrtausendwende existiert heute der FC Mariahilf auf dem alten SGP-Platz in der Leberstraße in Wien XI. Krieger erlernte den Beruf eines Malers und Anstreichers, arbeitete allerdings auch im Wiener Gaswerk.
Eines schönen Tages stand plötzlich um 7 Uhr Austrias Talentespäher Josef „Pepi“ Argauer vor der Tür und „entführte“ den Edi von der Arbeit in Richtung Flughafen Schwechat. „Schau her, da steigt eine Maschine auf in Richtung Amerika. Da kannst Du drinnen sitzen!“, so Argauer. Krieger wird nachdenklich, er wäre gerne einmal geflogen. Der nächste Weg führte ihn ins Austria-Sekretariat in die Annagasse in der Inneren Stadt. Für vorerst zwei Jahre unterschrieb er beim FAK.
Mit 22 Jahren wechselte er demnach im Sommer 1968 zum FK Austria Wien. Auch der Wiener Sport-Club und der SK Rapid Wien wären an ihm interessiert. „Ich war immer ein Austrianer, etwas anderes wäre mich gar nicht in Frage gekommen!“, so Edi Krieger selbst. Sein damaliger Trainer Ernst Ocwirk hielt große Stücke von ihm, dem „Fein-Mechaniker“ mit dem ungeheuren Gefühl im Fuß. Er ließ ihm auch eine Menge durchgehen. Etwa, dass Krieger, obwohl verletzt gemeldet, bei Wirtshausmannschaften mitkickte. „Ich wollte halt immer spielen.“, erinnert er sich heute an seine aktive Zeit zurück. Krieger spielte vor Johann „Waschi“ Frank Vorstopper und sein Torhüter Rudi Szanwald bekam sehr bald schon graue Haare, als der Ederl wieder einmal einen Haken im eigenen Strafraum schlug.
Dieses „Bruder Leichtsinn“-Gehabe brachte ihm die eine oder andere Schelte seiner älteren Mitspieler-Kollegen ein. Doch Coach Ocwirk stand auf seinen „Krieger“, bestrafte diesen nur, für´s „Zigaretten rauchen“ mit 100 Schillingen oder andere Dinge. Ocwirk importierte aus seiner Italien-Zeit Dinge, die damals, Ende der 1960er Jahre, undenkbar gewesen waren. „Vor dem Match hat es immer Naturschnitzel mit Reis und grünem Salat, dazu einen roten Spritzer und als Nachspeise Früchtekompott gegeben!“, erinnert Krieger sich heute noch an den einstigen Menüplan.
Mit den Wiener Violetten sollte es zu großen Erfolgen reichen. Unter der Regie von Ernst „Dralle“ Fiala kam Edi Krieger 1969 und 1970 zu Meister-Ehren. 1971 und 1974 holte er mit dem FAK auch zweimal die Cup-Trophäe. Dann der Weg ins Ausland. Sein genialer, manchmal auch schlampiger Spielstil rief Ernst Happel auf den Plan, er verpflichtete Krieger zum FC Brügge (Club Brugge KV). Happel ließ Krieger beobachten, sah ihn sich dann selbst im Zuge eines Meisterschaftsspieles gegen den LASK an und Kriegers-Leistung in diesem Spiel bescherten ihm 3 Jahre Belgien. „In Österreich war ich Lizenzspieler, das hieß – vormittags arbeiten, nachmittags Training. Erst in Belgien mit knapp 29 Jahren bin ich Profi geworden. Das war eine Umstellung für mich von 100 Prozent. Das Training war viel härter.“, so erinnert er sich heute zurück. Aber Happel war begeistert von seinem „einsamen Krieger“. „Das erste Spiel für Brügge. Ich machte ungeheuer viele Fehler. Die Leute pfiffen mich aus. Aber Happel stand zu mir. Er half mir durch die ersten Wochen und Monate. Ich gewöhnte mich ein. Später dann waren die Leute von mir begeistert.“, so Edi Krieger in seiner Erinnerung. Überhaupt schwärmt er von Ernst Happel in den allerhöchsten Tönen.
Und er ergänzt: „Die meisten wissen ja nicht, wie er wirklich war. Für mich war er ein super Mensch, ein toller Charakter. Ich hatte in meiner Laufbahn nie einen besseren Trainer gehabt. Wenn es jedoch um den Sieg und um den Erfolg ging, war er immer härter als die anderen. Harte Getränke zum Beispiel waren verpönt, Bier ja, aber sonst nichts. Nach einem gewonnenen Match saß ich mit meinem Freund, Torhüter Birger Jensen in einer Bar. Es ist weit nach Mitternacht. Plötzlich kommt der Happel rein. Er geht schweigend ins Nebenzimmer. Kurze Zeit später bringt uns die Kellnerin Mineralwasser. Mein Teamkollege geht sofort heim, mich zitiert Happel an seinen Tisch. Er schenkt Cognac ein, den ich trinken muss. Bis 5 Uhr früh. Am nächsten Tag, ein Montag, ist nicht frei, sondern auf einmal ein Training angesetzt. Mit Springschnüren, Bleiwesten und Medizinbällen. Jedes Mal, wenn ich beim „Chef“ vorbeilief, hörte ich von ihm die überflüssige Frage: „No, hast no den Cognac in die Knie?“. So war er eben, der Happel.“
Mit Ernst Happel wurde Edi Krieger dreimal belgischer Fußballmeister – ein klassischer Hattrick in den Jahren 1976, 1977 und 1978, wobei 1977 mit dem Cupsieg auch das Double mit dem FC Brügge gelang. Krieger stand auch zweimal in einem Europacup-Finale. Der UEFA-Cup 1976 geht mit einem Gesamtscore von 3 : 4 verloren, der Meistercup-Bewerb 1978 mit 0 : 1, kurioserweise beide Male gegen die “Reds” von Liverpool FC. „Wir waren bei Brügge nicht so hervorragend, aber elf gute Freunde. Einer ist für den anderen gelaufen und hat die Fehler ausgebessert. Nicht 90, sondern 120 Minuten. Unter Happel hat die Spielerbesprechung maximal 5 Minuten gedauert. Bei der Austria unter Karl Stotz sind wir oft eineinhalb Stunden gesessen, da haben die Spieler schon geschlafen. Rot, grüne, gelbe Pfeile, keiner hat mehr gewusst, wer er ist.“, so Edi Krieger weiter.
Eine Anekdote möchte er auch nicht unerwähnt lassen: „Ich war bei Brügge der Einzige, der zu Auswärtsspielen mit der Bahn anreisen durfte, weil ich so eine Flugangst hatte!“ und Willi Kreuz ergänzt: „Wenn wir mit dem Nationalteam geflogen sind, ist der Ederl immer neben mir gesessen. Wenn wir hellblaue Hemden angehabt haben, war seines bei der Landung immer dunkelblau vom Durchschwitzen.“ Dabei wollte Josef Argauer doch einst, dass der Krieger in einer Maschine in die USA sitzt. Nun, Karriere hatte er gemacht, der Krieger, ob mit oder ohne Flugzeug.
Im Mai 1982 war für ihn Schluss – in Linz und mit der Profi-Laufbahn. Der LASK wurde in der Zehnerliga Letzter und stieg nur aufgrund der Aufstockung auf 16 Klubs nicht ab. Krieger ging zurück nach Wien und ließ beim LAC in Wien-Landstraße seine Karriere ausklingen. Er versuchte sich auch als Trainer. Hier waren Ajax, Victoria, Mautner, Kaiserebersdorf und Polizei/Feuerwehr seine Stationen, zwei Meisterschaften gewann er mit Ajax und der Victoria im Wiener Unterhaus. Was nun folgen sollte, war ein lang gehegter Wunsch: Der Traum vom eigenen Café in Wien-Simmering. Dies ging am Anfang auch ganz gut. Im Februar 1982 eröffnete er noch als Aktiver in der Kaiserebersdorfer Straße 26 in Wien XI sein erstes Kaffeehaus. Leider hielt der Traum jedoch nicht allzu lange an, denn Gutmütigkeit und Vertrauen in „falsche“ Freunde ließen ihn in der Gastronomie eine Bruchlandung hinlegen.
Später verkaufte er am Viktor-Adler-Markt in Wien-Favoriten frisches Obst und Gemüse, ehe er in seinem alten Heimat-Bezirk Simmering „landete“ und einem Freund in der Hasenleiten-Stuben gelegentlich als Kellner aushalf. Dort trifft man ihn auch später noch. Edi Krieger wirkt geknickt und betrübt, wenn man ihn da so sitzen sieht, bei einem Achterl Weiß und einer Zigarette. Seine Augen leuchten und er erwacht förmlich zu neuem Leben, wenn man ihn auf seine Karriere anspricht. „Das ist doch schon alles so lange her.“, winkt er zunächst noch ab, beginnt aber dann, fröhlich und freudig aus dem Nähkästchen zu plaudern. Er wirkt bescheiden und zufrieden. „Ich bin immer der geblieben, der sich nicht geändert hat. Auch nicht, als ich damals im Rampenlicht stand. Ich hatte immer meine Freunde und habe diese auch heute noch.“, so zum Abschluss unseres Gespräches im Herbst 2016.
Doch eines soll, darf und kann nicht unerwähnt bleiben. Wenn die alten Kalauer der Fußball-Weltmeisterschaft 1978 aufgewärmt werden und immer wieder von Cordoba und dem damit verbunden ersten Sieg über Deutschland nach 47 Jahren palavert wird, dann war er es, der Eduard „Ederl“ Krieger, der die entscheidenden Passbälle schlug. Krieger hatte bei allen drei Toren Österreichs seine genialen Beine im Spiel: der Ausgleich, das Eigentor von Berti Vogts fiel nach einer Krieger-Flanke, ebenso das 2 : 1 durch Hans Krankl. Und beim Spielentscheidenden 3 : 2 eroberte er im Mittelfeld den Ball, servierte weiter auf Robert Sara, der wiederum Hans Krankl auf die Reise schickte … Cordoba bestand eben nicht nur aus Hans Krankl, sondern aus 11 „gstanden österreichischen Fußballern“, die allesamt als Team und Einheit diesen Erfolg landen konnten. Eduard Krieger war einer davon, vielleicht sogar der Wichtigste in diesem Spiel, das sollte und darf nicht in Vergessenheit geraten …
oepb.at – In eigener Sache
Wenn die Österreichische Fußball-Bundesliga die Saison 2023/24 als 50-jährige Jubiläumssaison ausruft, dann darf dabei nicht vergessen werden, dass in Österreich seit 1911/12 regelmäßig Meisterschaft gespielt wird und es seit 1949/50 eine Gesamt-Österreichische Fußballmeisterschaft gibt. Wir werden hier in regelmäßiger Unregelmäßigkeit an Protagonisten der österreichischen Fußball-Landschaft erinnern, abseits der allseits bekannten Spieler-Größen. An Fußballer, die heute teilweise leider bereits vergessen sind, die aber dennoch der Liga und den Vereinen, für die sie aktiv waren, ihren Stempel aufgedrückt haben.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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